Barmbek-Süd. Im Restaurant Spajz kocht man auch nach Großmutters Rezepten. Und an zwei Abenden pro Woche gibt es die passende Musik dazu.

Spajz sagen die Ungarn, auf Deutsch heißt es Speisekammer. Und es ist der Name für ein Restaurant in Barmbek-Süd. 18 Plätze gibt es nur, und damit ist die Speisestätte auch nicht viel größer als eine Vorratskammer, wie es sie früher gab – gut bestückt mit Würsten und Eiern, Schinken und Speck, eingelegtem Gemüse und Brot. Geschmack, Genuss, Gemütlichkeit.

Heimelig ist es in dem kleinen Lokal, das sich im Sommer auch noch sehr nach draußen ausbreitet. An Holztischen mit Blumen und Kerzen steht drinnen ein Stühle-Sammelsurium, für Licht sorgen moderne Glühbirnenlampen. In Makramee-Geflechten hängen Grünpflanzen im Fenster. Die Wände sind weiß und petrolfarben. Bilder verschiedener Künstler, die auch zu verkaufen sind, sorgen für Akzente. In einer Vitrine links vom Eingang wartet appetitlicher Kuchen auf die Gäste. Die offene Küche befindet sich hinter der Theke in einer schwarz gekachelten Ecke. Es dampft und brodelt und riecht gut.

Das Spajz ist das Reich von Nóra Horváth. „Meine Eltern sind Ungarn und in den 60er-Jahren nach Deutschland gekommen“, erzählt die Köchin. Sie wurde in Süddeutschland geboren und machte oft Ferien bei den Großmüttern im Nordosten Ungarns nahe der Grenze zur Ukraine. „Die waren Selbstversorger, hatten Tiere, Gemüse aus dem Garten, haben Wein gekeltert. Da habe ich Geschmack gelernt und von den Omas die Leidenschaft für Handwerk und gute Produkte geerbt.“ Aber kochen blieb vorerst ein Hobby, Horváth studierte Kultur- und Literaturwissenschaften in Berlin und Budapest, arbeitete als Journalistin in der deutschen Hauptstadt. „Und mit 30 habe ich überlegt, ob es das jetzt war.“

Geburtstag des Vaters brachte die Wende

Da passte es gut, dass ihr Vater seinen 60. Geburtstag in der Gutsküche am Hamburger Stadtrand feierte. „Das regionale und nachhaltige Konzept von Matthias Gfrörer hat mich begeistert“, sagt die heute 36-Jährige. „Ich habe erlebt, wie Gastronomie auch funktionieren kann, dass es eine zugängliche und handwerklich anspruchsvolle Art zu kochen gibt.“ Nach einem Praktikum begann sie dort eine Ausbildung, „eine wirklich richtige und gute Entscheidung“.

Eine süße Sünde und große Portion im Spajz: Palatschinken mit Quark, ­Nüssen und Vanillesauce.
Eine süße Sünde und große Portion im Spajz: Palatschinken mit Quark, ­Nüssen und Vanillesauce. © HA | Marcelo Hernandez

Und Nóra Horváth war von Anfang an klar, dass sie einen eigenen Betrieb führen wollte. Sie absolvierte noch Stationen im Vlet in der Speicherstadt sowie im „brutal regional“ orientierten Nobelhart & Schmutzig in der Berliner Friedrichstraße, bevor sie das Spajz im Juni 2016 eröffnete. „Die Location war leer und vorher ein Therapieraum, wir haben alles umgebaut.“ Und Nóra Horváth hat einen kurzen Arbeitsweg: Mit ihrer Ehefrau, einer Psychologin, und der gemeinsamen kleinen Tochter Marta wohnt sie gleich um die Ecke.

Nicht nur ungarische Küche

Woher kommen die Produkte, die im Spajz verarbeitet werden, haben sie gerade Saison? Diese Kriterien sind Nóra Horváth wichtig. Deshalb stammen die Espressobohnen von Elbgold, das Gemüse von Marker, die Milch vom Milchhof Reitbrook. Deshalb ist die Karte klein. Das Angebot für den Mittagstisch wechselt regelmäßig, an zwei Abenden gibt es warmes Essen, guten Wein und etwas lautere Musik. „Da wird es gesellig“, sagt die Chefin. „Dann sind wir ein Ort, an dem man sich wohlfühlen kann.“

Der Palatschinken mit verschiedenen Füllungen ist schon mal ein guter Anfang. Zarter Pfannkuchenteig ist gefüllt mit angeschwitztem Wirsing und sahnigem Pilzragout, das auch nach Pilzen schmeckt. Dazu noch ein knackiger Feldsalat, alles sehr gut. Wer es süß mag, nimmt den gebratenen Teig gefüllt mit Quark, Nüssen und Vanillesauce. Eine veritable Portion und lecker dazu. „Wir machen aber nicht nur ungarische Küche“, sagt Horváth. „Es gibt auch Knödel und Spätzle, Raclette und Gerichte mit Pulled Pork.“ Ebenfalls beliebt: Eintöpfe und vegetarische Speisen.

Echt ungarisch: das Dessert Zserbó.
Echt ungarisch: das Dessert Zserbó. © HA | Marcelo Hernandez

Unterstützung am Herd bekommt Nóra Horváth von Sanne Klein und Ali Ahmeed. Der junge Mann ist somalischer Flüchtling und möchte Koch werden. Und natürlich hilft die Familie. Nóras Vater übernimmt Kurier- und Lieferfahrten, die Großmütter schicken Rezepte für die besten Spätzle und den einzigartigen Mirabellenlikör. „Und meine Mutter ist verantwortlich für Zserbó.“ Dieses echt ungarische Dessert mit Walnüssen, Aprikosenmarmelade und Schokolade ist ein Kuchen und benannt nach dem berühmten Café Gerbeaud in Budapest. Eine süße Sünde und sehr schnell aufgegessen.

Die Gäste kommen aus der Nachbarschaft und aus ganz Hamburg ins Spajz. Für die Abende am Freitag und Sonnabend sind Reservierungen angeraten. „Ich fühle mich sehr wohl mit meinem Lokal, meinen Gästen, meiner Familie“, sagt Nóra Horváth und lacht. „Von Frühstück bis Bier“ ist das Motto der Speisekammer, ihrer Heimat: Geschmack, Genuss, Gemütlichkeit.