Altstadt. Wenn andere längst geschlossen haben, gibt es im Heldenplatz noch Küche für Feinschmecker.

Den Namen verbindet man mit Wien. Am Heldenplatz in der österreichischen Hauptstadt verkündete Adolf Hitler 1938 den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Thomas Bernhard schrieb ein gleichnamiges Theaterstück, das dieses Ereignis thematisiert. Die Uraufführung 1988 am Wiener Burgtheater sorgte für einen der größten Theaterskandale in der Alpenrepublik. Und nun auch noch ein Restaurant dieses Namens in Hamburg.

So läuft die Auswahl

„Eine politische Bedeutung steht bei uns nicht im Vordergrund“, sagt Julia Stevens, die den Betrieb an der Elbe zusammen mit zwei Partnern führt. „Wir haben andere Helden.“ Und die hängen als große, bunte, plakativ gemalte Bilder der Künstler Anja Es und Rolf Ohst an der Wand: ein Rettungsschwimmer, ein Feuerwehrmann, ein Rettungshund, der Flugkapitän Chesley „Sully“ Sullenberger (alle 155 Passagiere überlebten im Januar 2009 die Notwasserung von US-Airways-Flug 1549 auf dem Hudson in New York), die Gorilla-Forscherin Dian Fossey, der Whistleblower Edward Snowden.

Zweierlei vom
Kalb aus dem
Schmortopf: Backe
und Bries mit Trüffeln,
Karotte, Majoran
und Buchenpilzen
Zweierlei vom Kalb aus dem Schmortopf: Backe und Bries mit Trüffeln, Karotte, Majoran und Buchenpilzen © HA | Andreas Laible

Gastronomische Helden sind wohl auch Stevens, Küchenchef Markus Hampp und Sommelier André Jean-Mari Nini. Denn bei ihnen gibt es gutes Essen und guten Wein unter dem Motto „Casual fine Dining“ von Mittwoch bis Sonntag, und das bis zwei Uhr früh. Das Angebot richtet sich an Nachtschwärmer, Kulturgenießer in Theatern und der Elbphilharmonie sowie nicht zuletzt auch an Kollegen aus der Gastronomie, die hier zum Feierabend noch einkehren können. Auf dem Restaurant-Signet hält eine Hand Gabel und Korkenzieher, darüber leuchten die Sterne.

„Wir sind Nachteulen und haben selbst so ein Angebot sehr vermisst, als wir noch in anderen Restaurants gearbeitet haben“, sagt Markus Hampp. Der 30-Jährige aus dem Allgäu hat früher im Restaurant Die Bank gekocht. Seine Freundin Julia Stevens (33) aus dem Emsland und der Franzose André Nini (59) kennen sich aus dem Jacob an der Elbchaussee.

Den Traum der Selbstständigkeit hatten Hampp und Stevens schon länger. 18 Monate suchten sie nach einem geeigneten Ort, holten Nini mit ins Boot. Und am 13. Januar 2016 eröffneten sie ihren Heldenplatz für 55 Gäste. Die sind bunt gemischt und jeden Alters: Geschäftsleute, Kulturliebhaber, Touristen, Hamburger. „Wir wollen die Menschen, die kommen, zufriedenstellen“, sagt André Nini. „Jeder soll hier nach einem schönen Abend glücklich rausgehen.“

Alle 65 Weine werden auch offen ausgeschenkt

Das lang gestreckte Lokal mit großen Fenstern zur Straße ist schlicht und modern eingerichtet. Graue Wände und die Bilder, Säulen, Wandlampen sowie das dunkle Holzparkett unterstreichen diesen Eindruck. Die Polster der bequemen Stühle und Bänke entlang den Wänden schimmern bräunlich-lila-weinrot, die Tische sind aus Holz und können zur großen Tafel arrangiert werden. Sie sind eingedeckt mit Besteck, Gläsern, Stoffservietten und einem Brotteller. Salz wird in kleinen weißen Porzellan-Seeigeln serviert. An der Bar vor einer fulminanten Gläserwand kann man auch nur einen Drink nehmen und das geschäftige Treiben beobachten.

