Es sei zwar menschlich, nicht mit Leid und Terror behelligt werden zu wollen, Gewalt sei aber manchmal notwendig, sagte der Bundespräsident.

Hamburg. Bundespräsident Joachim Gauck hat die Deutschen zu größerer Offenheit für Auslandseinsätze der Bundeswehr aufgerufen und zugleich eine gewisse Ignoranz der Bürger gegenüber den Streitkräften bemängelt. Er stelle in der Bevölkerung auch eine Tendenz zum „Nicht-Wissen-Wollen“ fest, kritisierte Gauck bei einem Besuch der Führungsakademie der Bundewehr in Hamburg-Blankenese. Es sei zwar menschlich, nicht mit Leid und Terror behelligt werden zu wollen. „Und dass es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für unsere glückssüchtige Gesellschaft schwer zu ertragen“, sagte Gauck. Aber „’ohne uns’ als purer Reflex kann keine Haltung sein, wenn wir unsere Geschichte ernstnehmen“, mahnte der Präsident.

Die Abscheu gegen Gewalt sei zwar verständlich, und Gewalt werde immer ein Übel bleiben. „Aber sie kann – solange wir in der Welt leben, in der wir leben (...) – notwendig und sinnvoll sein, um ihrerseits Gewalt zu überwinden oder zu unterbinden“, betonte Gauck. Gerade Deutschland wisse, dass Frieden, Freiheit und die Achtung der Menschenrechte vielfach nicht von allein entstünden. „Freiheit ist ohne Verantwortung nicht zu haben, sie entbehrt auch ihres Wertes und ihrer Würde ohne diesen Begriff“, sagte der Präsident. Dies sei für Soldaten selbstverständlich, nicht aber in der Gesellschaft.

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„Freiheit und Wohlergehen sehen viele als Bringschuld der Demokratie und des Staates“, kritisierte Gauck. „Manche verwechseln Freiheit mit Gedankenlosigkeit, Gleichgültigkeit und Hedonismus.“ Eine funktionierende Demokratie erfordere aber auch Einsatz, Aufmerksamkeit, Mut „und eben manchmal auch das Äußerste, was ein Mensch geben kann: das Leben, das eigene Leben“. Im Gegenzug habe die Truppe einen Anspruch darauf, dass die Gesellschaft sich bewusst mache, was den Soldaten abverlangt werde und vor welche Aufgaben sie in Zukunft gestellt würden. „All das darf nicht allein in Führungsstäben und auch nicht allein im Parlament debattiert werden“, forderte Gauck. „Es muss da debattiert werden, wo unsere Streitkräfte ihren Ort haben: In der Mitte unserer Gesellschaft.“ Derzeit aber sei die Bundeswehr im öffentlichen Bewusstsein nicht sehr präsent, und über ihre Einsätze werde nicht ausreichend in der Gesellschaft diskutiert.

Gauck, der in der DDR als Bürgerrechtler aktiv war, würdigte die Bundeswehr als Parlamentsarmee im Gegensatz zur NVA, die eine unmenschliche Grenze gegen das eigene Volk militärisch abgesichert habe. „Diese Bundeswehr ist keine Begrenzung der Freiheit, sondern eine Stütze unserer Freiheit“, betonte Gauck. Die Bundeswehr habe sich von unseligen militärischen Traditionen gelöst und sei heute fest verankert in einer lebendigen Demokratie. „Sie hat unser Zutrauen verdient“, erklärte Gauck.

An der militärischen Studieneinrichtung in Hamburg werden seit 1957 Generäle, Admirale und Stabsoffiziere der Bundeswehr ausgebildet. An den Lehrgängen nehmen ständig mehr als 600 Soldaten teil, davon rund 100 ausländische Offiziere aus etwa 50 anderen Nationen.

(reuters)