Hafencity. Mit seinem Restaurant The Table hält sich der 43-jährige Fehling seit 2015 in der Sterneküche. Doch er will mehr.

„Ich bin überzeugt, dass er in Hamburg großen Erfolg haben wird.“ Mit seiner Prophezeiung lag Eckart Witzigmann richtig. Der Altmeister der deutschen Spitzenköche war im Sommer 2015 zu Gast in der HafenCity. Dort eröffnete Kevin Fehling am 1. August sein Restaurant The Table. Fünf Jahre später ist er immer noch der einzige Dreisternekoch in der Hansestadt, das Lokal auf Monate im Voraus ausgebucht und Fehling ein Garant für Einfallsreichtum und Aromen-Explosion auf dem Teller.

Der Guide Michelin zeichnete The Table im September 2015 sofort mit drei Sternen aus – das hatte es vorher noch nicht gegeben. „Ich liebe den Hokuspokus der Sterneküche“, sagt Fehling.

Fehling war auch Küchenchef auf der MS "Europa"

Zuvor lernte er von der Pike auf im heimatlichen Delmenhorst, arbeitete in Bremen, Hamburg und Lübeck, war Küchenchef auf der MS „Europa“, tat Dienst bei Dreisternekoch Harald Wohlfahrt im Schwarzwald. Vor dem Umzug nach Hamburg stand er zehn Jahre lang als Angestellter in einem Hotel in Travemünde am Herd und erkochte sich in fünf Jahren drei Michelin-Sterne. Eine sportliche Leistung, wie ihm viele Kollegen bescheinigen.

„Es war von Anfang an mein Ziel, mich irgendwann selbstständig zu machen“, erzählt der 43-Jährige. An der Ostsee gab es kein Weiterkommen mehr, also lockten Räumlichkeiten in der HafenCity. Der Koch wagte den Schritt ohne die Unterstützung eines Investors. „Ich hatte gespart und bin bis heute mein eigener Geldgeber.“

Der geschwungene Tisch ist das Zen­trum des Restaurants.
Der geschwungene Tisch ist das Zen­trum des Restaurants. © Andreas Laible | Andreas Laible

Herzstück des Lokals mit hohen Decken, Betonwänden und cremefarbenen Vorhängen vor bodentiefen Fenstern ist nach wie vor ein einziger schlangenförmiger, thekenartiger Tisch aus dunklem Kirschholz. Daran können 22 Gäste Platz nehmen. Wegen der Corona-Bedingungen stehen derzeit vier Stühle weniger zur Verfügung.

Feinschmecker können dem Geschehen in der Küche zusehen

Durch die geschwungene Tisch-Form sind variable Einteilungen in unterschiedlich große Sitzgruppen möglich. Vom Tisch aus können die Feinschmecker dem Geschehen in der Küche zusehen, der „Choreografie der Pinzetten“, wie der Chef das Anrichten der Speisen nennt.

Sommelier und Restaurantleiter David Eitel arbeitet seit 15 Jahren mit Fehling zusammen. „Wir sind schon wie ein altes Ehepaar“, sagen beide. Eitel ist für den Service und die Weinempfehlungen zuständig. Den Ablauf des Abends gestalten der Chef und sein Team so, dass die Gäste um 19 oder um 20 Uhr erscheinen. Die Freunde exzellenter Küchenleistungen sollen sich wie zu Hause fühlen. „Wir wollen eine warme, leichte und freundliche Atmosphäre schaffen“, sagt Fehling.

Fehling: "Der Luxus findet auf dem Teller statt"

Das Geschirr kommt aus Spanien, die Gläser aus dem Bayerischen Wald. Das Besteck aus Kupfer läuft nicht an und passt zum Kirschholz des Tisches. Kronleuchter, Tischdecken oder üppigen Wandschmuck gibt es nicht. „Der Luxus findet auf dem Teller statt“, sagt der Koch.

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Zum Beispiel Carpaccio vom Hamachi mit Kaviar und Nussbutter, Challans Entenbrust mit Kürbis und Shiso, Passionsfrucht-Hollandaise und Curryjus oder Gurkensalat mit weißer Schokolade und Buttermilch. Zum aktuellen Menü „Das Tor zur Welt“ für 230 Euro gehören 14 kleine und große Gerichte, die passende Weinreise kostet 115 Euro. Alle zwei bis drei Monate ändert sich die Karte.

