Eine Designerin, ein Einkäufer und eine Modejournalistin auf der Fashion Week in Berlin. Vera Altrock über die Tages-Entwürfe des Trios.
Freddy Mouchawrab will Berliner Designer für die Hansestadt entdecken
Wenn sich der große Dunkelhaarige einem Messestand nähert, sollte man schleunigst die Ladenhüter verstecken und freundlich lächeln. Denn Freddy Mouchawrab verfolgt nur ein Ziel: Er will shoppen, und zwar in ganz großem Stil. Keine Einzelstücke, sondern am liebsten ganze Kollektionen.
"Ich bin mit einem klaren Ziel zur Fashion Week gefahren: besondere Berliner Designer für den Hamburger Markt zu entdecken", sagt der 33 Jahre alte Inhaber des Concept Stores Etage Eins im Stilwerk. Am Hafenrand präsentiert er auf 500 Quadratmetern Modedesigner aus ganz Deutschland.
Viel von der Hauptstadt sieht er nicht in diesen Tagen, vom Bahnhof fuhr er mit seinem Assistenten direkt auf das Gelände der Premium-Messe in Kreuzberg. So voll wie in diesem Jahr habe er die Messe noch nie erlebt, rund 800 Labels präsentieren sich den Einkäufern aus aller Welt. Auch die Kollektionen seien sehr vielfältig. "Waren sonst die Stände sehr ähnlich, sah man in manchen Jahren eigentlich nur T-Shirt-Stoffe, habe ich nun schon viele tolle Entwürfe gesehen. Die Herbst/Winter-Mode 2011 wird wieder weiblicher und eleganter mit schmaler Taille, klassischen schmalen Schnitten, vielen Nude- und Brombeer-Tönen. Aber die eine, die ganz große Entdeckung, war noch nicht dabei", sagt Freddy Mouchawrab.
Das Ambiente sei international, die Modebranche könne sich hier sehr gut inszenieren. "Großes Lob an Berlin und die Veranstalter, das Konzept scheint zu funktionieren." Allerdings wären kulturelle Unterschiede zwischen den Ländern kaum mehr auszumachen. "Ob Engländer, Schweden oder Holländer - die globale Fashion-Szene gleicht sich sehr. Viele Besucher nutzen die Messe, um sich darzustellen und nicht, um Handel zu treiben."
So kämen die lokalen Kreativen etwas zu kurz. Umso mehr freut den Einkäufer, dass er viele Hamburger Modedesigner auf der Premium-Messe getroffen habe. "Um Kontakte zu knüpfen, ist Berlin ideal, weil sich hier alle geballt präsentieren. Zum Beispiel war ich am Stand der Hamburger Eco-Designerin Julia Starp und muss sagen: Sie hat sich erstaunlich weiterentwickelt."
Wer weiß: Vielleicht zeigt auch sie ihre Entwürfe schon bald im Concept Store an der Elbe. Derweil geht der große Dunkelhaarige weiter auf die Pirs
Julia Starp zeigt Berlin, wie grün Hamburg ist
Mäntel aus Organic Cotton und Abendkleider aus Peace Silk, gewonnen aus den Kokons frei lebender, indischer Raupen, sind die Attraktion auf der Fashion Week - und eine Erfindung von Julia Starp, 28, Hamburgs Biobotschafterin auf der Fashion Week.
"Ich verbinde High Fashion mit nachhaltiger Produktion. Das ist für mich kein Gegensatz, sondern selbstverständlich. Auch viele meiner Models engagieren sich für die Umwelt oder für soziale Projekte", sagt die 28-Jährige, die ihre aktuelle Kollektion "Spiegelverkehrt" nicht am Bebelplatz präsentierte, wo die "großen" Labels wie Unrath & Strano oder Rena Lange zeigen, sondern vor rund 600 Gästen im Kreuzberger Umspannwerk. Sie präsentierte ihre Kreationen also "offsite", was gleichbedeutend mit "Geheimtipp" ist.
Auch Michael Michalsky und Hugo Boss inszenieren ihre Schauen lieber an ungewöhnlichen Orten. "Außerdem ist eine Show dort nicht unter 20 000 Euro zu bekommen. Die muss man erst einmal aufbringen."
