Sternschanze. Strafanzeigen, Beleidigungen, Gentrifizierung: Der Ton im Viertel wird rauer. Neuer Mieter wehrt sich gegen die Vorwürfe.
Das ist die Geschichte von Veränderungen, die nicht alle begrüßen, von Mieterhöhungen und vom Gespenst der Gentrifizierung. Von einem Konflikt, dessen Lösung unmöglich scheint. Denn im Schanzenhof wächst der Widerstand gegen Kündigungen alt eingesessener Mieter. Der Protest wird aggressiver, der Ton rauer. Strafanzeigen sind gestellt wegen Körperverletzungen, Hausfriedensbruch und Beleidigungen.
Auf der einen Seite mobilisieren die Mieter des Schanzenhofes den Stadtteil, weil ein Hauseigentümer eine marktübliche Miete fordert und ein Hamburger Unternehmer dort ein Hotel eröffnen möchte. Mit Flugblättern ruft ein Teil der Mieter, sie gehören der Schanzenhof Initiative an, immer wieder zum Protest auf. Das soll den Druck auf ihren Vermieter erhöhen, die HWS Immobilien- und Vermögensverwaltung aus Harvestehude. Dabei haben die betroffenen Mieter, darunter Sängerin Katriana, Anke Mohnert und Rainer Schmidt von Palette e. V. sowie Gunhild Abigt vom Schanzenstern und Klavierlehrerin Serena Kahnert, ein klares Feindbild: Stephan Behrmann. „Mit Stephan Behrmann stand schon vor der Kündigung der erste Geier bereit: Rücksichtslos verhandelte er seit 2013 heimlich um einen Großteil der Fläche“, steht auf einem Flyer im Viertel klebt. Die Mieter seien „verarscht“ worden. Behrmann wolle sich „breitmachen“.
Auf der anderen Seite steht Behrmann, Hotelier aus St. Pauli. Er betreibt bereits das Fritz im Pyjama-Hotel an der Schanzenstraße um die Ecke sowie das Pyjama-Park-Hotel an der Reeperbahn. Im Herbst hat er nach zweijährigen Verhandlungen für die Räume des jetzigen Schanzenstern einen Mietervertrag unterschrieben.
Hintergrund dieses erbitterten Streits ist, dass den Mietern des Schanzenhofes gekündigt wurde, das Alternativ-Hotel Schanzenstern mit Biorestaurant etwa muss zum 31. März raus, es gilt als eine Institution im Viertel. „Der Schanzenstern hat nicht die marktübliche Mietsicherheit geboten“, sagt Max Schommartz von der HWS-Immobilien- und Vermögensgesellschaft. Die Verhandlungen waren erfolglos geblieben, Alternativstandorte wurden abgelehnt. Musiker, Tänzer und andere Kunstschaffende aus der Kulturetage müssen sich neue Räume suchen, ebenso die Einrichtung für Drogenabhängige, Palette e.V. Sie sind nicht bereit, höhere Mieten zu zahlen. Statt wie jahrelang üblich 8,50 Euro verlangt der Besitzer nun 14 Euro. Die Forderung der Schanzenhof Initiative: Zurückziehen der Kündigung, eine geringere Miete als 14 Euro pro Quadratmeter und den Rückkauf des Schanzenhofes durch die Stadt.
Hotelier Stephan Behrmann versteht die Welt nicht mehr. Fühlt sich der 42-Jährige doch als einer aus dem Viertel. Der Hotelkaufmann lebt auf St. Pauli, betreibt die Traditions-Fußballkneipe PJs Bierbar auf dem Kiez, und er hat das dazugehörende PJs Hotel in ein modernes Pyjama-Hostel umgewandelt, er engagiere sich, sagt er: Er mache mit bei „Refugees Welcome“ im Karoviertel, hat über Hotelkontakte 1200 Matratzen für Betten in Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen gesammelt, jedes Jahr zu Silvester sammelt er Spenden für das Kinderhaus Am Pinnasberg. Er sei ein Unternehmer mit sozialem Gewissen: „Ich habe das alte Team von PJs Hotel übernommen, weitere Mitarbeiter eingestellt.“ 30 Mitarbeiter hat er insgesamt. Ja, die Geschäfte laufen gut und er möchte expandieren. Wie er zum Feinbild in der Schanze werden konnte, versteht er nicht. In einer E-Mail an die Initiative schrieb er: „Mich kann ein ähnliches Schicksal auf der Reeperbahn nach Ende meiner Mietzeit ebenfalls ereilen. Mein Ansinnen war es niemals, eine Kündigung herbeizuführen oder gar wie Sie schreiben eine ,feindliche Übernahme‘ zu inszenieren.“ Stattdessen hatte er Schanzenstern-Eigentümerin Gundhild Abigt angeboten, die Gastronomie an sie zu verpachten und die 20 Arbeitsplätze dort zu erhalten. Rechtlich, das sagt auch die Schanzenhof-Initiative, seien die Kündigungen in Ordnung, moralisch nicht.
Und daher demonstrieren sie, kochen zum Beispiel auf der Schanzenstraße aus Protest Suppe. Im Dezember stürmten zwölf Vermummte das Fritz im Pyjama Hotel, sprühten „Schanzenhof bleibt“ an die Hauswand. Die Schanzenhof Initiative will damit nichts zu tun haben. „Meine Mitarbeiterin dort erlitt einen Schock und musste ärztlich behandelt werden. Die Vermummten verteilten Konfetti und Erbsensuppe im Hotel“, sagt Stephan Behrmann. Ihm reicht es jetzt. Immer wieder, sagt er, habe er den Dialog gesucht, doch stattdessen habe man ihn auf der Plenumsversammlung der Initiative rausgeworfen. Wie sollen Lösungen gefunden werden, wenn man nicht miteinander spricht? Eine Stellungnahme der Schanzenhof Initiative ist nicht möglich. In einer Mail heißt es: „Es wird im Plenum der Initiative über eine Stellungnahme gesprochen.“
Während die Kulturetage mit drei Mietern, der Schanzenstern und die Drogenhilfe Palette e.V. noch gegen die Kündigungen kämpfen, hat eine Werbeagentur den Mietvertrag zu neuen Konditionen verlängert, ein Sportstudio und ein Autor haben die Kündigung akzeptiert. Die Volkshochschule habe noch eine Etage zusätzlich angemietet, und das 3001 Kino habe einen Vertrag bis 2021. Um der Drogenhilfe Palette e.V. entgegenzukommen, sagt Schommartz, sei er zu Gesprächen bereit. Allerdings hat er gegen den Leiter der Einrichtung und gegen einen Gesellschafter des 3001 Kino unter anderem Strafanzeige wegen Körperverletzung und Hausfriedensbruch gestellt: „Im Dezember stürmten sie unser Büro, verletzten zwei Mitarbeiter. Da kann die Palette als Einrichtung aber nichts dafür, ich bin bereit, über eine Lösung zu sprechen, wenn die Straftaten offen auf den Tisch kommen.“
Wie es weitergeht, ist noch unklar. Fest steht: Zum 1. April kann Stephan Behrmann die Räume übernehmen. „Selbst wenn ich wollte, ich kann nicht mehr zurück. Ich kann den Mietvertrag nicht kündigen, Herr Schommartz auch nicht.“ Und an die Stadt verkaufen möchte Max Schommartz nicht.