Hamburg. Unterstützung statt Protest: Bei einer Infoveranstaltung in Altona überwog die Zustimmung für eine Erstaufnahme – Politiker erleichtert.
Schon in den Tagen zuvor hatte sich im Stadtteil herumgesprochen, dass am Montagabend eine Infoveranstaltung stattfinden würde. Rund 400 Bürger hatte das Bezirksamt Altona erwartet – es sind dann aber doch nur etwa 200, die in die Elbschule in Othmarschen gekommen sind. Würde es lautstarken Protest geben? So wie in Jenfeld oder Duvenstedt in den vergangenen Tagen. „Wir wissen es nicht“, sagt Bezirkssprecher Martin Roehl noch zu Beginn.
Nicht weit entfernt, etwa in der Notkestraße und auf der Zirkusfläche am Holmbrook, sind neue Flüchtlingsunterkünfte geplant. In Altona gibt es schon etliche solcher Einrichtungen. Und jetzt soll auch noch an der A-7-Abfahrt an der Paul-Ehrlich-Straße eine neue Zentrale Erstanlaufstelle gebaut werden, in der etwa 600 Flüchtlinge unterkommen könnten. Nahe der Autobahn werden die Behörden bei ihrer Suche nach geeigneten Flächen noch fündig.
Jeden Tag kommen 300 Flüchtlinge in die Hansestadt
In Othmarschen zeigte sich bisher eher Hilfsbereitschaft als Protest. „Die Holmbrooker“ nennt sich eine Initiative von gut 200 Bürgern, die den 209 Flüchtlingen helfen will, die auf der ehemaligen Zirkusfläche Holmbrook in Wohncontainern leben sollen. Es gibt zwar auch andere Stimmen. „Immer diese Gutmenschen“, sagt eine Frau bei der Info-Veranstaltung in der Elbschule. Doch solche Äußerungen sind selten an diesem Abend – und sie werden nur leise zum Nachbarn geäußert.
Vielmehr ist die Stimmung gleich zu Beginn freundlich geprägt. Es gibt Beifall, als die Referenten vorgestellt werden. Und betroffenes Schweigen, als Johanna Westphalen von der Innenbehörde die aktuelle Lage schildert.
300 Flüchtlinge kommen mittlerweile täglich nach Hamburg; im ersten Halbjahr kamen schon so viele in die Hansestadt wie im gesamten letzten Jahr. „Das stellt uns vor eine gewaltigen Herausforderung“, sagt Westphalen. Rund 17.500 Flüchtlinge leben derzeit in der Stadt.
Das deutsche Baurecht sei zu langsam, um angemessen auf den Zustrom reagieren zu können. Deshalb müssten Zelte aufgestellt werden, so wie in Wilhelmsburg und in der Erstaufnahme Schnackenburgallee, wo schon 750 Menschen in Zelten schlafen müssen. Solche Zeltaufbauten seien Notmaßnahmen, sagt die Beamtin. Auch die Zelte in Jenfeld seien eine Notmaßnahme gewesen, von der die Bürger nicht rechtzeitig genug erfahren hätten.
Überzeugend stellt die Beamtin dar, wie die Behörden nach einer Unterbringung für Flüchtlinge suchen und zugleich den Sorgen und den Ansprüchen der Anwohner gerecht werden wollen. Wieder gibt es Beifall, als sie mit ihrem Redebeitrag endet.
In Othmarschen an der Autobahn ist keine Notmaßnahme geplant. Es werde einen ordentlichen Bauantrag geben, sagt Westphalen. Zwei sechsgeschossige Wohnriegel sind dort geplant, Fassaden mit Putz und Backstein. Etwa 2017 sollen die Gebäude fertig sein. Wachdienste und Sozialarbeiter werden dort arbeiten.
„Wir wollen künftig mehr von solchen festen Häusern haben, damit wir nicht mehr Zelte aufstellen müssen“, sagt Westphalen. Sollte der Flüchtlingsstrom einmal kleiner sein, könnte man das Gebäude auch als Studentenwohnheim nutzen. Angst müsse man vor dem Haus nicht haben. „Wir haben mit den Erstaufnahmen gute Erfahrungen gemacht, es gibt keine höhere Kriminalität“, versichert sie.
Die Reaktionen der Bürger sind überraschend. Jedenfalls für diejenigen, die mit lautstarkem Unmut gerechnet haben könnten. „Warum baut man nicht gleich größer, wenn die Lage so ist“, sagt ein Mann, der sich als Nachbar vorstellt. Man möge doch auf dem Grundstück lieber gleich für 800 Flüchtlinge planen, sagt er – und erntet Beifall. Andere pflichten ihm bei. Eine junge Frau schlägt vor, auch Parks oder leer stehende Gebäude dahingehend zu prüfen, ob man dort Unterkünfte bauen könne. Auch sie bekommt Beifall.
„Menschen in einer so reichen Stadt in Zelten unterzubringen ist unwürdig“, sagt eine Frau und fragt, warum die Unterkunft denn nicht schon früher gebaut worden sei. Andere kritische Äußerungen an diesem Abend, beziehen sich auf Details: Die Verkehrssituation müsse in dem Stadtteil überprüft werden, wenn man so verdichtet baue, fordert eine Frau.
In etlichen Fragen geht es um die Betreuung der Flüchtlinge. Ob es Angebote für Menschen gebe, die Schreckliches erlebt haben, will jemand wissen. Was sei mit den Kindern von Flüchtlingen, seien Schulen auf sie vorbereitet? Und überhaupt, was können wir eigentlich tun, fragt eine Frau und bekommt viel Zustimmung aus dem Publikum.
Die eigenen Sorgen vor den Folgen einer solchen Einrichtung scheinen an diesem Abend in den Hintergrund zu treten. „Wir haben hier auch eine Welle der Hilfsbereitschaft“, sagt Westphalen. „Weil der Staat versagt“, ruft eine Frau in den Saal. Beifall gibt es dafür aber nicht. „Der Staat sind wir alle“, entgegnet die Behördenmitarbeiterin. Gerade an diesem Abend zeige sich dies in der Reaktionen der Bürger. Westphalen: „Ich bin wirklich gerührt. Diesen Rückenwind brauchen wir, um die Aufgabe bewältigen zu können.“
Erleichtert reagieren auch Bezirkspolitiker nach der Veranstaltung. Nach dem Aufruhr in Jenfeld und Duvenstedt hatten sie befürchtet, dass es auch in Othmarschen Proteste geben würde. „Es gibt aber eine große Akzeptanz“, sagt CDU-Politiker Andreas Grutzeck. Und dafür sei er einfach nur dankbar.