Vor 350 Jahren erhielt der heutige Bezirk Stadtrechte. Höhepunkt der Feierlichkeiten: Schiffe und eine Nachtparade der Straßenkünstler trafen am illuminierten Museumshafen Oevelgönne zusammen.

Hamburg. Venezianischer Karneval, Sambaparade und maritime Nostalgie – mit einer bunten Mischung hat am Wochenende Altona seine dänische Vergangenheit gefeiert. 1664 waren dem Ort vom dänischen König die Stadtrechte verliehen worden. 350 Jahre später beging der heutige Hamburger Bezirk dieses Jubiläum mit einem dreitägigen Straßenkunstfestival und einer Parade von gut 50 Museumsschiffen auf der Elbe. Höhepunkt der Feierlichkeiten war am Sonnabend: Die Schiffe und eine Nachtparade der Straßenkünstler trafen am illuminierten Museumshafen Oevelgönne in Neumühlen zusammen.

In Dänemark ist Altona noch heute für sein „freies Denken“ bekannt

Anfangs überzog die Teilnehmer häufiger ein heftiger Regenschauer, zum Abend klarte es etwas auf, blieb meist trocken, aber auch auch kalt. Rund 50.000 Zuschauer sahen sich nach Angaben der Veranstalter dennoch die beiden Paraden an, etwa 200.000 zählte man beim Straßenkunstfestival Stamp, das überwiegend auf der Großen Bergstraße stattfand: Kostümierte Stelzenläufer, Clowns, Hip-Hop-Tänzer, Sambagruppen oder auch Trapezkünstler boten dabei ein fröhlich-schrilles Bild. „Klar hat uns das Wetter ein wenig erwischt, wir sind mit der Resonanz aber sehr zufrieden“, sagte in einer ersten Bilanz Daniela Scherbring, Sprecherin der Altonale GmbH, die für den Bezirk das Fest organisiert hatte und sonst jährlich das Kulturfestival Altonale veranstaltet.

Den offiziellen Part der Stadtrechtefeier gab es am Altonaer Rathaus. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), der selbst in Altona wohnt, verwies auf die besonderen Beziehungen zwischen Hamburg und dem bis 1937 selbstständigen Altona. Und daran, dass der dänische Regent den Fischerort dem Nachbarn zum Kauf angeboten habe, dieses Ansinnen aber von der Bürgerschaft abgelehnt worden war. In der Folge bekam Altona die Stadtrechte verliehen. Auch weiterhin wünsche er sich ein „starkes, selbstbewusstes und lebenswertes Altona“, wofür der „Senat den Raum lässt“, so Scholz.

Andere Redner wie der Historiker Franklin Kopitzsch erinnerten an die Traditionen von Toleranz und Liberalität, die es unter der bis Mitte des 19.Jahrhunderts andauernden dänischen Regentschaft in Altona gegeben habe. Glaubens- und Handelsfreiheit hätten die Stadt wachsen lassen. Auch der stellvertretende Bürgermeister aus Aarhus, Marc Perera Christensen, sprach davon, dass Altona in Dänemark noch heute für sein „freies Denken“ bekannt sei und sich so gut mit seiner Stadt vergleichen ließe, die er als „Kreativlabor“ bezeichnete. 2017 wird Aarhus europäische Kulturhauptstadt, wozu Christensen die Altonaer herzlich einlud. Aarhus ist heute zweitgrößte Stadt Dänemarks – so wie es Altona bis zum Abzug der Dänen auch einmal war.

Während zum Jubiläum vielfach von dem liberalen Erbe Dänemarks in Altona die Rede war, warf der stellvertretende dänische Botschafter William Boe einen umgekehrten Blick auf die Beziehungen. So habe es viele Altonaer Persönlichkeiten gegeben, deren Wirken bis heute in Dänemark von Bedeutung seien, so zum Beispiel der Architekt Christian Frederik Hansen (1756– 1845). Der Planer vieler Villen und Landhäuser war auch „Königlich Dänischer Landbaumeister“. Er habe einen „enormen Einfluss“ auf die dänische Architektur seiner Zeit gehabt, sagte William Boe.

Die aber wohl spannendste Altonaer Persönlichkeit, an die Boe erinnerte, dürfte der Armenarzt Johann Friedrich Struensee (1737–1772) sein. Als junger Arzt konnte er gegen die damals herrschende Lehrmeinung die Hygiene in den Armenvierteln Altonas verbessern und so erfolgreich gefährliche Krankheiten bekämpfen. Statt Aderlass und Schwitzen setzte er auf frische Luft und die Vernichtung der Kleidung von Verstorbenen, weil er zu Recht annahm, dass sich Übel wie Krätze, Pocken oder Fleckfieber auch durch Ansteckung verbreiten. Er war einer der ersten Ärzte, die Menschen impften.

Der dänische König wurde auf den von der Aufklärung beseelten Altonaer aufmerksam und holte ihn nach Kopenhagen. Er wurde Leibarzt, Berater und schließlich mit einer Art Generalvollmacht ausgestattet, um zahlreiche Reformen umzusetzen. So etwa die Pressefreiheit. Dänemark wurde so zum fortschrittlichsten Staat seiner Zeit. Eine „Liaison“, so Boe, mit der dänischen Königin wurde ihm zum Verhängnis. Seine Widersacher setzten sich durch, und der Altonaer Arzt wurde wegen Majestätsbeleidigung hingerichtet. Ein Teil seiner Reformen blieb aber bestehen und damit auch ein liberales Erbe Altonas in Dänemark.