Hamburg. Das neue Hamburger Wohngebiet mit 2000 Wohnungen entsteht zusätzlich und direkt neben der Neuen Mitte Altona.
Mancher der anwesenden Hamburger Investoren und Planer dürfte bei der Gelegenheit schon einmal verstohlen aufs Nachbargrundstück geschaut haben: Als im Spätherbst 2014 Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) zum symbolischen ersten Spatenstich für die Neue Mitte Altona auf dem früheren Güterbahngelände angesetzt hatte, war eben schon klar, dass sich nebenan auch bald Veränderungen abzeichnen würden.
Seit 1879 produziert die zum dänischen Carlsberg-Konzern gehörende Holsten-Brauerei dort schon Bier. Eine Hamburger Traditionsmarke. Weithin sichtbar durch riesige Stapel leerer Kisten und Lkw, die durch die engen Straßen kurven. Und genau das wurde für Holsten immer mehr zum Problem.
Verlagerung ist teuer
Die eigentliche Wohnstadt rückt seit Jahren näher heran an die weitläufigen Gewerbeflächen dort im Grenzbereich von Altona-Nord und Bahrenfeld. Zwischen Schanzenviertel und Ottensen, also zwischen zwei der begehrtesten Hamburger Szene-Stadtteile gelegen, war das Holsten-Areal längst in den Fokus Hamburger Wohnungsbaupolitik geraten. So wie vorher schon das Bahngelände, wo jetzt im ersten Abschnitt 1600 Wohnungen gebaut werden.
Schon lange liebäugelte auch der Getränkekonzern mit einem neuen, modernen Produktionsstandort für sein Bier – ohne die innerstädtischen Einschränkungen wie ein nächtliches Lkw-Verbot. Doch eine solche Verlagerung ist teuer. Was folgte, war daher ein langer Preispoker um das Filetgrundstück in Altona. Es gab namhafte Immobilienentwickler, die bald ausstiegen, zeitweise wurde um das Verkaufsverfahren ziemlich viel Geheimniskrämerei betrieben. Interessenten mussten sich verpflichten, nicht mit der örtlichen Politik zu reden. Aber die Stadt stellte klar, dass sie nur zu ihren Bedingungen dort aus Industrie- Bauland mache.
Düsseldorfer sicherten sich das Holsten-Gelände
Inzwischen hat die Düsseldorfer Gerchgroup das Rennen gemacht und dürfte ordentlich Geld auf den Tisch der Brauerei gelegt haben, die ihre Bierfabrik von 2019 an nach Hausbruch verlegen will. „Das war wohl ein Preis zu Marktbedingungen“, sagt dazu Altonas Baudezernent Johannes Gerdelmann. Will heißen: Die Nachfrage bestimmte den Preis, und die Nachfrage nach Baugrundstücken in Altona ist enorm.
Stadt und Carlsberg hatten sich aber zuvor in einer Vereinbarung auf einen Rahmen geeinigt, der ein interessantes, gemischtes Wohngebiet verspricht: Im Drittelmix soll dort wie überall bei größeren Neubauprojekten gebaut werden – also je zu einem Drittel Eigentums-, Miet- und Sozialwohnungen. Barrierefreiheit ist gefordert, 20 Prozent der Wohnfläche sollen an Baugemeinschaften gehen.
Kleiner Gewerbehof für Handwerksbetriebe
Aber im Unterschied zur Neuen Mitte soll das Wohnen nicht 90 Prozent der Flächen einnehmen, sondern nur 80 bis 85 Prozent, wie es bei der Gerchgroup heißt. Ein Hotel, eine Schule, Geschäfte, Gastronomie, Praxen und Büros sollen dort ebenso entstehen; sogar ein kleiner Gewerbehof für kleine Handwerksbetriebe, deren Hinterhofnischen in Altona zusehends verschwinden.
„Das wird deutlich quirliger als nebenan“, sagt Baudezernent Gerdelmann. Auch das Wohnungsangebot dürfte vielschichtiger werden, anders als in der Neuen Mitte gibt es keine Größenbeschränkung auf 120 Quadratmeter. Von „Townhouses“ bis hin zu Studentenwohnungen sei vieles möglich, kündigte der Geschäftsführer der Gerchgroup, Mathias Düsterdick, bereits an.
Wie viele Wohnungen gebaut werden, ist aber noch offen: Von 1300 spricht man bei der Stadt, inzwischen nennt Düsterdick sogar die mögliche Zahl von 2000. Man werde eventuell kleiner, aber mehr bauen, um auf den Markt zu reagieren. Gut möglich, dass die Gerchgroup auch zusehen muss, dass sie die Kosten für den Grund- stücksdeal wieder hereinbekommt. In der Bezirkspolitik schaut man daher genau hin, mehr als die angepeilten fünf bis sieben Stockwerke sollen es nicht werden, heißt es.
Noch aber läuft ein zweistufiges Architekturwettbewerbsverfahren, bei dem sich in den nächsten Monaten erst herausschälen wird, wie viel und wie dort tatsächlich gebaut wird.
Eine Wunschvorstellung hat Investor Düsterdick aber schon, wie er sagt. „Hip und urban“ solle das Viertel werden, keine Monostruktur etwa nur für junge Familien aufweisen. Vielschichtigkeit jedenfalls ist auch schon im Namen angelegt, den sich die Gerchgroup dafür ausgedacht hat. „Holsten-Quartiere“ – so wird das Areal künftig vermarktet. „Holsten-Quartier“ wäre da wohl zu wenig gewesen.
Morgen lesen Sie Teil 7 der Serie: Neugraben-Fischbek