Die zwölf Stadtteilmütter kennen die Probleme beim Einleben in der Fremde aus eigener Erfahrung und stehen Zuwandererfamilien mit Rat und Tat zur Seite.

Hamburg. „Als ich vor 20 Jahren aus der Türkei nach Hamburg kam, sprach ich kein Wort Deutsch und war ziemlich orientierungslos“, erinnert sich die 46-jährige Meltem Demirel. „Das war schon eine schwierige Zeit.“ Mittlerweile hat sie sich gut eingelebt in Altona – und um anderen Frauen mit Migrationshintergrund die erste Zeit in der neuen Heimat zu erleichtern, hat Demirel sich entschlossen, sich als Stadtteilmutter zu engagieren. Zusammen mit elf anderen Frauen aus Altona berät und unterstützt sie Migrantinnen und deren Familien, hilft bei Arztbesuchen und Behördengängen. „Als ich von dem Stadtteilmütter-Projekt gehört habe, habe ich nicht lange gezögert. Denn genau so etwas hätte ich damals auch gebraucht“, sagt die 46-Jährige.

Die „Stadtteilmütter“ sind ein Projekt des Diakonischen Werks Hamburg. „Damit wollen wir Migrantenfamilien gezielt unterstützen und für mehr Chancengleichheit sorgen“, sagt Projektleiterin Sonnur Barat. Es gehe darum, Menschen mit Migrationshintergrund die Orientierung im Stadtteil zu erleichtern und sie auf diese Weise besser zu integrieren. In Berlin-Neukölln gibt es die „Stadtteilmütter“ schon seit 2007. Nach dem Berliner Vorbild haben Mitarbeiter des Diakonischen Werks Hamburg im Februar 2011 das Projekt auch in Hamburg-Altona eingeführt. Zwölf Stadtteilmütter sind dort seit einigen Monaten im Einsatz.

"Diese Frauen leben selbst in Altona. Sie sprechen gut Deutsch und haben verschiedene kulturelle Hintergründe – etwa die Hälfte von ihnen stammt aus der Türkei, viele haben auch afrikanische Wurzeln", sagt Sonnur Barat.

Für ihre Arbeit haben die Stadtteilmütter eine sechsmonatige Ausbildung absolviert: Zwei Mal pro Woche gab es Schulungen zu den Themen Bildung, Ernährung, Medien, Gewalt oder sexuelle Erziehung. Am Ende der Ausbildung erhielt jede Teilnehmerin ein Zertifikat.

Die Stadtteilmütter beraten die Familien in ihren Muttersprachen – ein zentraler Bestandteil des Konzeptes. „Migranten mit schlechten Deutschkenntnissen meiden Behörden und Beratungsstellen häufig“ sagt Projektleiterin Diana Lagat (33). „Dadurch sind sie schlecht erreichbar. Die Stadtteilmütter fangen diese Menschen auf und schaffen Vertrauen.“

Vertrauen schaffen und zum Deutschlernen animieren – das möchte auch die 39-jährige Betty Otoo, die als Stadtteilmutter derzeit zwei Familien aus Nigeria und Ghana berät. Otoo stammt selbst aus Ghana und kam vor 17 Jahren nach Hamburg. Trotz aller Schwierigkeiten habe sie bald begonnen, sich zu engagieren und einzubringen – im Kindergarten, auf Elternabenden und in diversen Ehrenämtern. Als Stadtteilmutter teilt sie nun ihre Erfahrungen mit anderen Migrantinnen. „Die Stadtteilmütter sind genau das, wonach ich gesucht habe“, sagt Betty Otoo. Und sie sieht schon erste Erfolge ihrer Arbeit. „Kürzlich habe ich eine Mutter an einige Beratungsstellen verwiesen, jetzt besucht sie einen Deutschkurs.“ Immer wieder lege sie den Familien nahe, wie wichtig die Sprachkenntnisse seien – nicht zuletzt, um die eigenen Kinder in der Schule zu unterstützen. Ihre Hilfe werde gut angenommen. „Die Familien rufen mich oft an und fragen mich um Rat. Ich merke, dass ich wirklich etwas für sie tun kann.“

Die Stadtteilmütter fungierten als eine Art kulturelle Brücke für die Zuwanderer, erklärt Meltem Demirel. „Dadurch, dass viele nicht gut Deutsch sprechen, können sie sich nicht öffnen und lernen gewisse kulturelle Bräuche gar nicht kennen.“ So sei es in der Türkei für Eltern beispielsweise nicht üblich, die Schulen ihrer Kinder zu besuchen. Meltem Demirel erklärt den Familien dann, dass es hier wichtig sei, zu den Elternabenden zu gehen. Und noch etwas anderes sei wichtig für die kulturelle Integration: „Ich rate den Eltern dazu, Kindergeburtstage zu veranstalten.“

(abendblatt.de)