Altstadt. Alles hat Tradition im Alt Hamburger Aalspeicher an der Deichstraße – vom historischen Gebäude bis zu den Gerichten und Gebräuchen.

Wer die Deichstraße aus Richtung des Hamburger Hafens betritt, kommt in eine andere Welt. Kopfsteinpflaster und mehrgeschossige Fachwerkhäuser mit barocker Front sorgen für das Flair der guten alten Zeit. So sah Hamburg bis 1842 in weiten Teilen der Innenstadt aus. Aber dann kam im Mai der Große Brand. Der Zweite Weltkrieg schlug weitere Wunden, später sollten die alten Häuser neuen Verkehrsprojekten weichen. Doch 1972 stoppte ein Volksentscheid den Abriss der Bauten, und mithilfe der Spendenaktion „Rettet die Deichstraße“ konnten sie außerdem restauriert werden. Ein altes Stück Hamburg residiert auch in der Nummer 43 und trägt die Geschichte im Namen: der Alt Hamburger Aalspeicher.

Das denkmalgeschützte Haus von 1692 mit der grünen Fassade und den weißen Sprossenfenstern ist die Heimat von Marion Eismann. „Ich habe fast mein ganzes Leben in der Gastronomie verbracht“, sagt die Inhaberin. „Mit 14 bin ich bei meinem Vater in die Lehre gegangen in seiner Wirtschaft Hufeisen in der Großen Bäckerstraße gegenüber von Cöllns Austernstuben.“ In der Nachbarschaft arbeitete Dieter Eismann in einem Lokal. Man fand Gefallen an­einander, heiratete und tat sich gastronomisch zusammen. „1976/77 kam dann das Angebot der Holsten-Brauerei, in diesem Haus in der Deichstraße ein Lokal zu eröffnen. Und seitdem bin ich hier“, sagt die heute 66-Jährige.

1990 kaufte die Familie das Haus von der Stadt

Eine Schmiede zog aus dem Gebäude aus, das Restaurant ein. 13 Meter ist das Haus zwischen Straße und Nikolaifleet lang, nur vier Meter breit. 1990 kaufte Familie Eismann das Haus von der Stadt Hamburg. Und auch als Ehemann Dieter vor zwölf Jahren starb, gab die Chefin nicht auf, kümmerte sich um die damals noch schulpflichtigen Kinder Katarina und Christian, heute 27 und 26 Jahre alt, hielt das Haus in Schuss und kochte für Gäste. „Gastronomie ist mein Leben, und wir sind das älteste Restaurant hier in der Straße“, befindet Marion Eismann knapp.

Klassisches Winteressen: Entenkeule mit Rotkohl und Kartoffelklößen
Klassisches Winteressen: Entenkeule mit Rotkohl und Kartoffelklößen © Andreas Laible | Andreas Laible

Ihre Küche liegt im ersten Stock, die Treppe hinauf ist schmal. Einen Speiseaufzug durfte die Betreiberfamilie wegen des Denkmalschutzes und möglicher Feuergefahr nicht einbauen. Also kommen Gloschen, silberne Wärmeglocken, über die Teller, damit das Essen bis zum Servieren nicht kalt wird.

„Wir machen hanseatische Traditionsküche“, sagt Restaurantleiter Marcus Boese. Seit 17 Jahren ist er im Haus, stammt aus Essen und hat lange in Thailand gearbeitet. „Aber asiatische Gerichte finden Sie nicht auf unserer Karte“, sagt der 52-Jährige, der sowohl Koch als auch Kellner gelernt hat.

Der Aal wird aus der Hand gegessen

Wohl aber Seezunge, Scholle, Matjes, Labskaus und Heringe. Und natürlich Aal, wie der Name des Lokals schon verspricht. Eine Spezialität ist der frisch geräucherte Fisch aus Bad Zwischenahn bei Oldenburg. „Die Fische liegen in einem Korb und werden am Tisch präsentiert“, erklärt Boese. „Der Gast sucht sich einen Aal aus, zieht die Haut vorsichtig ab und isst ihn aus der Hand. Danach waschen wir dem Gast die Hände am Tisch mit Kornbrand.“ Dazu gibt es Schwarzbrot und Hochprozentiges auch für die Kehle. Denn nachspülen sollte man mit einem Schlehengeist aus dem Zinnlöffel und dazu den entsprechenden Trinkspruch bringen. Der steht praktischerweise auf einem gelben Papierset als genaue Handlungsanweisung.

Der Aalkorb wird an den Tisch gebracht, dazu Schwarzbrot und zum Nachspülen etwas Hochprozentiges.
Der Aalkorb wird an den Tisch gebracht, dazu Schwarzbrot und zum Nachspülen etwas Hochprozentiges. © Andreas Laible

Saisonal ist gerade gebratener Aal mit Rosinensauce im Angebot. Der Fisch ist zart und würzig, die liebliche Tunke dazu eine interessante Kombination und mit den süßen und salzigen Komponenten sehr norddeutsch. Dazu gibt es mit Pflaumenmus verfeinerten Apfelrotkohl oder deftigen Grünkohl sowie Petersilienkartoffeln oder Klöße.

Es gibt auch Ente, Rouladen und Bauernfrühstück

Jahreszeitlich bedingt stehen aktuell Enten- und Gänsekeule auf der Karte. Das Geflügelfleisch ist zart und fällt mürbe vom Knochen, die Haut ist knusprig gebraten. „Birnen, Bohnen und Speck sind gerade vorbei“, sagt Marion Eismann, die ihren Gästen auch gern mal Rinds- oder Kohlrouladen, Bauernfrühstück oder das typische Hamburger Gericht Rundstück warm zum Mittagstisch serviert.

Sechs Kräfte kümmern sich in Küche und Service um die Besucher. Dabei ist auch Tochter Katarina, die den Betrieb wohl mal übernehmen wird. Gut 80 Plätze haben das Restaurant und der überdachte Wintergarten. Der lang gestreckte Gastraum ist in Grün und Braun gehalten, hinten fällt der Blick auf das Fleet und den wechselnden Wasserstand, am rustikalen Holztresen wird gezapft. Viele Bilder von Schiffen und Hafenszenen unterstreichen das maritime Ambiente. Im ersten Stock gibt es mit der Aalstube einen separaten Raum für 30 Personen mit Blick aufs Wasser.

In den Weinschränken lagern Raritäten

Ins Auge fallen auch die beiden Weinschränke, in denen Raritäten aufbewahrt werden. „Wir haben besondere Rotweine“, sagt Marcus Boese, „zum Beispiel einen 45er Château Lafite.“ Der koste dann aber auch fünfstellig. 120 Positionen umfasst die Weinkarte, die günstigste Flasche kostet 21,50 Euro, die Preise für offene Weine beginnen bei 5,50 Euro für 0,2 Liter.

Natürlich besuchen viele Touristen den Alt Hamburger Aalspeicher, aber auch Einheimische essen dort gern Traditionsgerichte. „Wir haben viele Stammgäste, ein Herr kommt regelmäßig seit 30 Jahren zu uns“, erzählt die Chefin. Auch Heiligabend und Silvester hatte das Restaurant geöffnet und servierte à la carte. „Der Betrieb und die Gäste sind mein Zuhause“, sagt Marion Eismann. „Und das gilt auch an Feiertagen.“

Alt Hamburger Aalspeicher Deichstraße 43

www.aalspeicher.de