Hamburg. Für alte Instrumente zahlen Sammler gewaltige Summen. Sogar die Stones, Scorpions und Peter Maffay kaufen bei Thomas Weilbier in Bahrenfeld.

Die ältere Dame hatte keine großen Erwartungen. „Wir haben da noch eine E-Gitarre, auf der mein Mann in den 60er-Jahren gespielt hat“, erzählte sie am Telefon. „Bevor wir die weggeben, wollte ich mal fragen, ob sie vielleicht noch etwas wert ist.“ Als die Kundin dann anfing, Modell und Seriennummer zu beschreiben, gingen Thomas Weilbier, Inhaber des No.1 Guitar Centers in Bahrenfeld, die Ohren über. Eine Gibson Les Paul, Baujahr 1960, mit geflammter Lackierung. Gut erhalten, nur einen zusätzlichen Schalter hatte ihr Mann mal an dem Instrument montiert.

„Wenn ihre Daten stimmen, dann reden wir hier von einem Wert von 50.000 bis 70.000 Euro“, teilte Weilbier der verdutzten Dame mit. Les Pauls wie diese, benannt nach einem berühmten US-Gitarristen und Instrumentenbauer, gelten nämlich als eine Art Blaue Mauritius unter den E-Gitarren. Sie waren Wegbereiterinnen des harten, schmutzigen Rocksounds und wurden in ihrer ursprünglichen Form nur wenige Jahre lang hergestellt.

Tatsächlich hatte Weilbier bei dem Modell aus dem Jahr 1960 eher konservativ geschätzt. Am Ende konnte er das Instrument für 150.000 Dollar an einen Interessenten aus Großbritannien verkaufen. Sein Name: Keith Richards. Der legendäre Gitarrist und Songschreiber der Rolling Stones hatte schon länger nach einer Les Paul dieses Baujahrs gesucht und Weilbier damit beauftragt, für ihn nach entsprechenden Modellen Ausschau zu halten.

Bekannte Besitzer steigern Wert des Intrumentes

Außergewöhnliche Geschichten wie diese kommen im Handel mit sogenannten Vintage Gitarren eher selten vor. Mit einem ordentlichen Wertzuwachs für Instrumente aus den Anfangsjahren des Rock können Liebhaber allerdings schon rechnen. Im Schnitt sei jährlich mit einem Zuwachs von vier bis sieben Prozent zu rechnen, sagt Weilbier. Wobei je nach Modell, Baujahr und Zustand die Rendite massiv variieren kann. „Für Anfänger ist ein solches Investment eher nicht geeignet“, sagt der Experte, der schon seit 40 Jahren in dem Geschäft aktiv ist.

Weilbiers Schatzkammer befindet sich im zweiten Stock seines Gitarrenladens im Bahrenfelder Phoenixhof. Eine Lichtschranke löst bei jedem Betreten und Verlassen des Vintage Guitar Rooms ein schrilles Piepsignal aus, die teuersten Stücke sind extra in einem mannshohen, schwarzen Tresor untergebracht. Notwendige Sicherheitsmaßnahmen: „Insgesamt hängt hier wohl eine halbe Million Euro an der Wand“, sagt der Inhaber.

Zwei Namen sind es vor allem, die sich unter den Fans alter E-Gitarren großer Beliebtheit erfreuen. Neben der Gibson Les Paul, von der Weilbier zwei golden lackierte klassische Exemplare für bis zu 33.000 Euro vorrätig hat, ist dies die Fender Stratocaster. Jimi Hendrix oder auch Buddy Holly haben eine „Strat“ gespielt. Der einstige Frontmann der Dire Straits, Mark Knopfler, intonierte damit sein „Sultans of Swing“. Die legendäre schwarze „Blackie“ von Eric Clapton, die der Musiker nach seinen eigenen Vorlieben zusammenbastelte, brachte auf einer Auktion im Jahr 2004 den Rekordpreis von fast einer Million Dollar ein.

„Wenn ein bekannter Musiker eine bestimmte Gitarre in den Händen hatte, dann steigert dies natürlich ihren Wert“, sagt Weilbier. Er selbst verfügt über beste Kontakte in die Rockszene und kommt auf diese Weise immer wieder an ungewöhnliche Modelle. Peter Maffay hat bei dem Hamburger Händler mal seine Gitarre für die Tabaluga-Tour in Auftrag gegeben, Größen wie der wohl weltbeste Blues-Gitarrist Joe Bonamassa schauen in Bahrenfeld vorbei, wenn sie auf Tour sind.

23.000 Euro für eine Gitarre von den Scorpions

Im Vintage Guitar Room hängt eine knallrote Fender Stratocaster, die erst Weilbier selbst und dann über viele Jahre Matthias Jabs von den Scorpions gehörte. Der Gitarrist hat einen kleinen Tick, was rote Instrumente angeht, und nennt mehr als 20 Gitarren im Farbton „Candy Apple Red“ sein eigen.

