Hagen. Für Rafael Vázquez ist ein Traum in Erfüllung gegangen: Die erste Rolle an einem deutschen Opernhaus. Der spanische Tenor singt derzeit am Theater Hange den Riccardo in Verdis „Ein Maskenball“.

Der graue Himmel und die Kälte, sie stören ihn nicht. Denn für Rafael Vázquez ist ein Traum in Erfüllung gegangen: Die erste Rolle an einem deutschen Opernhaus. Der junge spanische Tenor singt derzeit am Theater Hagen den Riccardo in Verdis „Ein Maskenball“ und gibt damit sein Deutschland-Debüt. Das Publikum jubelt, die Kollegen sind zu Freunden geworden: „Ich bin gesegnet“, freut sich der hochbegabte Sänger.

Rafael Vázquez sprüht vor Begeisterung: „Am Theater Hagen ist es wie in einer Familie. Ich wurde Teil davon, und wenn Du Teil einer Familie bist, kannst Du Dich entwickeln. Die Kollegen haben mir die Gelegenheit gegeben, alles zu zeigen. Hagen ist die Scala für mich, die Met. Ich bin so glücklich mit diesen ­Kollegen.“

Wer Sänger werden will, muss Einsamkeit ertragen können und sich in der Fremde zurechtfinden. Das gilt besonders für Künstler aus Ländern, in denen es nicht so viele Opernhäuser gibt wie in Deutschland. „Ich bin wie ein Stierkämpfer ins Ausland gezogen, mit all den geweihten Amuletten und Kreuzen“, erzählt Vázquez. Die Medaillons mit dem heiligen Judas Thaddäus, dem Helfer der bedrängten Menschen, seinem Namenspatron St. Rafael, dem Schutzpatron der Reisenden, und dem heiligen Antonius trägt Rafael Vázquez immer um den Hals. „Ich bin ein katholischer Junge“, sagt der Tenor. „Als gläubiger Katholik halte ich meine Stimme für ein Geschenk Gottes, und es ist meine Mission, dieses Geschenk zu teilen und die Leute glücklich zu machen.“

Wo eine Mission ist, da hat üblicherweise eine Bekehrung stattgefunden. Rafael Vázquez ist sozusagen auf dem zweiten Bildungsweg zum Sänger geworden. Denn er ist auch Anwalt. Kurz vor Beendigung der Doktorarbeit, für die er in London studierte, hängte er die Robe an den Nagel und wechselte zur Musikhochschule. „Für meine Familie war es anfangs hart, dass ich kein Jurist mehr sein wollte, sondern Künstler. Nach einem Jahr Gesangsstudium habe ich schon den Tamino in Mozarts ,Zauberflöte’ gesungen. Da haben sie gemerkt, dass diese Welt für mich die richtige ist.“

Für einen typischen, ja einen stereotypen Tenor hält sich Vázquez nicht. „Ich höre alle Arten von Musik und natürlich gehe ich gerne auf Partys“, schildert er. Bei der jüngsten „Maskenball“-Vorstellung überraschte er Publikum und Kollegen mit einem improvisierten Kopfstand. Natürlich hat er dabei weitergesungen. „Ich bin Judolehrer“, kommentiert er diese artistischen Fähigkeiten. „Man muss Singen und Bewegung in seinen Job integrieren. Die Oper ist eine audiovisuelle Erfahrung.“

Als Kind hat er die Oper gehasst. „Mein Vater war ein großer Wagner-Fan“, so Vázquez. Er hat nie gesungen, bis er mit 16 Jahren auf das Internat kam, eine reine Jungen-Schule. „Dem Chor beizutreten war der einzige Weg, um mal ‘rauszukommen und Mädchen zu sehen.“ Den ersten Gesangslehrer hat Rafael über die Gelben Seiten gesucht. Der gab ihm „E lucevan le stelle“ aus Puccinis „Tosca“. „In diese Musik habe ich mich verliebt und so wurde ich berufen.“ Derzeit lebt der 34-Jährige in Den Haag, wo er bei dem berühmten „Sängermacher“ James Mc Cray studierte.

Das deutsche Kultursystem schätzt der Stipendiat der Samling Foundation. „Kultur ist wesentlich für die Entwicklung des Menschen, gerade für junge Leute. Wir müssen den Geist füttern und die Seele, Kultur ist Futter für die Seele.“

Fünf Sprachen spricht Rafael Vázquez. Jetzt ist er dabei, die sechste zu lernen: Deutsch. Seine Familie im fernen Spanien vermisst er sehr. „Mama und Oma sind meine größten Fans, sie kommen im Februar nach Hagen, um mich als Riccardo zu hören.“

Eine Sängerkarriere aufzubauen, ist nicht einfach. Man muss Rückschläge einstecken können und auch mal Glück haben. Ein solcher Glücksfall war für Vázquez die Einladung zum Vorsingen in Hagen. Deshalb nennt der gefragte Tenor bei der Frage nach seinen Vorbildern zwar Enrico Caruso und Bruce Ford. Aber das sind nicht die wichtigsten: „Jeder, der irgendwo auf der Bühne steht, verdient meine Bewunderung. Es ist ein hartes Geschäft, jeden Abend so exponiert dazustehen.“

Und Rafael Vázquez ergänzt: „Man muss sich mit herzlichen und glücklichen Menschen umgeben, dann wird es einem auch im Winter warm. In Hagen sind alle so fürsorglich. Wenn man dazugehört, dann ist einem die Kälte egal.“