Hamburg. Seit Monaten ist Finanzsenator Andreas Dressel damit beschäftigt, das wichtige Prestigeprojekt der Bahn zu retten.

360 Millionen Euro will sich die Deutsche Bahn (DB) den neuen Fernbahnhof Altona am Diebsteich kosten lassen. Doch mit dem Bauvorhaben konnte bislang nicht gestartet werden. Seit Monaten ist Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) damit beschäftigt, das wichtige Prestigeprojekt der Bahn, das vom Hamburgischen Oberverwaltungsgericht (OVG) im August vergangenen Jahres gestoppt wurde, zu retten.

Damals hatte das OVG einem Eilantrag des Landesverbands Nord des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) stattgegeben. Es wurde ein Baustopp verhängt, weil am neuen Standort keine Verladestation für Autoreisezüge geplant worden war. Einen Termin für die Entscheidung der Richter am OVG im Hauptsacheverfahren steht aus, soll aber laut einem Gerichtssprecher „in diesem Jahr erfolgen“.

Seit der Schocknachricht für die DB sind rund zehn Monate vergangen. Senator Dressel sitzt an dem großen Besprechungstisch in seinem Büro mit Blick auf den Gänsemarkt vor einem dicken Stapel mit Unterlagen, die alle den Streit um den Fernbahnhof betreffen. Vor gut einer Woche gab es wieder einen sogenannten Faktencheck. Bislang gab es fünf dieser Gesprächsrunden, die An­dreas Dressel koordiniert.

Konstruktive Gesprächsatmosphäre

Da sitzen dann Stadt, Bahn, die Investoren für das Bahnhofsgebäude und die Gegner zusammen und sprechen detailliert über das Bauvorhaben: „Wir arbeiten die Fragen des VCD Punkt für Punkt ab. Dabei geht es im Kern darum, warum wir einen neuen Fernbahnhof Altona brauchen. Umweltauswirkungen des Projekts waren zuletzt das Thema.“ Es sei eine sehr konstruktive Gesprächsatmosphäre, und man nähere sich an, so Dressel weiter. Ein weiteres Treffen mit allen Beteiligten wird es am heutigen Montag geben.

Dressel weiß, dass es noch ein steiniger Weg ist, sagt aber im Abendblatt-Gespräch: „Transparenz schafft Vertrauen. Ich hoffe, dass uns auf dieser Basis im Spätsommer eine Verständigung gelingt. Wie die aussieht, werden wir sehen.“ Jeder Tag Stillstand koste Geld.

Lernkurve bei der Deutschen Bahn

Das Ziel von Senator Dressel dürfte sein, dass der VCD die Klage zurückzieht, aber das wird nicht ohne Zugeständnisse passieren, allerdings sagt deren Vorstand Rainer Schneider: „Die Klage gegen einen neuen Fernbahnhof am Diebsteich war der richtige Schritt. Denn nur so konnten wir erreichen, dass die Bahn und auch weite Teile der Politik in Hamburg unsere Bedenken ernst nehmen und nun auch detailliert auf unsere Fragen eingehen. Sobald Antworten vorliegen, werden wir diese sehr genau und ohne Zeitdruck bewerten, ob wir unsere Einstellung zu diesem Projekt ändern.“

Es ist kein Geheimnis, dass sich die Bahn ihrer Sache sehr sicher war und die Klage des VCD unterschätzt hatte. Dressel drückt es so aus: „Die Deutsche Bahn macht gerade eine Lernkurve durch. Es ist bei diesem Thema in der Vergangenheit nicht alles optimal gelaufen.“ Eigentlich sollte der Bahnhof zum Fahrplanwechsel im Dezember 2023 eröffnet werden. Bei der Deutschen Bahn ist von „nicht weniger als zwei Jahren Verspätung die Rede“.

1900 Wohnungen können nicht gebaut werden

Hinter den Kulissen gehen die Insider davon aus, dass es auch noch länger dauern könne. Dressel sagt: „Es gibt im Moment keinen neuen Zeitplan, je schneller wir eine Lösung finden, desto besser.“ Der neue Fernbahnhof sei neben dem A-7-Autobahndeckel das wichtigste Infrastrukturprojekt für den Hamburger Westen. Außerdem gebe es ohne die Verlagerung des Fernbahnhofs Altona auch nicht die dringend benötigten 1900 Wohnungen im zweiten Bauabschnitt der Mitte Altona, so Dressel.

Auf dem Areal am Diebsteich soll ein Bahnhof mit drei neuen Bahnsteigen und sechs Gleisen für den Fern- und Regionalverkehr und ein Bahnsteig mit zwei Gleisen für die S-Bahn, die die bisherige Station Diebsteich ersetzt, entstehen. Eine Bahnsprecherin sagte dem Abendblatt: „Wir sehen keine Alternative zur Verlegung.“ Immerhin: Die DB hat nach Abendblatt-Informationen an der Elbgaustraße in Eidelstedt einen Standort für eine neue Verladestation für Autoreisezüge gefunden.

Finanzsenator
Andreas Dressel
(SPD) will
vermitteln.
Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) will vermitteln. © Marcelo Hernandez

Das neue Empfangsgebäude des Fernbahnhofsmit Reisezentrum wird von zwei Hochhäusern umgeben. Dort sind ein Hotel, Büros sowie ein Fitnessstudio, ein Fahrradparkhaus, Einzelhandel und Gastronomie geplant. Den Zuschlag für das Areal hat die ProHa Altona erhalten. Das ist eine Joint Venture einer Haspa-Tochter und des Projektentwicklers Procom.

Deren Geschäftsführer Dennis Barth sagte dem Abendblatt: „Natürlich ist uns als Investor daran gelegen, dass wir zeitnah unsere Planungen fortsetzen können. Denn jeder Tag kostet Geld. Der VCD möchte sich das Projekt im Detail ansehen, das ist nachvollziehbar. Die Faktencheck-Gespräche sind deshalb inhaltlich komplex, aber sehr konstruktiv.“ Die Investoren halten an dem Bauvorhaben „selbstverständlich fest, wir können dieses aber erst umsetzen, wenn der Fernbahnhof tatsächlich verlegt wird“, sagte Barth.