André
Jean-Marie
Nini,
Markus Hampp und
Julia Stevens führen
gemeinsam das
Restaurant Heldenplatz
André Jean-Marie Nini, Markus Hampp und Julia Stevens führen gemeinsam das Restaurant Heldenplatz © HA | Andreas Laible

Sechs Personen inklusive der drei Chefs kümmern sich um Küche und Service. „Wir machen zeitgemäße, gehobene, saisonale Küche mit französisch-asiatischen-cross-over-Akzenten“, sagt Markus Hampp. „Die Karte bietet all das, was wir selbst gern bestellen.“ So werden die sonst eher in der Sterne-Gastronomie angebotene Étouffée-Taube (die Tiere werden erdrosselt, nicht geschlachtet, das Blut verbleibt im Muskelgewebe) und Kartoffel-Lauch-Suppe zubereitet, diese aber mit Trüffelspänen verfeinert.

Entenleber und Austern stehen immer auf der übersichtlichen Karte, ansonsten werden Gerichte alle sechs bis acht Wochen ausgewechselt. Gerade gibt es als Vorspeise die rote Wildgarnele mit Reis, Mango, Forellenkaviar, Kimchi (fermentiertem Chinakohl), Kapuzinerkresse und schwarzem Knoblauch. Der ist fermentiert, schmeckt lakritzig-süß, ein bisschen wie Pflaumenmus, und hat so gar nichts mit den aufdringlichen Zehen aus der Knolle zu tun. Die Garnelen aus Argentinien sind zart und haben einen feinen Geschmack, der sehr gut mit den anderen Komponenten auf dem Teller harmoniert. Und das Auge erfreut sich auch an dieser Kombination.

Mein Lieblingsrezept

Wunderbar mürbe ist die lange und sanft geschmorte Kalbsbacke, begleitet von Kalbsbries, Karotte als Püree und in Stiften, Buchenpilzen und einer intensiv und rund schmeckenden Jus. Man merkt Markus Hampps Vorliebe für Schmorgerichte und seine Mühe, Fonds, Reduktionen und Jus selbst zu kochen. Die Zutaten liefern Hamburger Firmen und der international tätige Großhändler Rungis Express, beim Lamm schwört die Küche auf bayerische Produkte.

In Sachen Wein kommt Monsieur Nini ins Spiel. 65 Tropfen aus Deutschland und Europa hat er auf der Karte. Und alle werden offen ausgeschenkt, was nicht häufig ist in der Hamburger Gastronomie. „Ich gehe auf die Wünsche der Gäste ein und freue mich, wenn sie verschiedene Weine probieren möchten“, sagt der Franzose, der schon qua seiner Herkunft ein Freund der Reben ist. Zum Menü gibt es eine passende Weinbegleitung, die Kategorien sind nicht in Rot- oder Weißweine eingeteilt, sondern in Zustände: Spaß, Genießen, Nachdenken, Schweben. Die Preise beginnen bei sieben Euro für 0,2 Liter und 21 Euro für eine Flasche.

Um 22 Uhr ankommen und noch fürstlich speisen – das geht im Heldenplatz. Denn jeder, der dort isst, arbeitet oder an der Wand hängt, ist ein außergewöhnlicher Mensch. Eben ein Held.

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Heldenplatz Brandstwiete 46, Tel. 30 37 22 50

www.heldenplatz-restaurant.de

HVV mit der U 1 bis Meßberg, Buslinien 4 und 6 bis Haltestelle Brandstwiete, Parken in der Umgebung

Vorspeisen ab 3,80 Euro, Hauptgerichte ab 27,50 Euro, Desserts ab 9 Euro, Vier-Gänge-Menü 53 Euro.