Die Aktivisten befürchten, dass der Eigentümer der Flora, Klausmartin Kretschmer, sich von der Immobilie trennen will. Angeblich hat er das Gebäude bereits vermietet, an den Geschäftsmann Gert Baer.
Hamburg. Mit markigen Worten haben Aktivisten aus der Roten Flora auf eine mögliche Räumung des besetzten Hauses am Schulterblatt reagiert. „Es stelle sich gar nicht mal die Frage, ob wir uns militärisch verteidigen“, sagte einer der Sprecher, der sich Klaus nannte, am Freitag bei einer Pressekonferenz und kündigte indirekt gewalttätige Auseinandersetzungen an. „Der politische Preis muss so hoch sein, dass es sich nicht lohnt, die Flora zu räumen.“ Und ein Florentin ließ wissen: „Wir werden die Flora auch in Zukunft mit allen Mitteln verteidigen.“
Wie berichtet, ist die Aufregung in der autonomen Szene um einen möglichen Verkauf der maroden Immobilie im Schanzenviertel groß. Im Raum steht die Befürchtung, dass der Eigentümer der Flora, Klausmartin Kretschmer, sich von der Immobilie trennen will. Angeblich habe er das Gebäude bereits vermietet, an den Geschäftsmann Gert Baer. Dieser bezeichnet sich selbst als Kretschmers Berater bei „einigen seiner Immobilienobjekten“. Die „Floristen“ vermuten, dass Baer einen privaten Wachdienst beauftragen könnte, das ehemalige Theater räumen zu lassen. „Die Gefahr eines Angriffs auf das Haus ist hoch einzuschätzen“, heißt es. Baer hatte gegenüber dem Abendblatt unlängst bestritten, Mieter zu sein. Für aktuelle Stellungnahmen waren weder Kretschmer noch Baer zu erreichen.
Kretschmer hatte die Rote Flora 2001 für 370.000 Mark von der Stadt gekauft und damit dem damaligen SPD-Senat aus der Patsche geholfen, weil dieser die Auseinandersetzungen um die Flora aus dem Wahlkampf heraushalten wollte. Zehn Jahre hatte sich die Stadt ein Vorkaufsrecht ausbedungen. Danach versuchte Kretschmer mehrfach, das Gebäude für ein Vielfaches wiederzuverkaufen. Vergeblich. Insider vermuten, dass hinter den aktuellen Ereignissen eine Art Racheakt an der Stadt stehen könnte. Für den CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Karl-Heinz Warnholz steht fest: „Kretschmer ist ein Spekulant, der sich verspekuliert hat.“ Um die Lage zu beruhigen, gebe es nur einen Ausweg: „Herr Kretschmer sollte die Rote Flora zum ehemaligen Kaufpreis plus angemessenen Zinsen wieder an die Stadt zurückverkaufen.“ Wer das aber als Solidaritätsadresse an die „Rotfloristen“ versteht, der irrt. „Wer ein Camp wie auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz duldet, braucht sich nicht über rechtsfreie Räume wie in der Roten Flora zu wundern. Das darf nicht geduldet werden“, so Warnholz.
Im umstrittenen Stadtteilzentrum gibt man sich weiter kämpferisch. „Die Rote Flora bleibt Risiko-Kapital. Das ist kein Konflikt mit dem Investor, sondern mit der Stadt“, sagt Florentin. Doch die Stadt will nichts von dem Konflikt wissen. Aus der Innenbehörde heißt es lapidar: „Seit zweieinhalb Jahren kommt diese Geschichte immer wieder hoch und verschwindet auch wieder.“ Auch die Polizei sieht keine veränderte Sicherheitslage. „Seit Jahren gibt es immer wieder Gerüchte. Bislang gibt es keine Fakten. Daher ist es, wenn überhaupt, ein politisches Thema und kein polizeiliches“, sagte Polizeisprecher Andreas Schöpflin. „Wir sehen das gelassen.“
Antje Möller, innenpolitische Sprecherin der Grünen, will ebenfalls nichts auf die Verkaufsgerüchte geben. „Es ist nicht so, dass ein neuer Besitzer der Roten Flora machen kann, was er will.“ Sie warnte davor, auf „jede Spekulation“ hereinzufallen. Gelassen gibt sich auch Dirk Kienscherf, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. „Dort darf lediglich ein Kulturzentrum bestehen bleiben. Kretschmer weiß das. Ein möglicher neuer Besitzer weiß das auch.“ Damit verwies Kienscherf auf die Veränderungssperre, die der Bezirk Altona für das Gelände erlassen hat. Das Gebäude muss zudem erhalten bleiben. Der dafür nötige Bebauungsplan ist zwar noch nicht rechtskräftig, dennoch darf nichts verändert werden, was dem Plan entgegensteht. „Niemand soll verdrängt werden“, so Kienscherf weiter. „Es war dort lange Zeit ruhig und das soll auch so bleiben.“ Kienscherf sagte, dass die Scharfmacherei vonseiten der Roten Flora nichts nütze, stattdessen forderte er zum Dialog auf.
Den wird es mit den Unterstützern der Roten Flora aber nicht geben. „Wir wollen keine Verhandlungen. Das Gebäude ist besetzt, die Flora soll dem Markt entzogen werden“, lautet eine der zentralen Botschaften. „Es gibt an der Roten Flora nichts zu verdienen, aber viel zu verlieren, finanziell und politisch.“ Man sieht sich im Zusammenhang mit dem Großen und Ganzen. Der ideologische Bogen zieht sich vom Taksim-Platz in Istanbul über die Esso-Häuser auf St. Pauli und das Gängeviertel bis ins Schanzenviertel. Sollte es tatsächlich zu einer Räumung kommen, dürften die „Rotfloristen“ mit Unterstützung aus ganz Europa rechnen. „Wir sind gut aufgestellt für alle Szenarien“, sagt Klaus. „Mögen sie kommen.“