Genussexperte Gerd Rindchen hat sich in einer “gut durchgentrifizierten“ Ecke Hamburgs auf die Suche nach der besten Pizza gemacht.
Die mittlerweile ja ganz gut durchgentrifizierten Stadtteile Eimsbüttel/Hoheluft/Eppendorf zeichnen sich durch eine hohe Affinität der ortsansässigen Bevölkerung für „mediterrane Lebensfreude“ aus, verbunden mit der Bereitschaft, dafür viel Geld auszugeben.
Dies hat auf der Meile Eppendorfer Weg / Eppendorfer Landstraße dazu geführt, dass sich hier in den letzten Jahren etliche reale oder vermeintliche Edelpizzerien angesiedelt haben. Drei der angesagtesten Läden haben ich mal für Sie unter die Lupe genommen.
Pizzerien im Test: "Pizzamacher Trattoria"? Na ja
Beginnen wir im Herzstück der Ausgehmeile ausgabefreudiger Eppendorfer, der Ecke Eppendorfer Weg / Falkenried: Hier hat sich höchst erfolgreich die „Pizzamacher Trattoria“ niedergelassen, um den geneigten Gast mit Pizzen und Focaccia zu beglücken. Was das folkloristische Wortgeklingel angeht, haben sich die Pizzamacher zielgruppengenau auf ihr Publikum eingestellt und heimsen schon mal die Goldmedaille für Kommunikation ein. Zitat: „ Wie unser Name bereits verrät – wir machen Pizza. Und keineswegs irgendeine – wir machen, um genau zu sein, das Unesco-Weltkulturerbe Pizza Napoletana in ihrer reinsten und hochwertigsten Form, mit echtem Handwerk und viel Amore. Genau so, wie es sich für ein wahres ,Original’ gehört.“
- Restaurant Hygge - vorzüglich mit moderaten Preisen
- Gerd Rindchen zu Gast im japanischen Restaurant Daruma
- Ein Genussexperte zu Gast im Il Gambero
Was auf der Karte ebenfalls nicht fehlt, ist der Hinweis, dass der Teig „selbst gemacht“ (Wahnsinn!) sei und „aus einer kleinen Pizzawerkstatt in Lokstedt“ stamme. Im Praxistest kam dann das Weltkulturerbe in der Version „Tropea“ (14 Euro) mit relativ nüchternem Teig, sehr dickem Rand und außen recht trocken dank sparsamstem Tomatensauceneinsatz daher, sodass sich der Fior-di-latte-Käse in der Mitte ballte und die Pizza innen nicht sonderlich kross werden konnte. Darauf ein Hauch leckere Nduja-Wurst und sehr stark gesüßte Tropeazwiebeln. Nun ja.
Die Pizza „Palmira“ mit Kochschinken und Rosmarin (13,50 Euro plus 2 Euro Zuschlag für ein paar Parmesanstreusel) war ähnlich. Beim Focaccia Panino „Marlon“ (7,90 Euro), einer Art warmem belegten Brötchen mit etwas leicht angeräuchertem Scamorza-Käse und Roastbeef, wurde die eine, hauchdünne, schüchtern unter dem Brötchenrand hervorlugende Roastbeefscheibe von einer recht kraftvoll nachbitternden Salsa Verde erdrückt. Dazu Nero d’Avola oder weicher Chianti (0,2 l je 7 Euro) oder ein Fläschchen Valpolicella für sportliche 38 Euro – den Eppendorfern gefällt’s so, wohl dank der vielen Amore, aber es reicht dennoch nur für Bronze.
"Die Pizzeria" – nur ein Wermutstropfen stört den Eindruck
Ganz unten an der Eppendorfer Landstraße, schon vis-à-vis vom Mühlenteich, hat sich seit Langem „Die Pizzeria“ niedergelassen. Sie wirbt mit extrem dünnem, perfekt durchgebackenem krossem Teig und hält dieses Versprechen auch ein. Die Preise bewegen sich im Eppendorf-üblichen Rahmen: Es startet mit der klassischen „Margherita“ für 10 Euro, für die Anchovispizza sind 12 Euro zu entrichten, Klassiker wie die „Picantissi“ mit Salami und Peperoni oder die „Quattro Stagioni“ liegen bei 14– 14,50 Euro. Die verwendeten Zutaten und die Qualität sind klasse.
Ein Sonderlob geht an die exzellente kleine, genießerfreundlich kalkulierte Weinkarte: Mit einem halben Liter Riesling von Wilhelm Weils Kultweingut aus dem Rheingau für 13 Euro kann man schon mal so gar nichts falsch machen, Chianti und Nero d’Avola stammen hier von guten Erzeugern und kosten moderate 11,50 Euro pro halbe Liter, und auf der Flaschenweinkarte gibt’s aus dem guten Portfolio von Sommelier und Weinhändler Hendrik Thoma tollen Alvarinho Vinho Verde (24 Euro), kernigen Barbera d’Alba (26 Euro) und spannenden Chianti Classico (28 Euro). Das ist top und schon sehr stark goldmedaillenverdächtig.
Einziger Wermutstropfen: Die Pizzen sind so dünn, dass sie schneller auskühlen, als man Desoxyribonukleinsäure sagen kann, und eigenen sich somit nur zum Verzehr pro Ort, nicht zum Mitnehmen. Am Ende bleibt eine gute Silbermedaille.
"Al Volo" – schon die Pizza Margherita setzt Maßstäbe
Im Eimsbüttler Teil des Eppendorfer Weges gegenüber vom Generalsviertel hat sich eine süditalienische Familie niedergelassen und importiert – neben südländischer Gastfreundschaft – viele Lebensmittel aus Italien direkt und in offenkundig herausragender Qualität. Das merkt man dem Essen im „Al Volo“ im Allgemeinen und den Pizzen im Besonderen deutlich an. Schon die „Margherita“ (8,90 Euro) setzt Maßstäbe. Der Hammer jedoch und meine absolute Lieblingspizza in Hamburg ist die „del Paese“ mit einer absolut großartigen, saftigen Salsiccia in verschwenderischer Fülle und aromatischen lombardischen Peperoni (11,90 Euro). Eher elegant kommt die „Contadina“, die Bauernkönigin mit Rosmarinschinken und römischen Baby-Artischocken, daher (12,90 Euro). Dazu perfekter Teig, perfekte Dicke und Bekömmlichkeit, perfekter Garzustand – mehr geht nicht.
Und da auch die Weinkarte ordentlich bestückt und sehr fair kalkuliert ist (guter apulischer Chardonnay 0,2 l für 4,90 Euro/ Flasche 16 Euro, toller Falanghina 5,50/18 Euro, solider Bardolino 4,50/14 Euro und klasse Rosso Piceno Superiore 6,50/22 Euro), geht meine persönliche Goldmedaille frohen Herzens nach Eimsbüttel.