Nach dem Rückzug der RSM-Gruppe könnte das Hippodrom in Bahrenfeld schon Ende des Jahres schließen. Zuletzt kamen immer weniger Besucher zur Rennbahn. Auch der Umsatzeinbruch soll ein Grund sein.

Hamburg. Der Trabrennsport in Hamburg steht vor dem Aus. Nach dem überraschend verkündeten Rückzug der Rennsport Management GmbH (RSM), hinter der die Familie des früheren Kaffeekaufmanns und Milliardärs Günter Herz steht, hilft dem traditionsreichen Hippodrom am Volkspark nur noch ein finanzielles Wunder zum Überleben. Auch die Zukunft der jüngst mit Millionenaufwand renovierten Haupttribüne ist ungewiss. Gleichzeitig droht dem vom Senat favorisierten Modell einer Doppelrennbahn für Galopper und Traber das Scheitern.

„Wir haben alle einen Schreck gekriegt“, erinnert sich Traberpräsident Peter Heitmann an einen Termin am Donnerstag im Büro der Herz-Vermögensverwaltung Mayfair in der Großen Theaterstraße 1a. Günter Herz’ Sohn Christian informierte die konsternierten Vertreter der Rennvereine vom Rückzug der RSM zum Jahresende „aus allen Aktivitäten im Pferdesport“. Zum Trost hieß es: „Der Ausstieg wird geordnet vollzogen.“ Die einstmals größte deutsche Trabrennbahn in Gelsenkirchen macht in jedem Fall dicht.

Offiziell begründet wird die Entscheidung mit einer „Untätigkeit der Behörden“, die der Herz-Holding angegliederte Wettplattform Winrace vor illegalen Anbietern zu schützen. Tatsächlich versickert ein erheblicher Teil der Zockergelder bei Wettfirmen in der Grauzone zwischen Gibraltar, Österreich und Kroatien.

Fast fünf Millionen Euro hat die Familie Herz investiert

Als weiteren Anlass für den Rückzug vermuten Kenner der Szene die dramatischen Umsatzeinbrüche auf der Trabrennbahn am Volkspark. Wurden dort 2002 noch 21,2 Millionen Euro an den Totokassen investiert, so waren es 2013 nur noch 2,9 Millionen Euro. Das entspricht binnen zwölf Jahren einem Rückgang von fast 90 Prozent. Verbunden mit dieser desaströsen Entwicklung ist ein erhebliches Besucherminus.

Der vergangene Donnerstag war ein Beispiel für den Niedergang eines Traditionssports, der in Bahrenfeld schon 1880 Rennen bot. Diesmal wurden von den Besuchern auf der Bahn in acht Rennen zusammen 15.250 Euro verwettet. Da dem Veranstalter etwa ein Viertel davon für Rennbetrieb und Preisgelder bleibt, in diesem Fall also weniger als 4000 Euro, ist das Dilemma klar: Ein solches Geschäft rechnet sich in keiner Weise.

Daran haben eine der modernsten Tribünen Europas und ein neues Geläuf nichts geändert. Fast fünf Millionen Euro hat die Familie des Pferdezüchters Günter Herz seit ihrem aktiven Einstieg 2007 in die Anlage investiert. Viel Geld wurde zudem für PR-Aktionen ausgegeben. Hier wie dort ging die Rechnung keinesfalls auf.

In Hochzeiten waren im Büro der Herz-Firma Winrace am Rödingsmarkt 35 Mitarbeiter angestellt. Aktuell sollen es noch acht oder neun sein. Der Rest erhielt nach und nach die Entlassungspapiere. „Dennoch wurden im vergangenen Monat vier neue Kollegen angeheuert“, sagt ein Winrace-Vertrauter unter der Hand. Dies beweise, wie spontan der Rückzugsbeschluss im Hause Herz gefallen sei. „Wir haben enormen Langmut bewiese“, sagte Christian Herz dem Abendblatt. Auch die Wirtschaftsbehörde als für Leistungsprüfungen von Pferden verantwortliche Stelle reagierte wortkarg: „Wir nehmen die Entwicklung zur Kenntnis.“ Die für den Sport insgesamt zuständige Innenbehörde stimmte ein: „Wir sagen dazu im Moment nichts.“

Offenherziger reagierte der langjährige Traberpräsident Jürgen Hunke. „Ich bin entsetzt“, sagte er. „Geld kann eben nicht Herzblut und Leidenschaft ersetzen.“ Und einer der sechs in den letzten Jahren eingesetzten Geschäftsführer verriet seine persönliche Ansicht: „Wenn die Familie Herz mit Mann, Maus und Millionen geht, muss in Bahrenfeld zu Jahresbeginn das Flutlicht ausgeschaltet werden.“

Traberpräsident Peter Heitmann, nach wie vor im Sulky aktiv, revidiert zwar seine trotzige Aussage, bis Ende 2015 sei der Betrieb gesichert, hofft aber dennoch, „dass es auch im Januar weitergeht“. Irgendwie. Ob ein neuer Vermarkter wie German Tote einspringt? Ob es doch noch finanzstarke Gönner für den Förderverein gibt? Gar Günter Herz privat?

Auch wenn die Entwicklung für den Pferdesport bedauerlich sein mag, können sich andernorts neue Perspektiven ergeben: für die Verwendung des Bahrenfelder Areals als Bauland, zumindest teilweise, aber auch für eine modernisierte Galopprennanlage in Horn. Von einer Doppelrennbahn wagt derzeit niemand mehr zu sprechen.

Am Montag tagt der Vorstand des Trabrennvereins HTZ, um so schnell wie möglich eine außerordentliche Versammlung der 80 Mitglieder einzuberufen. Dort soll beschlossen werden, wie es weitergeht. Jedenfalls soll der Grand Prix als Höhepunkt des Traberjahres am 12. Oktober wie geplant gestartet werden. Er könnte so etwas wie das Halali sein.