Hagen/Münster. Hagen/Münster. Immer die Radfahrer! Als der Heinz-Erhard-Film 1958 in die Kinos kam, ließ man Streiche noch schmunzelnd durchgehen. Doch jetzt ist der Spaß vorbei. Die Polizei in Münster setzt nun auf Repression.
Kontrollen, Bußgelder, Anzeigen - ausgerechnet in Münster, mehrfach als Deutschlands fahrradfreundlichste Stadt ausgezeichnet, ist die Polizei streng zu den Pedalrittern.
Denn nirgendwo in Nordrhein-Westfalen ist das Risiko, bei einem Verkehrsunfall zu verunglücken, so hoch wie in der Westfalenmetropole. 41 Prozent aller Verletzten sind Radfahrer. Mehr als ein Drittel von ihnen kollidiert nicht etwa mit einem Pkw, sondern stößt mit einem anderen Fahrrad oder einem Fußgänger zusammen.
Stadt mit dem höchsten Radverkehrsanteil
Münster ist die Stadt mit dem höchsten Radverkehrsanteil: Schätzungen zufolge werden hier 35 bis 40 Prozent aller Fahrten mit der Leeze zurückgelegt, im Durchschnitt sind es in Deutschland nur 9 Prozent. Die Tendenz ist jedoch bundesweit steigend. Denn in Zeiten des Klimwandels und der hohen Kraftstoffpreise wird ein billiges und umweltfreundliches Verkehrsmittel wie das Fahrrad immer beliebter. Viele Kommunen fördern den Radverkehr: Erst Ende des vergangenen Jahres ist der Kreis Soest der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte in NRW beigetreten.
Münster steht folglich keineswegs allein da mit den Problemen. Der deutsche Verkehrsgerichtstag, der nun in Goslar tagt, befasst sich daher in diesem Jahr mit dem Verkehrsverhalten der Radfahrer.
Ihnen fehlt offenbar häufig ein Bewusstsein für Gefahren, sagt Udo Weiss, Leitender Polizeidirektor in Münster: „Das Fahrrad ist für viele ein Spielzeug, mit dem sie groß geworden sind wie mit einem Roller.” Und weil das Rad so harmlos scheint, steigen manche Münsteraner darauf, wenn sie so viel Alkohol getrunken haben, dass sie längst nicht mehr fahrtüchtig sind, nennt Weiss ein Hauptproblem.
„Das Fahrrad ist für viele ein Spielzeug, mit dem sie groß geworden sind.”
Zudem sind die Pedalritter viel zu schnell unterwegs. So gilt beispielsweise in Spielstraßen auch für Fahrradfahrer Schrittempo, dürfen Bushaltestellen nicht mit Tempo 40 passiert werden. Die Pedalritter fahren ferner mit defekten Bremsen, ohne Licht - und über Rot. 13 000 Radler missachten in Münster täglich das Ampelsignal.
Um das Verhalten der Radfahrer zu ändern, fordert Hans-Jürgen Marker von der Gewerkschaft der Polizei, bundesweit verstärkt auf Verkehrserziehung zu setzen. Und zwar nicht allein in Kindergärten und Grundschulen, sondern auch in den Oberstufen und Berufsschulen. Verkehrsunterricht finde hier nicht statt, obwohl die 17- bis 20-Jährigen die Unfallstatistiken anführten.
Auch in der Fahrradstadt Münster hat man in der Vergangenheit auf Aufklärung gesetzt. Doch damit allein komme man offenbar nicht weiter, sagt Weiss. Stattdessen setzt die Polizei nun zusätzlich auf „Repression”, kontrolliert verstärkt, verhängt Verwarn- sowie Bußgelder und schreibt Anzeigen, um die Radfahrer quasi vor sich selbst zu schützen. Offenbar mit Erfolg: „Vor Weihnachten hatten wir eine Lichtquote von 90 Prozent”, so der Polizeidirektor.
Mit Kontrollen allein ist es nicht getan, auch Gesetze müssen Weiss zufolge geändert werden, so die Vorschriften, wie Fahrräder auszurüsten sind. Weiss fordert eine „bauartbedingte Zulassung.” Bettina Cibulski vom Allgemeinden deutschen Fahrradclub (ADFC) bestätigt: „Fahrräder - zum Beispiel Mountainbikes- kann man ohne Licht kaufen - bei einem Auto ist das schlicht undenkbar.”