Hamburg. Politiker sehen Entwicklung an der Elbchaussee kritisch. Oberbaudirektor Jörn Walter vergleicht misslungene Neubauten mit „Kröten“.
Der Abendblatt-Bericht über den rapiden Verfall der markanten Säulenvilla an der Elbchaussee schlägt hohe Wellen. Jetzt will sich Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter für den Erhalt der Villa einsetzen. „Dass dieses Haus gerettet werden muss, steht völlig außer Zweifel“, so Walter zum Abendblatt. Nach den Worten des Oberbaudirektors gehöre die Säulenvilla sogar „zum Kulturgut der Stadt“. Walter: „Sie ist prägend – nicht nur für die Elbchaussee, sondern für die Villenarchitektur des 19. Jahrhunderts in ganz Hamburg.“
Wie berichtet, steht das 200 Jahre alte Haus unter Zwangsvollstreckung. Laut Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde, musste sich das Denkmalschutzamt im vergangenen Herbst Zutritt zu der Villa verschaffen, nachdem der Eigentümer nicht auf Forderungen zur Instandhaltung reagiert hatte. „Teilabdichtungsversuche“ am Dach hätten eine Besserung gebracht, aber das Eindringen von Wasser sei noch nicht komplett gestoppt. Eine vollständige Abdichtung des Dachs und der Terrasse und eine Sicherung von Teilen der Dachkonstruktion seien nötig. Sie werde von den Denkmalschützern veranlasst, entsprechende Kostenvoranschläge wurden bereits beauftragt.
Auch ein Baum sei beseitigt worden, der gegen das Haus gefallen war und für zusätzliche Durchfeuchtung gesorgt hatte. Das Haus ist permanent alarmgesichert, Gebäude und Grundstück sind verschlossen und werden regelmäßig im Auftrag des Denkmalschutzamts überwacht.
Der Altonaer SPD-Politiker Wolfgang Kaeser warnte jedoch: „Mit dem Denkmalschutz ist das so eine Sache. Wenn sich herausstellt, dass eine ,wirtschaftliche Zumutbarkeit für eine denkmalgerechte Sanierung‘ nicht mehr gegeben ist, nützt alles nichts mehr.“ Aus diesem Grund ließen Investoren denkmalgeschützte Häuser immer mal wieder absichtlich verfallen.
Hamburger Kritiken: Das Verschwinden der Elbchaussee
Inzwischen wird deutlich, dass zahlreiche Politiker – parteiübergreifend – die Entwicklung an der Elbchaussee äußerst kritisch sehen. Seit Jahren werden dort alte Villen abgerissen – ausgerechnet die Art der Bebauung, die den Ruf der 8,3 Kilometer langen Straße als eine der schönsten Europas einst geprägt hatte. Stattdessen sind in den vergangenen Jahren an vielen Stellen eintönige Mehrparteienhäuser entstanden, deren beliebiges Äußeres auch in jeder anderen Stadt stehen könnte.
„Warum gelang es der Politik bisher nicht, ein architektonisches und planerisches Schutzprogramm für diese Vorzeigestraßen der Stadt aufzustellen?“, fragt der Vorsitzende des CDU-Ortsverbands Nienstedten, Peter Schmidt. „Da ist der Bezirk offensichtlich überfordert.“ Und Wolfgang Kaeser sagt: „Es hätte in den vergangenen Jahren mehr geschützt werden müssen. Es muss künftig genauer hingeguckt werden. Die Elbchaussee ist unser Kulturgut.“ An der Bebauung entlang der Elbchaussee sei nicht alles schlecht, meint Kaeser, „aber es gibt schon Probleme.“
Ein Problem liegt auf der Hand: Da die Investoren durch den Bau luxuriöser Eigentumswohnungen besonders viel verdienen, werden die großen Grundstücke entsprechend stark nachverdichtet. Dass an manchen Ecken mehrere Blockbauten mit Wohneinheiten im zweistelligen Bereich entstehen, ist an der Elbchaussee längst keine Ausnahme mehr.
Jörn Walter beurteilt die bauliche Entwicklung entlang der Elbchaussee ambivalent. Man dürfe nicht vergessen, dass zahlreiche alte Villen in den vergangenen Jahren sehr ambitioniert renoviert worden seien, bei einigen laufe die Restaurierung aktuell auch noch. Walter, der seit 17 Jahren im Amt ist, kritisiert aber auch „Fehlentwicklungen, die mich heute sehr ärgern“. Zu lange seien dort einförmige, beliebige „Klötze“ entstanden, die nicht an die Elbchaussee gehörten. Walter spricht Klartext: „Auf mich wirken diese niedrigen, breiten Häuser wie Kröten, die da hingesetzt wurden.“
Walter hofft, dass die bestehenden Erhaltungsverordnungen des Bezirksamts Altona den städtebaulichen Milieuschutz entlang der Elbchaussee stärken, zumal sie bei Baugenehmigungsverfahren eingehalten werden müssen. Auf diese Weise könne es gelingen, „genauer hinzugucken“.
Allerdings hatte das Bezirksamt schon vor Jahren eingeräumt, dass die bezirklichen Bauprüfabteilungen keine präventiven Kontrollen leisten können, sondern nur „anlassbezogen“ arbeiten. Im Klartext bedeutet das: Oft haben Investoren schon vollendete Tatsachen geschaffen, bevor das Amt tätig wird.
Auch im Zusammenhang mit dem Abriss der Villa des 2010 verstorbenen Claus Grossner spricht Walter deutliche Worte. Das 1913 errichtete Jugendstil-Haus Nummer 359, das nicht unter Denkmalschutz stand, wurde im Sommer 2014 nach längerem Leerstand abgebrochen, heute klafft dort eine Baulücke. „Warum dieses Haus nicht erhalten blieb, habe ich bis heute nicht verstanden“, so Walter. „Nach meinem Eindruck hätte man es instand setzen können. Dieses Haus war für das Stadtbild prägend, da hätte man etwas tun müssen.“