Der Philosoph verstörte im Gespräch mit Markus Lanz im Gastwerk Altona erneut mit einer seltsamen Aussage – die er schon einmal tätigte.

  • Erst kürzlich sorgte Richard David Precht im Podcast „Lanz & Precht“ mit einer Behauptung über die jüdische Religion für Aufregung.
  • Nun löste der Philosoph beim Talk mit Markus Lanz im Gastwerk Altona in Hamburg mit einem Satz zu Mercedes-Stern und Hakenkreuz erneut Irritationen aus.
  • In der Mercedes-Unternehmenszentrale zeigte man sich „fassungslos“.

Hamburg. Ein wenig hatte der Auftritt von Richard David Precht und Markus Lanz beim Kongress des Hamburger Unternehmensberaters Joachim Pawlik etwas von einem Neustart. Es war das erste Mal, dass die beiden zusammen auf einer Bühne saßen, nachdem es Aufregung um den Podcast „Lanz & Precht“ gegeben hatte. Thema in der Folge 110 war die Lage im Nahen Osten gewesen, sie trug den Titel „Über Israel und den Gazastreifen“. Precht hatte darin behauptet, die Religion verbiete streng orthodoxen Juden zu arbeiten, wörtlich sagte er:. „Ein paar Sachen wie Diamanthandel und ein paar Finanzgeschäfte ausgenommen.“

Das war nicht nur falsch, sondern brachte ihm auch den Vorwurf ein, Vorurteile gegen Juden zu schüren und antisemitische Stereotype zu bedienen. Die entsprechende Stelle wurde aus dem Podcast, den mehr als 600.000 Menschen pro Folge hören, umgehend entfernt.

Richard David Precht: Umstrittene Äußerung zur jüdischen Religion hatte Folgen

Das ZDF, in dessen Auftrag die Sendung produziert wird und das dafür im Jahr rund 1,5 Millionen Euro ausgibt, ließ verlauten: „Wir bedauern, dass eine Passage in der aktuellen Ausgabe von ‚Lanz & Precht‘ Kritik ausgelöst hat. An einer Stelle wurden komplexe Zusammenhänge verkürzt dargestellt, was missverständlich interpretiert werden konnte. Deshalb haben wir diesen Satz entfernt.“ Und auch Precht bat um Verzeihung: „All die Menschen, deren religiöse Gefühle ich damit verletzt habe oder die sich verzerrt dargestellt gesehen haben oder die das an antisemitische Klischees erinnert hat, bei denen entschuldige ich mich ganz und gar.“

Trotzdem hatte der Vorgang Folgen: Der Schriftsteller („Wer bin ich, und wenn ja wie viele?“) zog sich von seiner Honorarprofessur an der Leuphana-Universität in Lüneburg zurück, nachdem das Student*innenparlament die Führung der Hochschule aufgefordert hatte, die Zusammenarbeit mit ihm zu beenden. In Hamburg wurde eine geplante Lesung auf Kampnagel abgesagt, um, wie es hieß eine „konfrontative Situtation“ mit einem israelischen Künstler zu vermeiden, der zeitgleich dort auftreten sollte. Und Lanz und Precht nahmen eine Sonderfolge ihres Podcasts auf, Ausgabe Nummer 111, Titel: „Reaktion auf öffentliche Kritik.“

Richard David Precht (l.) und Markus Lanz waren zu Gast im Gastwerk Altona.
Richard David Precht (l.) und Markus Lanz waren zu Gast im Gastwerk Altona. © HA | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Das ist die Vorgeschichte beziehungsweise der Kontext, und beides muss man kennen, um zu verstehen, warum Moderatorin Dunja Hayali bei der Vorstellung von Lanz & Precht sagte, das bei den zweien „manches nach hinten losgeht, vieles aber auch nicht“, und warum Markus Lanz, kaum dass er auf der Bühne saß, hinzufügte: „Immer dieser Unterton, immer wenn du kommst, Richard!“

Damit sollte sich das Thema aber auch erledigt haben, es hätte vorerst die letzte Bemerkung zu der Aufregung der vergangenen Wochen sein können. Wenn Richard David Precht kurz darauf nicht einen Satz gesagt hätte, der in der aktuellen Situation selbst im Umfeld der Podcast-Macher als „mehr als ungeschickt“ bewertet wird.

