Im Frühjahr verwandeln 13 Millionen Obstbäume die Region zwischen vor Hamburg in ein Blütenmeer. Das Alte Land ist aber auch sonst einen Besuch wert

Gerade wenn die Obstblüte diese fruchtbare Landschaft an der Elbe in ein rosa-weißes Gewand taucht und deshalb besonders viele Besucher kommen, haben die zahlreichen Hofläden hier sehr gut zu tun, dann wird jede Hand gebraucht. Und insgeheim sind die Altländer natürlich stolz darauf, dass sie dort wohnen, wo andere Urlaub machen wollen.

Doch Begeisterung öffentlich zeigen, schwärmen und prahlen von der eigenen Heimat – das würde kaum einer von ihnen. Das passt nicht in das eher ruhige, jedoch auch geschäftstüchtige Naturell dieses Menschenschlags, der von den holländischen Kolonisten abstammt, die im 12. Jahrhundert im Auftrag des Bremer Bischofs mit unglaublich harter Arbeit und Mühe begonnen hatten, das Land am wilden Strom urbar zu machen. Die Freude über die eigene Scholle zeigt sich eher in vielen anderen Dingen: den gepflegten Vorgärten etwa, den prächtigen Fachwerkhäusern und bis heute bestens in Farbe gehaltenen Prachttoren an den Hofeingängen.

Und Altländer schlüpfen selbst gern und oft in die Rolle eines Besuchers. Für sie ist es dann nicht Naherholung, sondern Dicht-bei-Erholung, wenn man so will. Mit Fahrrad und den Kindern mal eben an die Elbe fahren, um Seeluft zu schnuppern. Oder gemütlich über die ruhigen Wirtschaftswege mitten in den Obstplantagen radeln – das gehört zu den schönsten Ausflügen vom Alltag.

Entdeckungstouren vor Hamburg auf dem Fahrrad

Überhaupt ist das Fahrrad das beste Verkehrsmittel, um das Alte Land zu erkunden. Nach der Anreise per S-Bahn oder noch besser per Schiff lassen sich so etliche Touren unternehmen. Die Hamburger Hadag-Fähren fahren von den Landungsbrücken im Linienverkehr nach Finkenwerder, wo sich praktisch das Tor zum Alten Land befindet. Am Wasser noch von der Fischerdorftradition und von Industrie geprägt, ist der südliche Gemeindeteil, die „Lüneburger Seite“, wie es auf Finkenwerder heißt, noch immer dem Obstbau vorbehalten. Auch von Blankenese fährt im Sommer stündlich ein Schiff über die Elbe nach Cranz ins Alte Land. Und von Wedel-Schulau an der Hamburger Landesgrenze schippert eine Fähre zum Lühe-Anleger nach Grünendeich ins Herz dieser Obstbaulandschaft. An Wochenenden im Sommer fährt zudem zweimal am Tag auch die Hadag den Lühe-Anleger an. Abfahrt von den Landungsbrücken, Brücke 2, ist um 10 Uhr und um 14.30 Uhr. Zurück geht es um 12.45 und 17.30 Uhr. Schöner sind Elbe und Altes Land kaum zu verbinden. Kombinieren lässt sich so eine Tour auch mit einer S-Bahn-Fahrt, sei es am Anfang oder zum Abschluss: Die S 3 hält beispielsweise in recht kurzer Frequenz in Buxtehude, der kleinen Märchenstadt im Süden Hamburgs, die ebenfalls eine Art Tor zum Alten Land darstellt. Solche Kombi-Touren sind gut an einem Tag zu schaffen: Nur etwa 30 Kilometer lang und zehn Kilometer breit ist das Gebiet zwischen Stade, Twielenfleth, Buxtehude und Finkenwerder.

Höhepunkte entlang der Lühe

Die drei Elbzuflüsse Schwinge, Lühe und Este teilen es in drei „Meilen“, von denen die ersten beiden zu Niedersachsen gehören, die „dritte Meile“ von Cranz bis Francop aber schon Hamburger Stadtgebiet ist. Nach Schätzungen wachsen auf dem gesamten Areal etwa 13 Millionen Obstbäume, zum überwiegenden Teil Apfelbäume. Zumeist sind es heute erntefreundliche, gerade einmal mannshohe Spindelgewächse. Bei einem sehr guten Ertrag werden so rund 300 000 Tonnen Äpfel gepflückt. Etwa ein Drittel verkaufen die Betriebe sofort. Der größte Teil kommt ins Kühllager. Großhändler können so das ganze Jahr über beliefert werden.

