Französische Gefangene schufen aus den Rinderknochen ihrer Essensreste Schiffsmodelle, von denen weltweit nur 300 erhalten sind. Das schwimmende Gruselkabinett in Hamburg besteht aus 32 Kunstwerken

Sie schmachteten in britischen Gefängnissen wie Norman Cross und Dartmoor, viele waren aber auch auf abgetakelten Segelschiffen, sogenannten Hulks, vor der englischen Südküste interniert: Die französischen Soldaten, die während der Napoleonischen Kriege zwischen 1795 und 1812 in britische Gefangenschaft gerieten, hatten ein trauriges Los. Um die Langeweile zu bekämpfen und sich einen kleinen Verdienst zu erarbeiten, schufen sie aus den getrockneten und gebleichten Rinderknochen von Essensresten fantastische Schiffsmodelle.

Genutzt wurden sie als Tauschobjekte, um zum Beispiel die Essensrationen aufzubessern. Später haben englische Kapitäne diese Schiffsmodelle auch direkt „bestellt“. Die Ausführung erforderte viel Fantasie, da nicht nach Plänen gearbeitet werden konnte. Meist taten sich mehrere Gefangene zusammen, und jeder spezialisierte sich auf bestimmte Arbeitsabläufe.

Entdeckungsreise im Schifffahrtsmuseum

Diese „Prisoner of war models“ sind weltberühmt und werden nur in wenigen Museen gezeigt – zum Beispiel in der Schatzkammer des Internationalen Maritimen Museums Hamburg.

Steigen Sie hinauf zum Boden 8 im Kaispeicher B, dem ältesten erhaltenen Bauwerk des Hamburger Hafens, in dem Hamburgs großes Schifffahrtsmuseum untergebracht ist. Wer etwas über die Geschichte der Seefahrt erfahren will, die Entdeckung der Neuen Welt, die Schicksale der kühnen Weltumsegler und beutegierigen Piraten, aber auch über die Erforschung der Tiefsee, kann in diesem Haus ganze Tage zubringen.

Kostbares in der Schatzkammer

Die kostbaren Ausstellungsstücke, die Schiffsmodelle aus Gold, Silber, Elfenbein und anderen edlen Materialien werden in der Schatzkammer aufbewahrt. Der Raum ist relativ dunkel, dafür werden die Kostbarkeiten in den Vitrinen effektvoll beleuchtet. Gleich am Eingang ist ein Prunkstück zu sehen, das weltweit einzige aus purem Gold gefertigte Schiffsmodell. Der Hamburger Juwelier Renatus Wilm hatte die Caravelle „Santa Maria“, mit der Christoph Kolumbus nach Amerika segelte, anlässlich des 200-jährigen Bestehens seines Unternehmens im Goldschmiedeatelier hergestellt. Die Pläne stammten vom Sammler und Museumsstifter Peter Tamm, der das Modell später erwarb.

Schaurig-schöne Knochenschiffe

Für viele Museumsbesucher sind aber die Knochenschiffe der eigentliche Höhepunkt der Schatzkammer. Eine Inszenierung mit dem maßstabsgetreuen teilweisen Nachbau des Zwischendecks eines britischen Kriegsgefangenenschiffes zeigt, unter welch erbärmlichen Bedingungen die gefangenen französischen Soldaten diese filigranen und unglaublich detailreichen Kunstwerke geschaffen haben. Weltweit sind nur etwa 300 „Prisoner of war models“ erhalten geblieben, in Hamburgs maritimer Schatzkammer kann man insgesamt 32 dieser Kunstwerke betrachten. Schaurig-schön.

Adresse: Internationales Maritimes Museum Hamburg, Kaispeicher B, Koreastraße 1, 20457 Hamburg, Tel. 040 / 30 09 23 00, www.internationales-maritimes-museum.de

Nahverkehr: U 1, Haltestelle Messberg