Richard David Precht verstört mit Satz zu Hakenkreuz und Mercedes-Stern

Inhaltlich ging es um die aktuellen Krisen und Umwälzungen und um die Frage, was, so formulierte es Precht, „in Deutschland eigentlich Identität stiftet“. Was ist die gemeinsame Basis, auf die sich alle oder möglichst viele einigen können, was die „Leiterzählung“?

In der Vergangenheit und insbesondere in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg sei das „das Wohlstandsversprechen“ gewesen, sagte Precht, um dann wörtlich hinzuzufügen: „In Deutschland hat der Mercedes-Stern das Hakenkreuz ersetzt.“

Das war die Formulierung, die nicht wenige im ausverkauften Plenum zusammenzucken ließ, nicht nur jene, die die Vorgeschichte kannten. „Katastrophe“, „geht gar nicht“, „lernt der nicht aus seinen Fehlern?“, waren Kommentare von Gästen, die über den Satz genauso überrascht waren wie Gastgeber Joachim Pawlik: „Ich habe als Veranstalter keinen Einfluss darauf, was auf der Bühne gesagt wird, es ist ein Live-Event“, sagte der Unternehmensberater, der „Lanz & Precht“ für seinen weit über Hamburg hinaus strahlenden Kongress gebucht hatte.

Mercedes-Benz reagiert „fassungslos“ auf Prechts Hakenkreuz-Aussage

Ein Kongress, der übrigens von Mercedes-Benz unterstützt wird. In der Stuttgarter Zentrale des Konzerns ist man „über diese Äußerung fassungslos“, möchte sie aber nicht weiter kommentieren.

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Es bleibt die Frage, wieso Precht diesen Satz ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt gesagt hat, ob er ihn bewusst verwendet hat oder ob er ihm nur herausgerutscht ist. Oder ob die Erklärung noch einfacher ist: Denn das seltsame Bild von Mercedes-Stern und Hakenkreuz, mit dem er eigentlich nur sagen wollte, dass die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg ein neues, positives Leitbild gefunden hatten, hat der Autor nicht zum ersten Mal benutzt.

Richard David Precht nutzte Bild vom Mercedes-Stern schon früher

Es findet sich unter anderem in einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ aus dem Jahr 2019. „Der Klimawandel bedeutet, dass wir nicht mehr so weiterwirtschaften können wie bisher. Und das rüttelt gerade in einem so erfolgreichen Land wie Deutschland an den Grundfesten. Wir haben irgendwann das christliche Kreuz durch das Hakenkreuz ersetzt und das Hakenkreuz durch den Mercedes-Stern. Und das, wofür der Mercedes-Stern jetzt steht, also sowohl die Automobilindustrie wie die Vorstellung von mehr Konsum, mehr Mobilität, mehr Wohlstand und mehr Luxus, das prägt unser Selbstverständnis“, sagte Precht damals, und das regte offenbar niemand auf.

Markus Lanz (Foto) tritt hin und wieder live mit Richard David Precht auf.
Markus Lanz (Foto) tritt hin und wieder live mit Richard David Precht auf. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Soll heißen: Precht hat sich wahrscheinlich nichts (Böses) dabei gedacht, als er ein Bild wiederholte, das er schon öfter benutzt hat, auch wenn das, angesichts der neuen, oben beschriebenen Situation jetzt natürlich anders verstanden werden kann oder sogar muss. Was schade war, weil Lanz und er ansonsten viele klugen Gedanken teilten, etwa den von der „Wiederkehr einer Identitätspolitik“, die dazu führe, so Precht, dass das, was die Menschen unterscheidet, immer mehr in den Vordergrund trete: „Deshalb plädiere ich in meinem Buch, an dem ich gerade arbeite, für eine wertegeleitete Politik, die sich an den Werten orientieren muss, die alle teilen.“ Und: „Gesellschaften, die viel zu verlieren haben, sind selten mutige Gesellschaften.“ In Deutschland gewinne man Wahlen nicht dadurch, dass man Veränderungen, sondern dass man Kontinuität verspreche. Dabei müssten wir lernen, so Precht weiter, „dass man sehr schnell rennen muss, um auf der Strecke zu bleiben.“

Woher er denn trotz allem seinen Optimismus nehme, wollte Markus Lanz zum Abschluss des Gesprächs wissen. Precht sagte: „Ich habe keine Lust, mein Leben in schlechter Laune zu verbringen.“