Rissen. Vor dem 146. Deutschen Derby laden Albert und Edda Darboven zum traditionellen Empfang auf ihrem Gestüt Idee in Rissen.

Dreimal lag das gute Teil schon im Altkleiderbeutel, doch jedes Mal konnte es Albert Darboven retten – zum Entsetzen seiner Ehefrau Edda. Wohl nur Männer können nachvollziehen, dass die allerliebsten Kleidungsstücke jahrelang getragen werden (müssen). Im Fall der hellgrünen Steppjacke des Kaffeekaufmanns und Pferdezüchters sind es sogar mehr als vier Jahrzehnte. So etwas schmeißt Mann nicht weg, auch wenn es schon zigmal genäht und geflickt wurde.

Wenn Darboven diese Jacke trägt, von ihm als „Dienstkleidung“ bezeichnet, ist Eingeweihten klar: Der traditionelle Empfang auf dem Gestüt Idee am Falkenstein steht auf dem Programm. Von jeher bittet der Unternehmer mit dem Faible für Pferde die Turffamilie zur Präsentation seiner Vollblüter und Traber auf die Koppeln und in die Reithalle. Es ist der gesellschaftliche Höhepunkt des Galopp-Festivals in Horn.

Gestütschef Darboven läutete Empfang mit einer Glocke am Hühnerstall ein

Dort wird am Sonntag das 146. Deutsche Derby gestartet. Ausschließlich während dieser einen Woche im Jahr wird Marotte Nummer zwei gehegt: in Form eines braunen, britischen Offiziershutes, der gleichfalls mehr als 35 Jahre alt ist. Das war so, und das bleibt so.

Jonica Jahr-Goedhart mit Sohn Johann und PR-Frau Marietta Andrae (v.l.) beim Empfang
Jonica Jahr-Goedhart mit Sohn Johann und PR-Frau Marietta Andrae (v.l.) beim Empfang © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Und wie es immer schon zum guten Ton gehört, läutete der Gestütschef das Ereignis gestern am späten Vormittag persönlich ein – mit einer an der Fassade des Hühnerstalls befestigten Glocke. Gemeinsam mit Ehefrau Edda und dem japanischen Konsul Takao Anzawa weihte „Atti“ Darboven ein aus einer Baumwurzel selbst geschaffenes Mahnmal in Erinnerung an die Atomkatastrophe von Hiroshima ein.

Dem ernsten folgte der fröhliche Teil: In der Reithalle auf dem 50 Hektar großen Anwesen zeigte Gestütsleiterin Vanessa Körner Nachkommen aus eigener Zucht. Erfolgreichstes Beispiel: der verstorbene Hengst Pik König, der 1992 in den Kaffeefarben Braun und Orange das Blaue Band gewann.

Fast 100 Gäste konnten sich kaum sattsehen an den tierischen Newcomern

Ob Rosinante in drei Jahren in die Fußstapfen des Champions treten kann? An der Seite seiner Mutter Russian Samba tänzelte das am 18. Februar geborene Fohlen umher. Alexandra und Eugen-Andreas Wahler, der Präsident des Hamburger Renn-Clubs von 1852 (HRC), waren ebenso entzückt über die große und die kleine Stute wie Vereins-Schatzmeisterin Ilona Vollmers.

Karen und Dieter Heering, Ex-Geschäftsführer der staatlichen Nordwest Lotto
Karen und Dieter Heering, Ex-Geschäftsführer der staatlichen Nordwest Lotto © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Fast 100 Gäste konnten sich kaum sattsehen an den tierischen Newcomern. Als die 16-jährige Power Queen mit ihrem noch nicht einmal drei Monate alten Hengst das Rechteck betrat, war es mucksmäuschenstill. Das Fohlen blickte erstaunt umher und ließ sich sodann vom Hafer stechen: Wiehernd machte es ganz schön große Sprünge. Vielleicht wird daraus mal ein Turfkönig?

„Ein Bild für Götter“, befand Volker Wulff, Turnierchef des Deutschen Springderbys in Klein Flottbek. Nach der gut halbstündigen Führung genoss er mit Derbysieger Achaz von Buchwaldt, dessen Kollegen Holger Wulsch­ner, Trabrennfahrer Henning Rathjen und Galoppertrainer Andreas Wöhler das von Edda Darboven zusammengestellte Büfett in der Scheune – Roastbeef, Krabben mit Rührei und rote Grütze inklusive. Hauptthema: Wer zeigt der Konkurrenz im Derby übermorgen die Hufe?

Margrit Wetzel und Ehemann Joachim, früher Boss der Berenberg-Bank, hoffen auf einen Coup ihres Vollblüters Fair Mountain. Ein Sieg des Darboven-Hengstes Koffi Prince käme noch überraschender. Wer auf ihn wettet, erhält aktuell einen Kurs von 1500 Euro für zehn Euro Einsatz. Von einer solch guten Rendite kann Heinz Wings nur träumen. Der just in den Ruhestand verabschiedete Vorstandsvorsitzende der Sparda-Bank Hamburg debattierte bei dem Empfang engagiert mit Wilfried Peters, dem Finanzchef der Firma J. J. Darboven.

Die Granden des Galopprennsports nutzen die Gelegenheit zum Fachsimpeln

Unter einer alten Eiche abseits der Koppel fachsimpelten zwei Granden des Galopprennsports. Der Sachse Egon Würgau, mit 83 Jahren ältestes HRC-Mitglied, und die zwölf Jahre ältere Jockeylegende Hein Bollow diskutierten die Chancen des hohen Derbyfavoriten Shimrano bei trockenem Geläuf.

Als sich die Gesellschaft nach drei Stunden auflöste, warf mancher Gast einen Blick auf den Giebel der Scheune. In goldener Schrift prangt dort das Motto des Hauses: „Wat kümmert di de Lüd, nähr und wehr di.“ Man soll sich eben nicht um das Gerede anderer scheren. Das passt – nicht nur wegen Albert Darbovens Marotte mit der uralten Jacke.