Dem Modell, das in Bahrenfeld zum Verkauf steht, sieht man seinen jahrelangen Bühneneinsatz an, die Rückseite ist abgeschabt, es weist jede Menge Kratzer und Spuren des Gitarrengurts auf – eine Tatsache, die diese Stratocaster in den Augen von Sammlern eher noch wertvoller macht. „Viele wollen den Schweiß riechen, der auf der Bühne ins Instrument eingesickert ist“, meint Weilbier. 23.000 Euro soll das Stück von den Scorpions kosten.

Die Käufer solch ungewöhnlicher Modelle sind betuchte Musikfans wie etwa der Werber Holger Jung, der selbst mal Rockmusiker werden wollte und heute über eine erlesene Sammlung von E-Gitarren verfügt. Auch manch ein Investor entdeckt angesichts niedriger Zinsen die Instrumente als zusätzliche Geldanlage. Vor einiger Zeit hat Weilbier den Auftrag eines Hamburgers erhalten, 100.000 Euro in gut erhaltene Gitarren mit Wertsteigerungspotenzial zu investieren. Er will sie an seine Kinder vererben.

Gitarren als Wertanlage

Die generelle Preisentwicklung im Markt lesen Experten am sogenannten 42 Guitar Index ab, der seit 1991 vom US-Magazin „Vintage Guitar“ ermittelt wird. Er setzt sich aus den Preisen von 42 besonders begehrten Gitarren-Modellen zusammen, die in den Vereinigten Staaten verkauft wurden.

Über Jahre stieg dieser Index moderat an, verdoppelte dann aber zwischen 2006 und 2008 plötzlich seinen Wert. In den Boomjahren vor der letzten großen Finanzkrise waren Investment-Profis in das Geschäft eingestiegen und sorgten für eine Spekulationsblase, die kurz darauf platzte. „Das war eine ausgesprochen ungute Entwicklung, weil sich viele Käufer im Markt tummelten, die von den Instrumenten und den Musikern gar keine Ahnung hatten“, erinnert sich Weilbier. Mittlerweile habe sich der Markt aber wieder beruhigt und befinde sich auf einem gesunden Niveau. „Den meisten Sammlern geht es heute darum, ein Stück Musikgeschichte zu besitzen.“

Neben ihrem legendären Status wird der hohe Preis von alten Gitarren allerdings noch durch einen weiteren Faktor bestimmt: das Material. Körper aus Sumpfesche, Hälse aus Ahorn, Griffbretter aus Honduras-Mahagoni, teilweise schon Jahrzehnte gelagert, bevor sie verbaut wurden. Es sind Hölzer, die es heute kaum noch gibt. Spielt jemand auf den Gitarren, verändern sich das Holz und die Elektronikbauteile – ein altes Instrument klingt einfach anders. Zwar bauen Fender oder Gibson ihre Klassiker heute so detailgetreu wie möglich nach und versehen sogar neue Instrumente mit künstlichen Kratzern und Gebrauchsspuren. „Doch der Sound von damals lässt sich nur bedingt nachahmen“, sagt Weilbier.

Manche Materialien wie Rio-Palisander bereiten dem Händler aber auch großes Kopfzerbrechen. Aus Naturschutzgründen dürfen Gitarren, die aus solchen Hölzern bestehen, heute nur begrenzt gehandelt werden. „Besitzer benötigen ein spezielles Zertifikat, wer dies nicht hat, macht sich beim Verkauf strafbar“, sagt Weilbier. Die Einfuhr von alten Gitarren aus den USA sei dadurch stark erschwert worden.

Schon kleine veränderungen können Wert erheblich senken

Ein weiterer Fallstrick für Sammler sind gut gemachte Fälschungen, die Betrüger nicht nur ahnungslosen Laien, sondern auch Profis andrehen wollen. Regelmäßig rufen Musiker wie etwa der Gitarrist von Jan Delay bei Weilbier an, weil ihnen ein vermeintliches Schnäppchen angeboten wurde. „Meist lässt sich schon an den Preisen erkennen, dass die Angebote nicht seriös sein können“, sagt der Experte.

Um den Wert einer Gitarre beurteilen zu können, bedarf es in jedem Fall eines hohen Sachverstands. „Schon kleine Veränderungen wie ein ausgetauschter Regler können einen erheblichen Wertverlust bedeuten“, sagt Weilbier. So hätte etwa das Rentnerpaar für seine Gibson Les Paul aus dem Jahr 1960 wohl noch einige Zehntausend Dollar mehr erzielen können, hätte der Besitzer nicht selbst an dem Instrument herumgeschraubt.

Glücklich war das Paar über den Geldsegen aber dennoch. Zusammen mit Thomas Weilbier wurden sie sogar zu einem Konzert der Stones eingeladen und konnten hören, die Keith Richards sein frisch erworbenes Instrument auf der Bühne ausprobierte. Von den 150.000 Dollar sollen sie sich ein Wochenendhäuschen gekauft haben.