Hamburg. Neuer Fahrradstreifen auf der Max-Brauer-Allee eröffnet. Die Hallerstraße soll als Nächstes folgen. Welches Ziel Hamburg verfolgt.

Dass dieser Sonntag für Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) trotz Sonnenscheins und milder Temperaturen anfangs nur durchwachsene Laune bescherte, lag an knapp 100 Demonstranten mit grell beklebten Plakaten, die ihm die Show verhagelten: Statt des neuen Fahrradstreifens auf einem Teil der Max-Brauer-Allee stand die benachbarte Sternbrücke im Blickpunkt – optisch zumindest. Das eigentliche Thema, die vom rot-grünen Senat favorisierte Mobilitätswende, drohte ins Abseits zu geraten.

Als richtungweisende Etappe auf dem Weg zur fahrradfreundlichen Stadt wurde Teil zwei einer Radfahrstrecke eingeweiht. Was neudeutsch Pop-up-Bikelane genannt wird, ist eigentlich ganz einfach: Ein Teil der Straße wird mit gelber Leuchtfarbe sowie hier und da ein paar Warnbaken abgetrennt, sodass den Autos lediglich eine Spur bleibt. Die Aktion hat provisorischen Charakter. Arbeitsdauer: zwei Tage. Kosten: 60.000 Euro.

Nächste „Pop-up-Bikelane“ an der Hallerstraße

In einem Jahr will man sehen, wie das Projekt weitergeht.„Die Qualität der Allee für Radfahrer wurde durchgehend verbessert – für kleines Geld“, sagte Anjes Tjarks in Anwesenheit der Altonaer Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg. Beide Grünenpolitiker bezeichnen sich selbst als „leidenschaftliche Radfahrer“.

Nach einer Anfang September eröffneten, 550 Meter langen und Zweirädern vorbehaltenen Strecke Am Schlump wurden nun weitere 370 Meter auf der Max-Brauer-Allee zwischen Stresemannstraße und Holstenstraße umgewidmet. Wohlwollend betrachtet, ergeben sich zusammen gut 1,8 Kilometer Radstreifen.

Läuft alles nach Plan, folgt im Frühjahr 2021 ein Stück der Hallerstraße. Dann soll es auf der Achse zwischen Altona und Rotherbaum für Radfahrer zügiger vorangehen – und sicherer. „Die Radinfrastruktur hier ist völlig unzureichend“, meinte Tjarks. Es bestehe Handlungsbedarf. Seine Maxime: „Je mehr Mobilitätswende, desto weniger Abgase und Lärm.“

Am Schlump berichten Anwohner von langen Staus

Nicht jeder teilt diese Meinung. Anwohner der Straße am Schlump berichten nach der einspurigen Verkehrsführung für Pkw von bisweilen langen Staus. Busnutzer bestätigen diese Beobachtung. Früher alltägliche Gefahrensituationen zwischen Autos und Fahrrädern hätten abgenommen.

Eine Verkehrszählung der Behörden an der Max-Brauer-Allee in Höhe Johanniskirche am 13. August dieses Jahres ergab zwischen sechs und 19 Uhr 5471 Radfahrer sowie 10.345 motorisierte Fahrzeuge. Verhältnis 1:2. Warum das Amt allerdings ausgerechnet kurz nach Ende der Sommerferien und an einem sonnigen Sommertag mit fast 30 Grad zählen ließ, ist erstaunlich.

Dennoch ist der Trend klar: Altona ist Fahrradrevier. „Unser Stadtteil lebt die Verkehrswende“, sagte die Bezirksamtschefin Stefanie von Berg. „In keinem anderen Hamburger Bezirk ist der Radverkehrsanteil so hoch.“ Auf Nachfrage hatte sie auf ihrem Smartphone flugs eine Untersuchung von 2018 parat. Die Fakten für Altona: 28 Prozent Fußgänger, 22 Prozent Fahrräder, 21 Prozent Autos, 20 Prozent öffentlicher Nahverkehr, neun Prozent Mitfahrgelegenheiten.

Pop-up-Biklane – ein internationaler Begriff

Und warum, Frau von Berg, hält der exotische Begriff „Pop-up-Bikelane“ Einzug ins Politiker- und Behördendeutsch? Richtig beglückt sei sie darüber auch nicht, entgegnete sie, andererseits sei der Name international gebräuchlich und so etwas wie ein Markenzeichen. In Zukunft jedoch werde sich wohl das Wort „Radstreifen“ einbürgern.

Neben den drei Teilstücken auf der Achse zwischen Max-Brauer-Allee und Rothenbaumchaussee ist eine Passage am Sandtorkai/Brooktorkai in der HafenCity im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen ausdrücklich als Radstreifen festgelegt. „Aber wir wollen viel mehr“, kündige Senator Tjarks an. Weitere Straßennamen allerdings wollte er nicht preisgeben.

Max-Brauer-Allee: Nur wenige nutzen „Pop-up-Bikelane“

Am gestrigen Sonntag waren im umgewidmeten Bereich nur wenige Radfahrer unterwegs. Die meisten kamen, um gegen Abriss und Neubau der Sternbrücke zu protestieren. Das Nadelöhr an der Kreuzung Stresemannstraße/Max-Brauer-Allee soll durch eine moderne, große Konstruktion ersetzt werden. Orangefarbene Transparente und Plakate formulierten Protest.

Eine „Initiative Sternbrücke“ und der Fahrradclub ADFC verteilten Flugblätter mit alternativen Verkehrsskizzen. Klar ist dennoch: Wenn der jetzige Tunnel so bleibt, haben Radfahrer dort weiterhin Probleme – und die drei Etappen der „Pop-up-Bikelane“ bleiben Stückwerk.

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„Am kommenden Sonnabend lassen wir die Brücke grün illuminieren“, sagte Sascha Mindemann alias „Dr. Brücke“ im Namen des nahe gelegenen Künstlerhauses Faktor. Mitstreiter hatten 16 mit einzelnen Buchstaben versehene Plastiktonnen mitgebracht: „Bye-bye“. Der Senator war nicht so richtig amüsiert.