Hamburg. Sternekoch Kevin Fehling hat auf der MS “Europa“ ein Restaurant eröffnet – inspiriert von seiner anderen Leidenschaft.
Es gab Nächte, die hat Kevin Fehling auf einem Außendeck verbracht. Er wollte unbedingt die Milchstraße, den atemberaubenden Sternenhimmel über dem Ozean sehen und dabei einschlafen. Den Tag bis zum späten Abend arbeitete er in der Küche der MS „Europa“ – aber danach zog es ihn auf wogenden Wellen wieder unter das flimmernde Firmament.
Damals war er Anfang 20, heute ist er 42 Jahre alt, Vater von drei Kindern und steht schon jetzt im Zenit seines beruflichen Schaffens: Ausgezeichnet mit drei Michelin-Sternen, ist der Hamburger mit seinem Restaurant The Table in der HafenCity der angesagteste Maître de Cuisine in Deutschland.
Doch die Seefahrt hat den gebürtigen Delmenhorster in all den Jahren an Land nicht losgelassen. Und schon gar nicht die MS „Europa“, das nach dem Berlitz Cruise Guide weltweit beste Kreuzfahrtschiff. Es gehört – historisch gesehen – zu jener Reederei, die mit ihrem damaligen Generaldirektor Albert Ballin im 19. Jahrhundert die Kreuzfahrt im heutigen Stil erst erfunden hat.
Für Kevin Fehling geht ein Traum in Erfüllung
Vielleicht haben es die Sterne, ganz bestimmt aber hat es die Geschäftsführung von Hapag-Lloyd Cruises so gefügt, dass der frühere Sous-Chef jetzt wieder auf das Luxuskreuzfahrtschiff zurückkehrt. Mit einem eigenen Restaurant. „Ich habe tatsächlich vor rund 20 Jahren quasi als Salatwäscher auf der ,Europa‘ angefangen. Und jetzt habe ich ein eigenes Restaurant auf dem besten Schiff der Welt. Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen“, sagt er.
Kevin Fehling ist vor einigen Tagen von der Eröffnungsreise seines neuen Bordrestaurants The Globe aus Antwerpen zurückgekehrt und sitzt gut gelaunt in seinem Restaurant The Table in der Hamburger Shanghaiallee 15. Er plaudert – auf dem Kirschbaumholztisch steht eine blaue Flasche mit eisgekühltem italienischen Wasser – über seine Rückkehr auf das Schiff und die ersten Reaktionen der Gäste im „The Globe bei Kevin Fehling“ mit 24 heiß begehrten Plätzen. Am Ende des Premierenabends hätten alle Gäste geklatscht, sagt er. „Es gibt nur wenige Berufe, in denen man ein so unmittelbares Feedback erhält.“
Die Weltreise als junger Mann hat den Sternekoch geprägt
Mit einem eigenen Restaurant auf hoher See, das sein kulinarisches Reich an Land komplettiert, schließt sich für Fehling ein Kreis. Nach seinem ersten Einsatz auf der MS „Europa“ im Alter von 22 Jahren – in der ersten Woche musste er in der Kombüse Salat putzen – ließ ihn die Leidenschaft für die Seefahrt nicht mehr los. „Ich bin süchtig nach der MS ,Europa‘“, sagt er und erzählt die Geschichte, wie er später als sternedekorierter Küchenchef im La Belle Epoque in Travemünde arbeite und manchmal dieses Schiff vorbeifahren sah. Da kam Fernweh auf.
Es waren nur zwei Jahre, die er als junger, ehrgeiziger Koch zur See fuhr. Doch vor allem die Weltreise in dieser Zeit hat ihn so geprägt, dass seine geniale Kreativität bis heute vom internationalen Geist inspiriert ist.
In beiden Restaurants vollenden sich diese Erfahrungen heute auf den Tellern der Gäste. Bei seinen Reisen als Sous-Chef versuchte er stets, die Gastronomie der Länder zu erkunden. So ließ er sich in Singapur tellerweise Streetfood servieren. Hier entdeckte er neu die fermentierten Gemüsesorten, die Marinaden und spürte den extrem scharfen oder sauren Geschmack der Speisen.
Die Antwort auf seine Südafrikafahrt ist das Menü „Big Five“, zu dem unter anderem Süßkartoffel-Eis, Rooibostee-Chips und Nusscreme gehören. Im Hamburger The Table erhalten die Gäste zur Begrüßung „Flowers for you“. Die essbaren „Blumen“ – eine Hommage an die Niederlande – bestehen beispielsweise aus Rote-Bete-Krokant, rohem Rhabarber als Stifte und Erbsenkresse.
Den ersten Gästen wurde eine Flaschenpost serviert
Mehr noch: Die ersten Passagiere, die jetzt Platz im neuen Restaurant auf der MS „Europa“ nehmen konnten, staunten nicht schlecht, als in der Menüfolge plötzlich eine (nicht essbare) filigrane Flaschenpost serviert wurde. Kevin Fehling hatte tatsächlich auf seiner Weltreise eine Flaschenpost in den Indischen Ozean geworfen.
Selbst die Gestaltung des schwimmenden Restaurants ist von seinen Seereisen unter dem Sternenhimmel inspiriert. „Ich liebe es, Konzepte zu entwickeln und Geschichten zu erzählen“, sagt er. Zum Interieur gehören Lampen in Gestalt von Planetenmodellen und ein Teppichboden mit Umlaufbahnen. Gleich am Eingang wirft ein Projektor das Bild der Milchstraße auf die monochrome Stirnwand.
In diesem Kontext startet jeden Abend das lukullische Abenteuer „by Kevin Fehling“. Kein Wunder, dass der sternenverliebte Schiffskoch plant, seine Leidenschaft für die Astronomie mit dem Kauf eines leistungsfähigen Teleskops zu krönen. Damit er dem Himmel auch an Land ein Stück weit näher kommt, plant er ein interessantes Food-Konzept: Im 15. Stock eines Gebäudes soll es eine Bar mit Außenterrasse geben, in der Cocktails von Highballs, Signatures und Klassikern bis hin zur Avantgarde serviert werden.
Erlesenes aus der Sicht eines Dreisternekochs. Weitere Einzelheiten will er noch nicht bekannt geben. Seine nächste Reise auf der MS „Europa“ führt ihn nach Rom, im Dezember geht es nach Hongkong. Für die 20 Tage im Jahr, in denen er an Bord arbeitet, wird das Hamburger The Table geschlossen. Und für die Zeit, da er nicht auf dem Schiff ist, führen ein qualifiziertes Team aus dem Table sowie weitere Mitarbeiter sein Konzept fort.