Sülldorf. In einer neuen Serie stellt Marlies Fischer die besten ausländischen Küchen in Hamburg vor. Erste Folge: das Tibet Restaurant.

Kultur und Tradition bewahren, und das fast 7000 Kilometer von der Heimat entfernt – das ist für die rund 100 Tibeter in Hamburg gar nicht so einfach. Ein Visum zu bekommen für einen Besuch in der autonomen Verwaltungseinheit der Volksrepublik China ist schwierig, die politischen Umstände sind es auch. Aber die Tibeter und alle, die sich Land und Leuten verbunden fühlen, haben einen Anlaufpunkt in Hamburg: das Tibet Restaurant der Familie Königsmark in Sülldorf.

Das Lokal im Westen Hamburgs existiert seit 14 Jahren, die Urzelle in Altona noch sechs Jahre länger. Tibetische Gerichte wie die gefüllten Teigtaschen Momo und tibetische Gebräuche wie Gebetsmühlen, Räucherstäbchen, an die Fenster geklebte Glückssymbole und Buddha-Statuen in verschiedenen Größen gehören hier dazu. „Ich war auch lange Vorsitzende des Tibetischen Zen­trums“, sagt Phurbu Königsmark. Sie heißt wie eine Glücksgöttin und ist die Chefin der Restaurants. Ihren Nachnamen hat sie eingedeutscht.

Klangschalen und Mandalas als Deko

Seit fast 30 Jahren lebt sie in Hamburg. Geboren in Lhasa, flohen ihre Eltern mit ihr als sechs Monate altem Baby nach Nepal. „Tibet habe ich nie wiedergesehen“, sagt die 54-Jährige. In Nepal machte sie eine kaufmännische Ausbildung und besuchte die Hotelfachschule. Mittlerweile hat sie auch einen deutschen Pass.

Beliebt bei den Gästen in Sülldorf ist Rindfleisch mit Sojasauce, Chili und Basilikum
Beliebt bei den Gästen in Sülldorf ist Rindfleisch mit Sojasauce, Chili und Basilikum © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

Etwa 80 Gäste haben Platz im Sülldorfer Restaurant, elf Kräfte in der Küche und im Service arbeiten für beide Betriebe. Ehemann Palden ist ebenso dabei wie Sohn Sonam. „Ich bin in Hamburg geboren“, sagt der 25-Jährige. „Aber in der Familie sprechen wir Tibetisch.“ Der Junior hat in Frankfurt Bankkaufmann gelernt und ein duales Studium mit Bachelor-Abschluss im Bereich Finanzdienstleistung absolviert. „Das kann ich hier auch alles einbringen.“

Im Sülldorfer Lokal gibt es viel zu sehen. Zum Beispiel die beiden handgemalten Mandalas unter der Decke, die Klangschale aus Nepal auf dem Tresen, die vielen Fotos von Tibet als Tischsets oder die blau-grün-roten Schabracken an den Fenstern. Ein Schatz ist das Sandmandala, ein kreisrundes Kunstwerk aus farbigem Sand. Es zeigt die Sicht von oben auf einen Mandala-Palast.

Der Dalai Lama mag Königsmarks Catering

Ein solches Sandmandala hat vor einigen Jahren in wochenlanger meditativer Kleinstarbeit ein tibetischer Mönch angefertigt. Trotz des hohen Arbeitsaufwands sind Mandalas keineswegs Werke für die Ewigkeit. In der Regel werden sie nach der Vollendung zeremoniell aufgelöst. Das soll die Vergänglichkeit des Lebens und das Ideal von Entbindung der materiellen Welt symbolisieren. „Wir durften unseres nur behalten, weil es vom Mönch nicht geweiht worden war“, sagt Phurbu Königsmark. Es heißt, ein Mandala nur zu sehen entferne viele negative, Leid verursachende geistige Eindrücke.

Die gefüllten Teigtaschen Momo mit Erdnuss-Tomatensauce sind ein Nationalgericht
Die gefüllten Teigtaschen Momo mit Erdnuss-Tomatensauce sind ein Nationalgericht © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

Die Gastronomin kennt den gegenwärtigen Dalai Lama, hat ihn schon oft mit Speisen und Getränken beköstigt, wenn er in Norddeutschland zu Besuch war. „Er mag unser Catering.“ Und Phurbu Königsmark mag das Oberhaupt des tibetischen Buddhismus und seine Gedanken. „Toleranz und Freude über das Leben sind wichtig.“ Als Chefin möchte sie, dass ihre Mitarbeiter zufrieden sind. „Dann leisten sie auch gute Arbeit.“

Nächstes tibetisches Restaurant erst in Berlin

Wenn man sieht und probiert, was aus der Küche kommt, dann stimmt diese Philosophie. Das tibetische Nationalgericht sind Momo – hausgemachte Teigtaschen, gedämpft oder gebraten, gefüllt mit Gemüse, Rind-, Lamm- oder Hühnchenfleisch. Dazu gibt es Salat, Sesam-Erdnuss-Sauce und Tomatensauce. Alles würzig und pikant, verfeinert mit Curry, Pfeffer und Kräutern, die Phurbu Königsmark von ihren regelmäßigen Besuchen in Nepal mitbringt. „Wir machen alles frisch“, sagt die Chefin. Weitere Spezialitäten aus dem Fernen Osten: kleine zarte Frühlingsrollen, Käsesuppe mit Chili, der Nepal-Teller mit viel Gemüse, feines Rindfleisch mit Sojasauce, Chili und Basilikum.

Pikant und lecker: Hähnchenuaf tibetische Art mit Reis
Pikant und lecker: Hähnchenuaf tibetische Art mit Reis © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

Es gibt auch viele vegetarische Speisen, verschiedene Menüs und in der Speisekarte Hinweise, wie scharf die Gerichte sind: Zwei Chilischoten sind für Mutige. Aber auf Wunsch wird alles in einer milden Version zubereitet. Die Karte ist recht beständig, Tagesempfehlungen stehen auf einer Tafel. Schweinefleisch wird nicht serviert.

Getrunken wird Tee, Lassi, Reiswein oder Bier aus dem Himalaja. Aber auch Wein steht auf der Karte. Der günstigste kostet 4,40 Euro für 0,2 Liter und 17,20 Euro für eine ganze Flasche.

Die drei Jahrzehnte, die sie in Hamburg lebt, haben Phurbu Königsmark geprägt. Sie hat deutsche Freunde, schätzt Fleiß, Pünktlichkeit und Disziplin, isst gern Spargel, Rotkohl und Rinderbraten. „Aber Tibet ist immer in mir drin.“ Diese Art von Kulturbotschafterin mögen ihre Gäste. Schließlich gibt es das nächste tibetische Restaurant erst in Berlin.

Tibet Restaurant Sülldorfer Landstraße 230

www.tibet-restaurant.de