Hamburg . Michael Q. steht ab 9. September vor Gericht. Staatsanwaltschaft erhebt Anklage wegen Totschlags. Kaum harte Beweise.

Eine Woche kämpfte das 13 Monate alte Baby auf der Intensivstation des UKE um sein Leben. Am 19. Dezember 2015 starb Tayler an den Folgen der schweren Kopfverletzungen, die ihm sein eigener Stiefvater zugefügt haben soll. Der Mann, der den Säugling zu Tode geschüttelt haben soll, steht vom 9. September an in Hamburg vor Gericht, wie Gerichtssprecher Kai Wantzen auf Anfrage mitteilte. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Totschlags erhoben.

Bisher hat die Vorsitzende Richterin der für den Fall zuständigen Großen Strafkammer 2 am Landgericht, Petra Wende-Spors, 18 Sitzungstage anberaumt. Die relativ lange Verhandlungsdauer dürfte vor allem dem umfangreichen Zeugenprogramm geschuldet sein – zudem wird es wohl auf einen reinen Indizienprozess hinauslaufen.

Kaum harte Beweise

Denn „harte Beweise“ liegen nicht vor, ein Geständnis ebenfalls nicht. Wie das Abendblatt aus Ermittlerkreisen erfuhr, soll Taylers Stiefvater Michael Q. die Schuld am Tod des Kindes bisher abgestritten haben. Als das Baby an jenem 12. Dezember plötzlich Schnappatmung bekommen habe, so der 27-Jährige, habe er unverzüglich den Rettungsdienst alarmiert. Wie hingegen aus der Anklage hervorgeht, soll Michael Q. den Jungen unter „billigender Inkaufnahme tödlicher Verletzungen“ so heftig geschüttelt haben, dass er sofort „klinische Symptome“ zeigte. Beim Schütteln wirken extreme Dreh- und Scherkräfte, denen die noch sehr schwache Nackenmuskulatur von Babys nicht gewachsen ist. Bei Tayler rissen die Brückenvenen, dadurch kam es zu einer schweren Gehirnblutung. Obgleich unverzüglich neurochirurgisch versorgt, war das Leben des Babys nicht mehr zu retten. Offen bleibt in der Anklage, was den Angeklagten zu der Tat getrieben haben könnte – sein Motiv.

Bislang 26 Zeugen geladen

Wenige Tage nach Taylers Tod flog Michael Q. in den Urlaub nach Spanien. Zunächst standen der 27-Jährige und seine vier Jahre jüngere Lebensgefährtin, die Mutter des Kindes, unter Tatverdacht, zumal nicht ermittelt werden konnte, wer von beiden zum Tatzeitpunkt bei Tayler war. Erst im März, als das Ergebnis der feingeweblichen Untersuchung des Leichnams vorlag, ließ sich exakt bestimmen, wann das Baby die tödlichen Verletzungen erlitten hatte. Mit diesem Befund habe Michael Q. nachgewiesen werden können, dass er sich zum Tatzeitpunkt allein mit dem Säugling in der Wohnung an der Waidmannstraße aufhielt, während Taylers Mutter gerade Einkäufe erledigte, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Nana Frombach. Mitte April kam Michael Q. in U-Haft.

Weil die Art der Verletzung und der rechtsmedizinische Befund zum Tatzeitpunkt in dem Prozess eine zentrale Rolle spielen, sollen gleich zwei Sachverständige gehört werden, darunter der Chef der Hamburger Rechtsmedizin, Klaus Püschel. Bisher sind 26 Zeugen geladen. Ein Urteil wird nicht vor dem 2. Dezember erwartet. Ob sich auch Jugendamtsmitarbeiter strafbar gemacht haben, wird derzeit noch von der Staatsanwaltschaft geprüft. Das Jugendamt Altona hatte Tayler betreut. Die Jugendhilfeinspektion bemängelt, dass er trotz eines im Sommer 2015 festgestellten Schlüsselbeinbruchs in die Familie zurückkehren durfte.