Hagen. Ein russisches Programm bot das Philharmonische Orchester Hagen im Sinfoniekonzert. Dabei waren die musikalischen Wegmarken derart attraktiv gesteckt, dass GMD Florian Ludwig ein fast volles Haus begrüßen konnte.
Ein russisches Programm bot das Philharmonische Orchester Hagen im Sinfoniekonzert. Dabei waren die musikalischen Wegmarken derart attraktiv gesteckt, dass GMD Florian Ludwig ein fast volles Haus begrüßen konnte.
„Kalt, böse, aber phantastisch, wie im Märchen“, meinte Anatoli Ljadow zu seiner Tondichtung „Der verzauberte See“. Unheimlich klingt das Werk allerdings. Rheingold-ähnlich steigt ein dunkler Ton auf, macht glitzernden Streicherwellen Platz, über die sich klagende Rufe der Bläser legen. Die Philharmoniker treffen den Duktus exakt, lassen die Musik schweben und verleihen ihr so einen sonderbar unwirklichen Charakter.
Im Mittelpunkt stand das zweite Klavierkonzert von Sergei Rachmaninow. Und das nicht nur, weil es sich dabei um eines der beliebtesten Stücke dieses Genres handelt, sondern weil es von dem erst 23jährigen Pianisten Joseph Moog gespielt wurde.
Schon mit den allerersten Akkorden steckt Moog sein Terrain ab: Er spielt sie ernst, markant, aber ohne übertriebenes Pathos und hält diese Grundstimmung mit bewundernswerter Ruhe durch. Für den ersten Satz nimmt sich Moog Zeit, vielleicht ein wenig zu viel Zeit, das Marsch-Thema kommt arg breit daher.
Auch hadert Florian Ludwig zunächst noch mit der Klangbalance zwischen Orchester und Flügel, so dass Solist und Philharmonisches Orchester erst in den beiden folgenden Sätzen kongenial zusammenschmelzen. Raffiniert indes, wie Moog der Versuchung widersteht, die letzten Akkorde des ersten Satzes auftrumpfend in die Tastatur zu hämmern. Stattdessen serviert er sie mit einer ungewohnten Eleganz, die perfekt zu seinem langsamen Satz überleitet. Hier macht Moog selbst im Pianissimo kleine Triller hörbar und findet für Rachmaninows lustvolles Sehnen einen leichtfüßigen, dabei doch immer kantablen Ton.
Im dritten Satz zieht Moog das Grundtempo rasant an und bremst es erst vor den Schlussakkorden kurz, aber wirkungsvoll ab. Eine intelligente, durchweg spannende Interpretation.
Die zweite Konzerthälfte gehörte Tschaikowsky und seiner vierten Sinfonie. Die Bläsergruppen nutzten die ihnen gebotene Gelegenheit und glänzten. Die Geigen wiederum spielten das für Tschaikowsky so typische Streicher-Herzflimmern ebenso akkurat wie die wilde Pizzicato-Jagd im Scherzo. Im rauschenden Finale lässt Florian Ludwig es dann so richtig krachen. Und wie er da am Ende steht und seine Musiker mit beiden Armen synchron dirigierend furios zum Schluss treibt, kommt mir plötzlich meine Oma in den Sinn, wie sie uns Kinder ermahnte, wenn wir den Motor unseres Playmobil-Bootes wieder einmal zu hochtourig laufen ließen. „Stellt nicht immer auf so schnell“, höre ich sie rufen. „Davon wird die Batterie so schnell leer“. Ich hatte zwar nicht erwartet, in einem Konzert mit dem Titel „Liebegrüße aus Moskau“ ein großmütterliches Augenzwinkern aus dem Jenseits zu erhalten. Aber ich habe das Bild sehr gerne mit auf den Heimweg genommen.