Kölner Konzern kommt mit Bio- und Feinkostkonzept Temma nach Hamburg. Konkurrenzkampf in Ökobranche nimmt zu. Rund 5000 Bioartikel umfasst das Angebot.
Hamburg. Es gab Zeiten, da waren Tante-Emma-Läden so etwas wie die Kommunikationszentren in einem Wohnviertel. Die Bewohner trafen sich im Geschäft an der Ecke, um zu tratschen, Neuigkeiten auszutauschen und nebenbei auch noch ein bisschen einzukaufen. Lange bevor die soziale Kontaktpflege ins Internet verlagert wurde, war das. Und lange bevor die großen Handelskonzerne und Discounter den kleinen Geschäften mit ihren Supermärkten den Garaus machten.
Ein wenig möchte die Kölner Rewe-Gruppe diese Zeiten jetzt mit ihrem Konzept Temma wieder beleben. Marktplatz und Treffpunkt sollen die Läden sein, die der zweitgrößte Lebensmittelhändler Deutschlands zunächst in Köln und Düsseldorf testete und von denen der erste jetzt auch nach Hamburg kommt.
Ausgerechnet auf der Fläche eines ehemaligen Penny-Marktes in Blankenese wird im Frühjahr die erste Temma-Filiale eröffnen. Weitere Märkte dieses Typs könnten folgen. „Im Großraum Hamburg suchen wir nach weiteren, attraktiven Standorten“, sagt Unternehmenssprecher Thomas Bonrath dem Abendblatt.
Im Kern ist Temma eine Mischung aus Biosupermarkt, Feinkostgeschäft, Marktstand und Bistro. Die Kunden sollen nicht nur einkaufen, sondern bei einem Cappuccino, einem Glas Wein oder einem Snack möglichst viel Zeit in den Läden verbringen. Entsprechend viel Raum nehmen die Gastroelemente in den bestehenden Filialen ein – hohe Bartische am Eingang, plüschige Sessel am Teeregal.
Rund 5000 Bioartikel umfasst das Angebot, vom Obst, über regionale Käse- und Wurstspezialitäten bis hin zu Wein, Nudeln und Naturkosmetik. Präsentiert auf einer Verkaufsfläche von rund 800 Quadratmetern.
Eine klassische Tante Emma wird man in den Filialen freilich vergebens suchen. Statt einer älteren Dame, deren Schürze über der Brust spannt und die eifrig Preise in die Kasse tippt, sind die Temma-Mitarbeiter eher jung und dynamisch wie in anderen Lifestyle-Läden auch.
Um das passende Personal für das zu Hamburger Geschäft zu finden, geht Rewe einen eher ungewöhnlichen Weg. Heute veranstaltet der Konzern im Rudolf-Steiner-Haus ein sogenanntes Mitarbeitercasting. „Neben guten fachlichen und sozialen Kompetenzen suchen wir echte Persönlichkeiten“, sagt Unternehmenssprecher Bonrath.
Mit einer Mischung aus modernen und nostalgischen Elementen spielen derzeit auch andere, große Lebensmittelketten. So hat beispielsweise Edeka-Niemerszein im Supermarkt an der Langen Reihe (St. Georg) einen alten Kolonialwarenladen mit Feinkostartikeln eingebaut und wirbt ganz offensiv mit einem Einkaufserlebnis wie zu „Tante Emmas Zeiten“. Und in der ehemaligen Rindermarkthalle auf St. Pauli will Edeka das Einkaufserlebnis auf einem klassischen Wochenmarkt nachbilden.
Während die großen Handelsgruppen das persönliche Einkaufserlebnis also wiederentdecken und ihre Geschäfte weniger anonym gestalten, bleiben die echten, alteingesessenen Feinkostläden allerdings auf der Strecke. So musste im vergangenen Jahr etwa das Delikatessengeschäft Kruizenga in Winterhude schließen, weil es dem Preisdruck der Großen nicht mehr gewachsen war, und die Laufkundschaft fehlte.
Verschärfen dürfte sich der Wettbewerb auch in der Hamburger Ökobranche, in der Rewe mit seinem Temma-Konzept wildert. Dabei buhlen alle Bioketten letztlich um die gleiche Klientel, eine gut betuchte, ökologisch und zugleich gesundheitsbewusst orientierte Käuferschicht. Diese sogenannten LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) sollen sich nicht nur bei Temma, sondern auch in den modernen Märkten der Konkurrenz wohlfühlen.
Am ehesten dürfte Temma mit der Kombination aus Biowaren und Gastroangebot wohl mit dem Supermarktkonzept des Ökogroßhändlers Dennree zu vergleichen sein. Das Unternehmen aus dem bayrischen Töpen gehört schon seit Jahren zu den am schnellsten expandierenden Anbietern im Biosegment. Mit der eigenen Kette Denn’s Biomarkt ist Dennree zuletzt auch stark in der Hansestadt gewachsen. Gab es Mitte 2011 gerade einmal zwei Filialen in Hamburg, so sind es mittlerweile schon sechs, die sich von Bergedorf über Barmbek bis Ottensen verteilen.
Ebenso stark wie Dennree ist auch die Biokette Alnatura in der Hansestadt vertreten, wobei zu den sechs Filialen der Hessen auch noch die zahlreichen Bioeigenmarken hinzukommen, die über die Hamburger Drogeriekette Budnikowsky vertrieben werden. „Wir können uns auch die Eröffnung weiterer Filialen in der Hansestadt vorstellen, haben derzeit aber keine konkreten Pläne“, sagt eine Sprecherin.
Zumindest der Standort Blankenese hat Rewe für den Markteintritt im Biobereich gut gewählt, denn Hamburgs Westen ist bislang kaum ins Blickfeld der Ökoketten geraten. Das ist erstaunlich, leben hier doch die Hanseaten mit der höchsten Kaufkraft.