Die Sänger von „Heaven Can Wait“ sind sogar älter als die Rolling Stones. Sie interpretieren Hits von Nirvana, Coldplay, Deichkind und anderen im im St. Pauli Theater.

St. Pauli. Dieser Chor singt keine Gospels und wird nicht durch die Gemeindesäle der Republik touren. Dieser Chor ist keine professionelle Rentner-Band, die nicht aufhören mag, weil sie ohne Bühne und Publikum angeblich nicht leben kann.

Dieser Chor ist völlig neu und versucht nach dem Vorbild des amerikanischen Chors „young@heart“ etwas erfrischend anderes: 32 Sängerinnen und Sänger ab 70 Jahren interpretieren Lieder, die in den vergangenen Jahren große Hits waren, sie rocken den Kiez.

Im St. Pauli Theater wird von heute an „Viva la vida“ von Coldplay ebenso erklingen wie „Jung und schön“ von Element of Crime.

Chormitglieder, die gemeinsam mehr als 2000 Jahre Lebenserfahrung auf die Bühne bringen, liefern dabei laut Chor- und Projektleiter Jan Christof Scheibe im Vergleich zu den Originalen einen deutlichen Mehrwert: „Wie klingen Lieder, die sonst von 25-Jährigen gesungen werden, mit 50 Jahren mehr Lebenserfahrung gefüllt? Das ist eine Bereicherung, wenn man Musik, die man aus dem Radio kennt, zu der man vielleicht mal getanzt hat, jetzt mit mehr Tiefgang hört.“

Bei der Nummer „Vergessen zu vergessen“ von Luxuslärm seien ihm immer wieder mal Tränen in die Augen gestiegen, bekennt Scheibe. Und eben nicht aus nostalgischer Rührung, sondern weil anrührend sei, was da auf der Bühne passiere.

Deshalb soll die Musik möglichst aktuell sein, nicht aus Oldies oder Schlagern zusammengesetzt, die im Radio liefen, als die Chorsänger noch junge Leute waren. Bis auf einen Ausflug zu den Bee Gees (mit „Staying Alive“) gibt es kaum Anklänge an die musikalische Vergangenheit. „Bob Dylan habe ich verboten“, sagt Scheibe schmunzelnd.

„Smells Like Teen Spirit“, der Beginn der aktuellen musikalischen Zeitrechnung also, wird zu hören sein. Darüber hinaus gibt es zur Musik einer achtköpfigen Live-Band 24 Stücke, überwiegend deutschsprachige Titel, von „Gekommen um zu bleiben“ von Wir sind Helden über „Die perfekte Welle“ von Juli bis zu „Sie ist weg“ von den Fantastischen Vier.

Der Chor steht den ganzen Abend über im Mittelpunkt, doch gibt es auch Solo-Nummern und Kleingruppenauftritte, die Spannung in das Konzert bringen. Da rappen plötzlich vier Sänger zur Deichkind-Nummer „Leider geil“ los, denen man das im Leben nicht zugetraut hätte.

Sie sich selbst übrigens auch nicht. „Die machen das jetzt mit einer unglaublichen Coolness und Freude“, sagt Scheibe.

Die Sänger hat der Chorleiter bei einem Casting nach einem Aufruf im Hamburger Abendblatt gefunden, auf den sich rund 100 Bewerber meldeten. Aus denen habe er, so Scheibe, erst mal 40 Sänger ausgewählt, wohl wissend, dass nicht alle dabeibleiben würden. Die jüngste Sängerin ist während der Proben 70 Jahre alt geworden, die Älteste ist 87.

Und trotz der Verpflichtungen der im Schnitt 75-jährigen Oldies als Großeltern oder Gärtner sei es doch deutlich leichter gewesen, gemeinsame Probentermine zu finden als bei vergleichbaren Projekten mit Berufstätigen, erklärt Scheibe, der mit diesem Chor wie seine Sänger Neuland betreten hat. Andererseits dauere der Probenprozess eben auch länger, weil Ältere mitunter länger fürs Auswendiglernen bräuchten.

„Wir haben uns nach einer kurzen Phase der Unsicherheit ganz schnell geduzt und gemeinsam diese Reise gestartet“, sagt der Sohn eines Kantors, der beruflich immer wieder Musikprojekte in Theatern betreut hat, zuletzt arrangierte er das neue Programm „The Right Bullets“ von Dominique Horwitz am Schauspielhaus.

„Meine Aufgabe war dann, die ausgewählten Titel zuzuordnen und zu gucken, wer kann welche Nummer singen.“ Jeder habe dann gewusst, was für ihn geplant sei. Und manchmal war es auch notwendig, den Wünschen der Sängerinnen und Sänger gerade nicht zu entsprechen.

Nun blicken alle recht zuversichtlich auf die Premiere an diesem Mittwoch. Es gibt, so Jan Christof Scheibe, bereits Anfragen für Gastspiele, zum Beispiel in Zürich. Und im November wird dann wieder im St. Pauli Theater gesungen.

„Heaven Can Wait" Mi 21.8.–So 25.8., 20.00, St. Pauli Theater (S Reeperbahn), Spielbudenplatz,

Karten zu 19,90 bis 29,90 unter T: 47 11 06 66