Hamburg. Aufgrund der finanziellen Probleme des Investors fordert die Politik vom Senat, die Fläche zu erwerben. Doch das ist gar nicht so einfach.

Die Börse hat den Investor Adler Group am Montag abgestraft. Der Immobilienkonzern, der im SDAX gelistet ist und das Holsten-Quartier über seine Tochter Consus entwickeln will, verlor rund 30 Prozent an Wert und notiert nun bei nur 5,12 Euro. Im Sommer 2018 waren die Papiere noch 48 Euro wert. Die Anleger reagierten alarmiert auf die Meldung, wonach die Wirtschaftsprüfer von KPMG sich außerstande sehen, ein Testat für den Konzern- und den Einzelabschluss 2021 abzugeben.

Zusätzliche Verunsicherung brachte der Vierfachrücktritt im Verwaltungsrat und der am Sonnabend publizierte Milliardenverlust. Wie der Konzern nun die vom Bezirk Altona erforderte Finanzierungszusage für das Holsten-Quartier vorlegen will, scheint fraglich.

Altona: Bürgerinitiative will, dass Stadt eingreift

Das ist Wasser auf die Mühlen der Bürgerinitiative „knallt am dollsten“. Ihr Sprecher Theo Bruns sagte: „Zentrale Vorwürfe gegen Adler in Bezug auf dubiose Finanztransaktionen zum Zweck der privaten Bereicherung und Ausplünderung der Teilgesellschaften konnten vom Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG nicht widerlegt werden.“

Zweifelhaft sei zudem, ob die Firma über das Kapital verfüge, laufende Entwicklungsprojekte umzusetzen. „Der Stillstand auf fast allen Baustellen des Konzerns spricht Bände.“ Bruns fordert Bezirk und Senat dazu auf, alle juristischen Wege zu prüfen, das Holsten-Areal zu übernehmen. „Sie müssen die Verhandlungen mit Consus/Adler endgültig für gescheitert erklären und den städtebaulichen Vertrag in den Schredder befördern.“

Hamburger Politiker sehen das ähnlich

Das trifft in etwa die Stimmung in der Politik. „Die neuesten Entwicklungen bei der Adler Group zeigen, dass dieses Unternehmen offensichtlich finanziell angeschlagen ist“, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf dem Abendblatt. „Deshalb sollte der Bezirk vorerst keinen städtebaulichen Vertrag mit der Adler-Tochter Consus abschließen und auch das Bebauungsplanverfahren mit diesem Investor nicht weiter vorantreiben.

Erst wenn die Adler Group durch Bankbürgschaften nachweisen kann, dass sie wirtschaftlich dazu in der Lage ist, dieses Projekt verantwortungsvoll umzusetzen, könnte man vielleicht über eine Umsetzung mit Adler reden. Aus heutiger Sicht sehe ich das aber nicht.“ Kienscherf wirft dem Unternehmen vor, die Fläche als „Spekulationsobjekt“ zu betrachten, und fordert: „Das Beste wäre es, wenn die Stadt das Gelände von dem Investor kaufen würde und dann gemeinsam mit verlässlichen Partnern die Bebauung zügig umsetzt.“

Investor müsste Fläche freiwillig verkaufen

Nachdem der Wert des Grundstücks von 150 Millionen Euro auf rund 364 Millionen gestiegen sein soll, werde man diesen Preis aber „natürlich nicht bezahlen“, sagte Dirk Kienscherf. „Und wir sind nicht erpressbar und sind klar in unserer ablehnenden Haltung gegenüber diesem Investor.“

Das Grundstück zu erwerben wäre für die Stadt allerdings nur möglich, wenn Consus es ihr freiwillig zu einem angemessenen Preis verkauft (eher unwahrscheinlich) oder wenn der Investor es zum wiederholten Male weiterverkaufen wollte – dann könnte die Stadt nämlich ein Vorkaufsrecht nutzen. Darauf hatte sie 2016 verzichtet, quasi als Gegenleistung an den Carlsberg-Konzern dafür, dass dieser mit der Holsten-Brauerei in Hamburg blieb.

Holsten-Areal soll so schnell wie möglich realisiert werden

Doch nachdem der Senat 2019 die „Verordnung über die Begründung eines Vorkaufsrechts im Bereich des Holsten-Quartiers“ erlassen hat, ist er wieder im Spiel: Doch auch dieses Vorkaufsrecht gilt nur, wenn wirklich das Grundstück verkauft wird. Wechselt dagegen die Projektgesellschaft, der die Fläche gehört, den Besitzer (Share Deal), wäre nachzuweisen, dass es sich um ein „kaufähnliches Umgehungsgeschäft“ handelt, damit die Stadt eingreifen kann, antwortete der Senat auf eine Anfrage der Linken-Stadtentwicklungsexpertin Heike Sudmann.

Nicht nur sie fordert daher, diese Möglichkeit zu nutzen – sofern „kein Mondpreis“ aufgerufen wird. Auch die Grünen in der Bürgerschaft können sich das vorstellen. „Wir alle wünschen uns, dass das Projekt Holsten-Areal so schnell wie möglich realisiert wird“, sagte deren Stadtentwicklungsexperte Olaf Duge dem Abendblatt. Er unterstützt die Forderung der Bezirksamtsleiterin nach einen Finanzierungsnachweis von Consus und fordert: „Wenn der Investor nicht über die nötigen Mittel zur Umsetzung dieses Projekts verfügt, sollte er das Grundstück an einen solventeren Entwickler verkaufen – nur dann hätte die Stadt Hamburg die Möglichkeit, ein Vorkaufsrecht geltend zu machen.“

Keine Stellungnahme vom Investor

Alexander Wolf von der AfD ist gegen den Rückkauf: „Nicht mehr Staat ist hier die Lösung, sondern weniger Staat! Wir fordern auch hier klassische Bebauungspläne mit Öffentlichkeits­beteiligung." Das Abendblatt hat Consus sowohl am Montag als auch vergangene Woche um Stellungnahme gebeten – beide Male gab es keine Reaktion.

Sven Hielscher, CDU-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Altona, verwies darauf, dass der geförderte Wohnungsbau auf dem Areal in jedem Fall realisiert werde – wenn nicht von Consus, dann irgendwann von einem anderen Investor. „Nach dem Bauland-Mobilisierungsgesetz gibt es da kein Zurück mehr“, sagt Hielscher. FDP-Fraktionschefin Katarina Blume fordert dennoch einen „Krisenstab Holsten-Quartier“.

Altona: Sorge um Holsten-Areal

Altonas Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg (Grüne) sagte, dass sie die neuesten Entwicklungen „mit Sorge“ sehe. Dennoch betonte sie: „Wir befinden uns in einem ordnungsgemäßen Verfahren zur Baurechtsschaffung, und unsere Verhandlungspartnerin ist die Consus als rechtmäßige Grundstückseigentümerin.“ Wenn der Finanzierungsnachweis nicht vorgelegt werde, „wird der städtebauliche Vertrag von unserer Seite nicht unterschrieben“, so von Berg. Zudem solle der Bebauungsplan noch einmal neu ausgelegt werden. Dabei gehe es um Fragen der Verschattung – passend zu dem Projekt.