Othmarschen. Entschärfung des gefährlichen Blindgängers war nicht ohne Risiko. Gebäude wurden evakuiert, kilometerlange Staus rund um Einsatzort.
Es war eine Zitterpartie. Sprengmeister Peter Bodes und sein Team vom Kampfmittelräumdienst haben an der Bernadottestraße eine mit einem brisanten Säurezünder bestückte Weltkriegs-Bombe entschärft. Dabei mussten die Experten den Zeitzünder aus dem Blindgänger heraussprengen. Die Aktion erfolgte unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen. Vorher war das Wohngebiet 300 Meter um den Fundort von zwei Hundertschaften der Polizei geräumt worden.
Es waren gezielte Sucharbeiten, bei dem Kampfmittelräumer an der Ecke Halbmondsweg auf den Blindgänger stießen. Es handelte sich um eine 500 Pfund schwere britische Fliegerbombe. „Die Sondierungsarbeiten waren aufgrund von Luftbildauswertungen durchgeführt worden“, sagt Feuerwehrsprecher Martin Schneider. Die hatten eine „Verdachtsfläche“ ergeben. Die Luftbilder waren im Zweiten Weltkrieg von alliierten Aufklärungsflugzeugen nach Bombenangriffen gemacht worden. Ursprünglich wollte man so feststellen, ob die Ziele getroffen wurden. Heute kann man darauf kleine Trichter erkennen, die auf den Einschlag einer nicht explodierten Bombe hinweisen. Um 12.08 Uhr stießen die Kampfmittelräumer dann auf den Blindgänger.
„Die Bombe steckte senkrecht im Boden“, sagt Martin Schneider, Sprecher der Feuerwehr. Nur die Spitze schaute heraus. Der Sprengmeister rückte an. Er stellte nicht nur fest, dass die Bombe mit einem Säurezünder bestückt war, sondern auch, dass der Zünder beschädigt ist. Hinzu kam noch etwas anderes: „Die Bombe war bereits durch den Bagger bewegt worden“, sagt Schneider. „Das war ein richtiges Worst-Case-Szenario.“ Niemand wusste, ob der seit über 70 Jahren „schlummernde“ Zünder aktiviert wurde. In diesem Fall hätte die Bombe jederzeit explodieren können.
Bombenfund an Bernadottestraße
Sofort wurde die Umgebung um den Fundort geräumt. Einsatzkräfte der Polizei rückten mit Blaulicht an. Selbst der Luftraum über dem Fundort musste gesperrt werden. „In dem von der Evakuierung betroffenen Gebiet sind 900 Menschen gemeldet“, sagt Schneider. Beamte gingen von Haus zu Haus, klingelten die Bewohner heraus. „Letztlich verlief die Evakuierung problemlos“, sagt Schneider. 225 Anwohner trafen die Einsatzkräfte an. Das Bezirksamt hatte für sie eine nahe Schule als Notunterkunft vorbereitet. „Das wurde aber kaum genutzt“, so Schneider. „Die meisten der betroffenen Anwohner fuhren zu Bekannten oder in die Stadt.“
Gegen 16.30 Uhr begannen die Vorbereitungen für die eigentliche Entschärfung. Mit einer gezielten Sprengung sollte der Zünder aus dem Bombenkörper herausgesprengt werden. Das ist eine kitzelige Aufgabe. „Nimmt man zu viel Sprengstoff, kann die Bombe explodieren“, erläutert ein Experte. „Nimmt man zu wenig bleibt der Zünder drin. Dann müsste die Bombe im Anschluss gezielt gesprengt werden, weil sie in keinem Fall transportfähig ist.“ Beide Varianten mochte sich niemand ausmalen. Die Explosion der Bombe hätte schwere Schäden in der Umgebung angerichtet. Schockwellen, die durch den Boden gejagt wären, hätten selbst Fundamente der Ein- und Zweifamilienhäuser in der Umgebung in Mitleidenschaft ziehen können. Zusätzliche Brisanz kam durch Gasleitungen, die in unmittelbarer Nähe des Fundortes unterirdisch verlegt sind.
Um die Folgen einer Explosion zu mindern, baute der Kampfmittelräumdienst ein Gerüst aus Holz über den Fundort. Darauf platzierten die Experten einen Kunststoffsack, gefüllt mit 21 Kubikmetern Wasser. Das hätte die Detonation gedämpft. Anschließend wurde der Sprengstoff an der Bombe angebracht. Dann zog sich die Truppe in den 80 Meter entfernt aufgestellten, schwer gepanzerten Schutzcontainer zurück. Er war zuvor von Harburg aus mit einer Polizeieskorte mit Blaulicht zum Einsatzort gebracht worden. Von dort wurde gegen 18.30 Uhr die Zündung betätigt.
„Die ganze Aktion wurde aus der Luft über eine Kameradrohne beobachtet“, sagt Schneider. Sie hatte Live-Bilder in den Befehlswagen der Feuerwehr gesendet. Zwar war der Kunststoffsack gerissen und 21.000 Liter Wasser hatten sich in die Grube ergossen. Auch Rauch stieg auf. Aber die Bombe war zumindest nicht explodiert. „Ob sie tatsächlich entschärft war, stand aber noch nicht fest“, so Schneider. Niemand wusste, ob der Zünder herausgesprengt worden war. Schneider: „Zuerst musste das Wasser abgepumpt werden.“ Um 19.05 Uhr dann die erlösende Nachricht: „Der Blindgänger ist entschärft.“ Die Bombe selbst war aufgeplatzt und – wenn auch noch mit Sprengstoff gefüllt – ungefährlich. Sie wurde geborgen und in einem Spezialfahrzeug abtransportiert, um später vernichtet zu werden.
Die Bomben mit den Langzeitzündern wurden im Zweiten Weltkrieg in großer Zahl abgeworfen. Sie explodierten oft erst Stunden nach den Angriffen. Ziel war es, die Löscharbeiten zu behindern.