Der Obstbau ist nicht nur wirtschaftliche Grundlage hier, er sorgt zugleich auch für die Fahrradfreundlichkeit des Altes Landes. Viele Wirtschaftswege, die sogenannten Minnerwege, führen durch die Plantagen. Ideal, um ungestört vom Autoverkehr durch die flache Landschaft radeln zu können. Natürlich bietet dieses Netz etliche Kombinationen, doch einige Höhepunkte sollte man nicht vergessen oder für den nächsten Ausflug anpeilen: Altes Land pur lässt sich beispielsweise auf dem Deich entlang der Lühe erleben, ein kurzer Spaziergang vom Lühe-Fähranleger aus ist dort möglich, genauso wie geruhsames Radeln. Der Pflasterweg auf dem Deich bietet traumhafte Einblicke in diese pittoreske Kulturlandschaft mit ihrer romantischen Fachwerkarchitektur und den schnieken Obstgärten. Ein ebenso romantischer Weg führt in Cranz an der Estemündung auf dem Estedeich entlang, dort laden Kaffeegärten unter Obstbäumen zu schönen Pausen ein. Ein unbedingtes Muss ist auch der Ort Jork, die heimliche „Hauptstadt“ des Alten Landes. Viele kleine Cafés gibt es dort, das Museum für das Alte Land und auch die Touristeninformation (nahe der Hauptkreuzung mitten im Ort).

Schönheit rund um Neuenschleuse

Und wer diese Landschaft in ihrer ganzen Pracht und Größe erfahren möchte, sollte zum Yachthafen nach Neuenschleuse fahren, sein Rad hoch auf den Deich schieben: Die Elbe macht dort einen sanften Bogen, die vorgelagerten Inseln Hanskalbsand und Schweinesand schützen vor den großen Seeschiffen, sodass dort ein geschütztes Wassersportrevier entstanden ist. Unten am Ufer verstecken sich zwischen Schilfzonen kleine Sandstrände. Doch Vorsicht: Manchmal schwappen die gefährlichen Dampferwellen auch bis dorthin, Kinder sollten daher nie allein direkt am Ufer spielen oder gar im Fluss baden!

Auf der anderen Deichseite schweift der Blick dann über die weite flache Landschaft der Obstplantagen, aus denen wie kleine Nadeln die Kirchtürme der Dörfer herausragen. Am Horizont im Süden begrenzt ein höherer Geestrücken das Gebiet. Schön lässt sich hier entdecken, was gemeint ist, wenn Geografen vom Urstromtal der Elbe sprechen, in dem während der Eiszeiten das abgeschmolzene Gletscherwasser abgeflossen ist. Später entstand daraus eine Marschenlandschaft, deren fruchtbare Böden die Grundlage für das heutige Obstparadies sind. Und damit auch für das Blütenmeer und die vielen Touristen, die hin und wieder manchen Altländer auf Fluchtgedanken bringen können. Aber eben nur auf den Gedanken. Für eine wahre Flucht ist es dann doch viel zu schön im Alten Land.

Anfahrt

Mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Der Metronom fährt nahezu stündlich von Hamburg-Hauptbahnhof nach Stade. Fahrtzeit: ca. 48 Minuten. Schnell geht es auch mit der S 3. Sie hält u. a. in Buxtehude, Dollern und Horneburg. Fahrtzeit: ca. 1 Stunde.

Mit dem Schiff: Hadag Niederelbe www.hadag.de

Mit dem Auto: Wenn man nicht mit den Pendlerströmen fahren muss, ist die Anfahrt durch den Elbtunnel und über die A 7 schnell: An der Abfahrt Waltershof runter, Richtung Finkenwerder – und schon ist man am östlichen Ende des Alten Landes.

Weitere informationen: Tourist-Info Altes Land, Osterjork 10, 21635 Jork, Tel. 04162 / 91 47 55, www.mein-altes-land.de

Tourismusverband Landkreis Stade / Elbe e.V., Kirchenstieg 30, 21720 Grünendeich, Tel. 04142 / 81 20 76 bzw. 81 38 38, www.urlaubsregion-altesland.de