Dabei hat es Julia Starp schon auf erstaunliche 23 Sponsoren aus der Biobranche geschafft - Eco-Design entpuppt sich immer mehr als clevere Marktnische. Auch die europäische Umwelthauptstadt Hamburg kooperiert mit der Designerin, um sich zu schmücken. Vor ihrer Show sei sie viel zu nervös, um sich andere Designer anzuschauen.
Außerdem gehe die meiste Zeit fürs Fitting der Models drauf; ihre Hotel-Suite wurde kurzerhand zum Mini-Atelier umfunktioniert, um auf die Schnelle noch Kleider abzustecken. Auch die eigens für ihre Show komponierte Livemusik wurde erst kurz vorher getestet, "eine Generalprobe gab es nicht."
Dafür fiel der Umkleide-Stress weg: "Ich hatte genau 27 Entwürfe, die ich an 27 Modellen zeigen konnte", sagt die Designerin. Der Höhepunkt: die Präsentation des Brautkleids durch "Topmodel"-Gewinnerin Barbara Meier. Auch die TV-Schauspielerinnen Sabine Kaack und Birte Glang liefen für Julia Starp an der Spree.
Und was ist dran an der Feierhauptstadt Berlin? "Auch wenn ich nach der Show am liebsten ins Bett fallen möchte, raffe ich mich noch zu den Partys auf. Denn die sollte man nicht verpassen. Nicht umsonst heißt es in der Fashion-Szene: In Düsseldorf wird gearbeitet, in Berlin gefeiert."
Bloggerin Katharina Charpian sucht in der Hauptstadt schrille Modevögel
In ihrem Blog toben sich die "Ponys", so hat die Bloggerin Jungdesigner getauft, aus. Logisch, dass Katharina Charpian , 24, Modejournalistin aus Hamburg, auch auf der Fashion Week dabei ist. Um sich spannende Leute anzuschauen (die sich meist vor den Zelten am Bebelplatz aufhalten, nicht unbedingt darin). Und, um sich inspirieren zu lassen.
"Meine Berlin Fashion Week widmet sich vor allem den Nachwuchstalenten und spannenden Events fernab von Mainstream und leicht konsumierbarer Mode." Ihr Programm ist ebenso knallvoll wie der Schedule, also der Ablauf der Shows an den Hauptschauplätzen. "Als bekennende Schweden-Liebhaberin freue ich mich besonders, dass die Schwedinnen uns diese Saison mit einer eigenen Fashion Show, einer Modefotografie-Ausstellung und einem Modefilm-Event einen Besuch abstatten", sagt Katharina Charpian, Autorin des Blogs "Iloveponys" (unter www.iloveponysmag.com ). Ein weiteres Highlight ist für sie die Show der Avantgarde-Designerin Esther Perbandt, die schon auf einer der letzten Fashion Weeks mit Pauken und Trompeten ihre Kollektion auf den Straßen von Berlin-Mitte proklamierte. Dieses Mal inszeniert die Berlinerin ihre neuen Kollektionsteile in Zusammenarbeit mit dem italienischen Künstler Marco Pho Grassi im neu eröffneten nhow-Hotel mit Blick auf die Spree. "Jungdesigner-Kreationen werde ich bei der Modenschau von Perret Schaad knipsen und mit Vorliebe die dekonstruierten Schnitte von Vladmir Karaleev am Sonnabendmittag im Zelt am Bebelplatz studieren."
Zwischen den veranschlagten Veranstaltungen tingelt die Bloggerin in unterschiedliche Showrooms: im "Collect Showroom" durch die 2011 Herbst/Winter Kollektionen der Berliner Designer stöbern, in der "Projektgalerie" internationale Strömungen einfangen und im "Achteinhalb Concept Store" die fulminante Kollektion der Hamburger Modedesignabsolventin Anna Wegelin bestaunen.
Nach einem Ausflug zur Buchvorstellung von "Les Mads" steht noch der Sample Sale ihrer Lieblings-Schmuckdesignerin Sabrina Dehoff an. Von Feierabend aber keine Spur: "Jeder Fashion-Week-Tag findet seinen Abschluss mit zahlreichen Partys und einer Nachtschicht im Hotel - denn die Ponys wollen mit den neuen Entdeckungen gefüttert werden."