„Meine Küche ist kreativ und weltoffen“, sagt der Chef. Regelmäßig überlegt er sich zusammen mit seinem zehnköpfigen Team neue Rezepte, Kombinationen, Texturen. Während der coronabedingten Schließung hatten Fehling und seine Mitstreiter, von denen die meisten schon seit Beginn im The Table arbeiten, viel Zeit dafür. Und der Koch erkannte einmal mehr: „Mein Ziel ist es, kopiert zu werden, nicht zu kopieren. Ich möchte mit meinem Konzept internationale Maßstäbe setzen.“

Michelin-Sterne fünfmal in Folge verteidigt

Das ist dem Gastronomen gelungen. Feinschmecker aus Dubai, New York oder Hongkong sind an seinem Tisch schon Stammgäste. Wenn auch gerade wegen der Reisebeschränkungen mehr deutsch- als englischsprachige Genuss-Liebhaber reservieren. Und auch die erfolgreiche Verteidigung der Michelin-Sterne fünfmal in Folge spricht für sich.

Im März lobte der Gourmet-Führer: „Geradezu fesselnd zu beobachten, wie hier ein perfekt organisiertes Team höchst konzentriert und mit völliger Hingabe vor Ihren Augen ein kreatives Menü zubereitet, dessen Komplexität, Ideenreichtum und außergewöhnliche Kombinationen vom ersten bis zum letzten Bissen faszinieren.“

Der Erfolg macht den Betrieb auch attraktiv für manche Lieferanten. „Wir bekommen seltene japanische Essigsorten oder Algen“, so Fehling, „und sind dann die Test-Nutzer.“ So auch für einen hellroten Fisch namens Kinmedai. Die japanische Ware mit den großen Augen ist im Winter am besten, kostet rund 70 Euro pro Kilogramm und fällt in die Kategorie hochwertige Sashimi-Qualität.

Auftritte in TV-Studios findet er reizlos

Wöchentlich bekommt der Koch Angebote, seinen Namen für besondere Suppen, ausgefallene Würzmischungen oder hochwertige Küchenutensilien herzugeben. Oder in einem TV-Studio am Herd zu stehen. Aber das reizt Fehling nicht. „Ich konzentriere mich auf mein Unternehmen.“

Wie hat der Sternekoch die Hamburger Gastro-Szene, die auch für den Tourismus immer wichtiger geworden ist, beeinflusst und verändert? „Wir haben eine neue Kreativität nach Hamburg gebracht“, sagt Fehling. „Unsere Produkte sind weltoffen, unser Publikum ist international. Und Sterneküche kann ruhig ein bisschen locker sein.“

Eigentlich sollte der Geburtstag mit einem besonderen Menü und einer genussvollen Feier begangen werden. Aber wegen Corona wird nur im kleinen Kreis der Mitarbeiter mit Champagner angestoßen.

Spitzenkoch Fehling: "Nachlassen gibt es nicht"

Gerade hat das amerikanische Rating System OAD das Lokal auf Platz 63 der besten Restaurants in Europa gewählt. Und der kulinarische Reiseführer Gusto hat erneut die Höchstbewertung von zehn Pfannen verteilt. Was also kommt jetzt noch für den Mann aus Delmenhorst, der seinen Vornamen nach dem früheren HSV-Star Kevin Keegan bekam? „Auf keinen Fall mehr Kinder“, sagt Fehling und lacht. Um die beiden Töchter und den Sohn kümmert sich Ehefrau Anna zu Hause am östlichen Stadtrand. Außerdem betreut sie aus dem Homeoffice die Social-Media-Aktivitäten des Restaurants.

Zum Engagement für sein Unternehmen sagt Fehling: „Nachlassen gibt es nicht.“ Man müsse wirtschaftlich erfolgreich sein und immer wieder beweisen, dass man drei Sterne auch in der Selbstständigkeit bewahren könne. „Das ist meine persönliche Leidenschaft.“ Es habe ja Stimmen gegeben, die ihm nicht einmal sechs Monate in Eigenregie zugetraut hätten, so Fehling. „Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass wir auch in zehn Jahren noch da sind.“