Hamburg. Der Hamburger Modekonzern ist auf dem Rückzug und schließt die Filiale im Mercado und an weiteren Standorten in der Region.
In der Bonita-Filiale an der Mönckebergstraße war schon im Februar Räumungsverkauf, seit Anfang März ist der Modeshop für Damen in der Altersklasse 40plus an Hamburgs wohl bekanntester Einkaufsstraße für immer geschlossen. Derzeit läuft der Ausverkauf bei Tom Tailor im Einkaufszentrum Mercado an der Ottenser Hauptstraße. Jahrelang verkaufte der gleichnamige Hamburger Modekonzern dort in prominenter Lage in der Fußgängerzone eher lässige und sportliche Klamotten an jüngere Altersgruppen. Zuletzt aber nicht mehr sonderlich erfolgreich. Erst jetzt – bei den deutlich reduzierten Preisen – ist der Kundenzuspruch wieder hoch. Die Regale in der Filiale sind bereits weitestgehend leergekauft. Am 22. April, dem Sonnabend nach Ostern, macht Tom Tailor auch im Mercado dicht.
Es sind in Hamburg die ersten sichtbaren Zeichen für den radikalen Wandel, den das Management dem kriselnden Textilkonzern verordnet hat: Der weltweite Expansionskurs, auf den der im September 2016 abgelöste langjährige Vorstandschef Dieter Holzer das Unternehmen mit Hauptsitz am Garstedter Weg in Niendorf jahrelang gesteuert hatte, ist beendet. Aus China, Südafrika und den USA zieht das Unternehmen sich wieder ganz zurück, aus Frankreich weitgehend. Der Mitte März zum Vorstandschef ernannte Heiko Schäfer, der den Konzern seit dem abrupten Ende der Ära Holzer bereits interimistisch geführt hatte, will, dass Tom Tailor und die zugekaufte Bonita-Kette sich zunächst stark auf den profitablen Markt in den deutschsprachigen Ländern konzentrieren.
Bis zu 300 Läden sollen geschlossen werden
Schäfer hat ein umfangreiches und teures Modernisierungsprogramm angeschoben und auch die Kosten sollen deutlich herunter. Dazu gehört, dass unprofitable Geschäfte im Heimatmarkt nicht länger durchgeschleppt werden: Bis zu 300 der mehr als 1000 Läden und Shops der beiden Marken sollen im Laufe dieses Jahres geschlossen werden – auch in Deutschland und auch an herausgehobenen Standorten. Der seit Jahren defizitäre Tom-Tailor-Flagshipstore an der berühmten Frankfurter Zeil schließt Ende März. In Hamburg und der Metropolregion sollen von derzeit knapp 60 noch 50 Geschäfte bleiben, viele werden wohl zur Jahresmitte schließen. Und nach Informationen des Abendblatts wird dann auch mindestens ein weiteres Tom-Tailor-Geschäft in herausgehobener Lage aufgegeben.
Den Konzern kostet das erst einmal sehr viel Geld. 81 Millionen Euro wendete Tom Tailor im vergangenen Jahr für das Restrukturierungsprogramm namens Reset (Neustart) auf. Die Folge: Schäfer prognostizierte bei der Bekanntgabe der vorläufigen Bilanzzahlen für 2016 vor fünf Wochen einen Verlust in Höhe von 73 Millionen Euro.
Vorstand erwartet leicht wachsenden Konzernumsatz
Am Dienstag, bei der Bekanntgabe der endgültigen Zahlen, schaute Schäfer vorwiegend in die Zukunft: „Bereits heute ist die Tom Tailor Group ein völlig anderes Unternehmen als vor einem Jahr“, so der Neu-CEO. Das Vorstandsteam habe wichtige Initiativen zur Verbesserung von Effizienz und Ertragskraft eingeleitet. „Erste Erfolge belegen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass noch eine ordentliche Strecke vor uns liegt.“
Im laufenden Jahr erwartet der Vorstand einen leicht wachsenden Konzernumsatz. Im vergangenen Jahr hatte er 968,5 Millionen Euro erlöst (2015: 955,9 Millionen). Der Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) lag bei 10,3 Millionen nach 67,6 Millionen Euro. Im „Übergangsjahr“ 2017 werde das Ebitda wieder stark steigen, prognostiziert der Vorstand. Und 2018 soll Tom Tailor dann durchstarten. Finanzvorstand Thomas Dressendörfer: „Für das Ebitda erwarten wir 2018 einen Zuwachs um 30 bis 40 Millionen Euro sowie eine Ebitda-Marge über zehn Prozent.“ Anleger reagierten positiv auf die Prognose. Die Aktie legte um mehr als 10 Prozent auf gut 7,90 Euro zu
Zum Umsatzwachstum in diesem Jahr werde absehbar vor allem die Dachmarke Tom Tailor beitragen. Sie trug auch 2016 am weitaus stärksten zu den Erlösen bei. Dabei entwickelten sich die eigenen Shops (313 Millionen Euro Umsatz, plus 8,5 Prozent) besser als der Verkauf von Tom-Tailor-Textilien bei anderen Händlern (352 Millionen Euro Umsatz, plus 3,2 Prozent).
Die in der Ära Holzer zugekaufte Marke Bonita war auch 2016 das Sorgenkind innerhalb der Gruppe. Der Umsatz fiel um sieben Prozent auf 303 Millionen Euro, die Marke fuhr 22,6 Millionen Euro Verlust ein. Auch deshalb werden im Restrukturierungsprogramm überwiegend Bonita-Läden geschlossen. Schon 2016 verringerte sich die Zahl der Filialen um 76 auf 950. Die Ausdünnung des Netzes geht weiter.