Ottensen. In der Brasserie La Provence geht der erste Drink aufs Haus. Die Gastronomen überzeugen mit ihrem in jeder Hinsicht guten Geschmack.

Es gibt diese Lokale, in denen fühlt man sich sofort zu Hause, auch wenn man sie noch nie zuvor betreten hat. Dies beginnt schon bei der Begrüßung. Bei einem schönen Abend zu zweit nervt kumpelhaftes Duzen („Sucht euch doch einen schönen Tisch aus“) ebenso wie bürokratisches Gewese („Lassen Sie mich erst mal schauen, welchen Tisch wir für Sie reserviert haben“). Im La Provence in Ottensen geleitet ein lässiger Patron die Gäste sofort zum Tisch am Fenster, fragt dann nur, ob man den Aperitif nun mit oder ohne Alkohol trinken möchte: Der erste Drink gehe natürlich aufs Haus, als kleines Dankeschön für die Reservierung.

So kann ein feiner Abend zu zweit beginnen. Die lieben Kleinen daheim sind gut versorgt, denn, seien wir ehrlich, die ewige Pommes-Pizza-Cola-Diskussion möchte man bei Chansonklängen und unter alten Romy-Schneider-Filmplakaten dann doch nicht führen. Die Kellnerin bringt duftendes Brot und Olivenöl, entkorkt den feinen fruchtigen Hauswein, mit 20 Euro überraschend fair kalkuliert.

Salat mit Ziegenkäse? Dank Balsamico und Portwein unverschämt lecker

Die Speisekarte ist genauso wie sie in einer guten Brasserie sein muss: klein, aber fein. Die Wahl bleibt dennoch schwer – schon bei der Vorspeise. Garnelen-Flan in Felsenfisch-Suppe? Oder doch lieber Entenleber-Parfait? Wir entscheiden uns schließlich für den Salat mit gebackenem Ziegenkäse, dank Balsamico und Portwein unverschämt lecker, sowie für einem köstlichen Eierkuchen mit Zuchini und geröstetem Speck.

Spätestens jetzt wird klar, dass die Reservierung nicht nur wegen des damit verbundenen kostenlosen Aperitifs eine sehr gute Idee war. Im Minutenktakt flankiert der Patron neue Gäste zu den Tischen. Aber es kommt nicht mal für einen Moment so etwas wie Hektik auf. Das Lokal wird ohnehin mit jedem Schluck Wein noch schöner. Es gibt ja Gastronomen, die hoch bezahlte Innen­architekten engagieren, damit ihr Restaurant so richtig szenemäßig wirkt. Stephan Hippe und sein Partner Boris Krivec ersteigerten dagegen die Kirchenbank bei Ebay, bauten die Lampen selbst und klebten große Spiegel an die Wände. Nun kann der Gedanke, dass man sich und andere auf einer Glasfläche ständig sieht, durchaus Beklemmungen auslösen, man denke nur an die oft so schrecklichen Spiegel in mit Neonlicht bestrahlten Umkleidekabinen. Ganz anders im La Provence, wo sie den Gastraum noch intimer wirken lassen.

Die Brasserie eröffnete 2005

Keine Frage, Hippe und Krivec haben nicht nur am Herd einen verdammt guten Geschmack. Beide hatten unterschiedliche Berufswege, bevor sie 2005 ihre Brasserie eröffneten. Hippe war 20 Jahre als Schauspieler und Sänger unterwegs, auch in der „Rocky Horror Picture Show“. Kochen lernte er bei Nicolas Polverino, dem Sohn von Picassos Haushälterin, in dessen Restaurant in Mougin, einem Dorf in der Provence. Boris Krivec, promovierter Jurist, führte eine Kanzlei. Irgendwann war der Spagat zwischen Paragraphen und Parfait nicht mehr zu schaffen, der Rechtsanwalt wechselte ganz in das Restaurant.

Auch im elften Jahr hat sich an der Leidenschaft des Duos für gute Zutaten nichts geändert. Das knusprige Forellenfilet mit Spargelrisotto und frischen Pfifferlingen ist ebenso lecker wie die Portion Lammwürstchen (Merguez) mit Pommes Frites und Salat, einem Klassiker der Bistroküche. Im Prinzip könnte man dazu noch die zweite Flasche Wein ordern, was wir aber am nächsten Tag bereuen würden. Zudem ist unser für 18 Uhr gebuchter Tisch nur bis 20:30 Uhr reserviert. Im La Provence wird in zwei Schichten serviert – Ausnahmen sollte man bei der Reservierung abstimmen.

Da die Uhr schon Richtung 20 Uhr geht, bestellen wir statt des Weins die Schokoladen-Variationen zum Teilen. Der Inhalt der Schälchen dürfte den Kalorienbedarf eines Holzfällers decken, aber bitte, wir wollen doch an einem solch schönen Abend nicht kleinlich werden. Übrigens: Bis zur Sommerpause bittet die Brasserie noch montags zu einem Menü der ganz besonderen Art. Serviert werden Klassiker aus der jungen Geschichte des Restaurants. Vorspeisen kosten 9 Euro, Hauptgänge 18 Euro, Desserts 8 Euro. Nicht die schlechteste Idee, um sich auf den Sommerurlaub einzustimmen.

Brasserie La Provence