Hamburg. Sie wollen nicht länger im Schatten der Männer stehen. Ulrike Jäger vermittelt in Kursen, wie Frauen richtig mit dem Grill umgehen.

Prosecco gibt es und Bier – zur Einstimmung. Sechs Frauen stehen um einen 7000-Euro-Grill mit dem Ausmaß eines kleinen Balkons und beugen sich über Entrecôte-Steaks vom irischen Weiderind. Die Steaks sind dick, schwer, saftig und rot. Diese Frauen haben ein Ziel: Sie wollen nicht länger im Schatten der Männer stehen. An diesem Abend werden sie von Grillmeisterin Ulrike Jäger erfahren, was es mit der Kerntemperatur beim Steak auf sich hat, warum es ohne „AZK“ nicht geht und, ganz wichtig, wie man Grills am besten reinigt. Es ist Ladys’ Night beim Grillkontor an der Großen Elbstraße. Die Jungs müssen draußen bleiben, wenn die Mädels in die Geheimnisse des Grillens eingeweiht werden.

„Die essen da bestimmt nur Gemüse“, meinten einige höhnisch, als sie vom Grillkurs für Frauen hörten. Und es waren Frauen, die das sagten. Das Gegenteil ist der Fall: „Ist hier etwa ein Veganer dabei?“, ruft eine der Kursteilnehmerinnen in die Runde. Alle lachen laut. Sie mögen Fleisch, außer Schwein. Deshalb sind sie ja hier. Sonst hätten sie den Veggie-Grillkurs buchen können. Und es gibt ja Flammkuchen als Vorspeise, Gemüserisotto, gegrilltes Gemüse als Beilage. Das genügt.

Melanie hat zwei Grills zu Hause, Anne kocht nicht gern und findet Grillen mit dem Elektrogrill auf ihrem Balkon praktisch, Jenny hat ihrem Mann einen Gasgrill geschenkt und will selber am Rost stehen. Sanni besitzt gar keinen Grill, nur ihr Nachbar. Beim Grillen wird sich geduzt. Melanie Junker ist Apothekerin in Eimsbüttel. Einerseits. Andererseits ist die 42-Jährige leidenschaftliche Köchin, die sich einen großen, sehr großen Gasgrill gekauft hat für die Outdoorküche im Garten ihrer Langenhorner Wohnung. In ihrer Familie geht der Trend zum Zweitgrill: Sie steht auf Gas, ihr Mann hat einen Kohlegrill. So gibt es keinen Streit. „Ich muss noch den Umgang mit meinem neuen Grill lernen“, sagt sie. Deswegen ist sie hier.

Die anderen machen mit ihrer Chefin, Allgemeinärztin Anne Freier aus Volksdorf, einen Betriebsausflug in das Grillkontor und dringen damit in eine Männerdomäne. Denn: 80 Prozent der Männer in Deutschland wollen das Grillen nur ungern abgeben, stehen lieber selber am Rost. „Für viele Männer war und ist grillen der einzige Moment für die Familie oder Freunde, die Essenszubereitung zu übernehmen“, sagt Ulrich Reinhardt von der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen.

Aber damit könnte bald Schluss sein. Reinhardt: „Diese Männerdomäne wird sich ein Stück weit aufheben, und Frauen werden öfter zum Grillchef.“ Das liegt am Grillhype und an den neuen Möglichkeiten wie indirektem Grillen und an der unkomplizierten Hand­habung beim Gasgrill, der spontanes Brutzeln ermöglicht.

Auch beim Grillkurs
für Frauen liegt
Fleisch auf dem
Grill, keineswegs
nur Gemüse
Auch beim Grillkurs für Frauen liegt Fleisch auf dem Grill, keineswegs nur Gemüse © Genevieve Wood | Genevieve Wood

Grillmeisterin Ulrike „Ulli“ Jäger lässt das Gerede um Männer und Frauen gleichgültig. Sie erlebt beide Geschlechter in ihren Kursen und kann nur sagen: „Frauen trauen sich unter Männern nicht immer, Fragen zu stellen, weil das peinlich sein könnte, und Männer gehen die Grillerei wissenschaftlicher an.“ Deshalb gibt es getrennte Kurse. Ob ein Mann oder eine Frau durch den Kurs führt, wissen die Teilnehmer vorher nicht. „Wenn die Männer lesen, dass eine Frau den Kurs leitet, machen sie nicht mit“, sagt Ulli und lacht. Es ist eben für manche Herren nicht leicht, sich das Grillen von einer Frau beibringen zu lassen. Zwischendurch quasseln, sagt Ulli, das machten Männer und Frauen in ihren Kursen gleichermaßen. Dürfen sie auch. Bei den Teilnehmerinnen heute geht es um Kinder, um Kitaplätze und um die richtige Lohnsteuerklasse für verheiratete Paare.

Den Frauen in ihren Kursen möchte Ulli Jäger ein wenig von der Liebe zum Grillen vermitteln. Sie backt Flammkuchen bei 400 Grad auf einem Pizzastein und führt vor, wie Hähnchenpoularden langsam mit Ahornspänen geräuchert werden. Hier kommt auch der AZK zum Einsatz, der Anzündkamin, ohne gehe es gar nicht, sagt Ulli Jäger. Durch den Kamineffekt werden die Flammen, der Anzünder und die heißen Gase durch die gelochte Auflage nach oben in den Anzündkamin gesaugt: Die Holzkohle fängt schneller an zu glühen. Draußen auf der Veranda des Grillkontors arbeitet Ulli mit Kohle, drinnen mit Gas. Sie zeigt den Frauen, wie das Entrecôte bei einer Kerntemperatur von 48 Grad gegrillt wird und so langsam gart, ohne das Fleisch wenden zu müssen. Ihr Lieblingsspielzeug ist die Sizzle Zone: Als sie die Steaks zum scharfen Angrillen darauf legt, zischen Flammen, es brutzelt. Und wie es duftet!

Ulli Jäger bereitet sämtliche Speisen an diesem Abend im Grill zu, auch den Nachtisch (Flammkuchen mit Mascarpone und Beeren). Um die Vielseitigkeit eines Gasgrills geht es der Expertin. „Man kann auf den Rost schmeißen, was man will“, sagt sie.

Sie muss es wissen: Die 34-Jährige fährt mit ihrem Lebenspartner regelmäßig zu Grillwettkämpfen in ganz Deutschland, hat etliche Pokale zu Hause in Eidelstedt stehen. Seit vier Jahren ist die Chefassistentin bei einem Luft- und Klimaanlagenbauer in ihrer Freizeit leidenschaftliche Grillerin.

Bleibt zum Schluss die Frage nach der richtigen Reinigung, die sich wie ein roter Faden durch den viereinhalbstündigen Grillabend zieht. „Du drehst den Grill auf volle Pulle, damit der Schmutz verbrennt“, sagt Ulrike Jäger. Dann reinigt man das Rost mit einer Messingbürste, solange das Gitter noch warm ist, zum Schluss Öl (kein Olivenöl) auf den Rost mit einem Küchenkrepp verteilen.

Ihre Steaks mögen die Frauen in der Runde rare, mit einem noch blutigen Kern oder medium. „Ist dieses Steak nicht zum Niederknien?“, fragt Ulli. Alle nicken. Reden können sie nicht. Die Münder sind so voll.

Das Grillkontor, Große Elbstraße 212, der
Grillkurs für Frauen kostet 89 Euro.
Infos unter www.grill-kontor.com