Stellingen . Wer plötzlich kein Geld mehr hat, um Hund oder Katze zu versorgen, bekommt bei der Tiertafel Unterstützung. Die Hilfsorganisation sucht feste Räume.

Wenn sich Melanie Schmalenberg anstellt, um bei der Tiertafel kostenlos Futter für ihre Hündin Shawnee zu bekommen, dann fällt ihr das nicht schwer. Leichter jedenfalls, als wenn sie sich einmal die Woche in die Schlange hinter dem Einkaufszentrum Hamburger Meile einreiht, um bei der Hamburger Tafel für sich selber Lebensmittel abzuholen. „Für meinen Hund mache ich das gern“, sagt die 32-Jährige.

Frau Schmalenberg ist eine von mehr als 60 Bedürftigen, die an diesem Nachmittag an der Kieler Straße 185 bei der Tiertafel anstehen. Die Bürokauffrau ist zur Zeit arbeitslos und kann sich das Futter für ihre zwölf Jahre alte Husky-Schäferhundhündin nicht mehr leisten. Die meisten Menschen, die in der Schlange warten, bis sie an der Reihe sind, leben von einer knappen Rente und einer Grundsicherung, von Hartz IV. Sie haben Haustiere, aber nicht genügend Einkommen, um das teure Futter für Hunde, Katzen oder Vögel zu bezahlen. Warum diese Menschen dann überhaupt ein Haustier haben? Weil sie ihren Hund, ihre Katzen oder Wellensittiche schon hatten, bevor sie in finanzielle Nöte kamen. „Nur weil ich kein Geld mehr habe, gebe ich mein Tier ja nicht einfach ab“, sagt Frau Schmalenberg.

Umso wichtiger ist für sie und die anderen die Hamburger Tiertafel, die seit acht Jahren mit Spendengeldern Futter kauft und dieses kostenlos verteilt. Die Kunden müssen einen aktuellen Nachweis ihrer Bedürftigkeit vorweisen wie einen Renten- oder Hartz-IV-Bescheid und wichtige Unterlagen wie den Impfpass ihrer Haustiere vorlegen. Vereinsvorsitzende Kara Schott: „Hilfe gibt es nur für diejenigen, die sich ihr Tier vor der finanziellen Notlage angeschafft haben. Halter von Welpen unterstützen wir daher gar nicht.“

Nahrung und medizinische Hilfe für Tiere

Nicht nur Tiernahrung, auch medizinische Hilfe bietet die Tiertafel an diesem Nachmittag vor der Futterhaus-Filiale an der Kieler Straße: Für 15 Euro können Menschen wie Hannelore Frötsch, 67, bei Tierarzt Christian Bähr aus Reinbek ihre Lieblinge untersuchen lassen. Zwergpudelhündin Emily hat eine Mandelentzündung und bekommt die notwendigen Medikamente. Die Behandlungskosten verrechnet der Tiermediziner direkt mit der Tafel zum niedrigsten Gebührensatz und spendet sie wieder. Kostenlos darf er die Tiere laut Verordnung nicht behandeln. In einem provisorischen Pavillon untersuchen Christian Bähr und der Tierheilpraktiker Ernst Bamert die Tiere. „Häufig sind es aber eher die Menschen, die Seelsorge brauchen“, sagt Ernst Bamert. Er braucht häufig viel Zeit für Gespräche mit den Tierhaltern, „die Leute sitzen weinend vor mir – dabei wollte ich nie Menschen behandeln. Aber es ist schön, dass sie mit einem guten Gefühl raus gehen“.

Seit Anfang des Jahres geben Kara Schott und ihre zehn ehrenamtlichen Helfer das Tierfutter draußen an der Kieler Straße aus – eine Notlösung. Die früheren Räume in Farmsen konnte der Verein nicht mehr bezahlen, nachdem sich der Dachverband aufgelöst hatte. Nun sucht die Tiertafel dringend nach einem neuen Standort, auch damit die Ausgabe wieder alle 14 Tage statt wie zurzeit alle vier Wochen erfolgen kann. Der Verein finanziert sich über Spenden und sucht 80 bis 100 Quadratmeter, die verkehrsgünstig und möglichst zentral gelegen sind, damit auch Rentner wie Gabriele van der Wyk, 69, aus Eilbek die Tiertafel gut erreichen können.

Zu Hause warten Miezi, 16, und Kitty, 17, auf ihre Besitzerin. Die alten Katzendamen sind beide krank und benötigen teures Spezialfutter. Als sie die Katzen bekam, ging es der älteren Dame noch gut. Nun lebt sie von rund 800 Euro im Monat und muss davon Miete, Versicherungen, Strom, Wasser und Lebensmittel bezahlen. „Ich würde mir keine Haustiere mehr in meiner Situation anschaffen“, sagt sie. Und dann geht es in der Warteschlange um viel mehr als um die Versorgung ihrer Haustiere: Es geht um soziale Ungerechtigkeit und Armut. „Ich habe meine zwei Kinder allein groß gezogen, und was kriege ich jetzt? Zu wenig“, sagt Frau van der Wyk, der es genauso geht wie Jutta Behrend, 66, aus Billstedt, die für ihren Hund Futter abholt: „Man wird finanziell bestraft, wenn man Kinder allein groß zieht.“