Meschede/Paderborn. .

Meschede/Paderborn. Mit ihrer anderthalb Jahre alten Tochter Melina auf dem Arm steht Maike Bolzenius in einem Wohnwagen, ihrem Zuhause. Im Moment befindet sich das im kleinen Örtchen Sande bei Paderborn, direkt am Lippesee. Mal steht es auch im Ruhrgebiet, mal im Sieger- oder Sauerland. Früher war das, ihr Zuhause, das Elternhaus in Meschede-Olpe. Ein kleines Dorf mitten im Sauerland, mit gerade mal 650 Einwohnern.

Ziemlich vieles war ziemlich normal im Leben von Maike Bolzenius. Die 18-Jährige ging zur Schule, bereitete sich auf das Fachabitur vor, traf Freunde. Heilerziehungspflegerin wollte sie werden, irgendwann einmal heiraten und Kinder bekommen. Aber dann ging alles ganz schnell.

Der Zirkus Trumpf gastierte im Ort, mit ihrem kleinen Neffen besuchte die Schülerin die Vorstellung – und lernte ihre große Liebe kennen. „In der Pause haben wir uns unterhalten“, erzählt Maike Bolzenius, „und am Abend bin ich direkt noch einmal hingefahren.“ Dann brach die Zirkusfamilie die Zelte in Olpe schon wieder ab, was blieb, waren eine hohe Telefonrechnung und Besuche, jedes Wochenende. Die Schülerin reiste ihrem Fernando hinterher. Sechs Wochen lang. Dann - das große Zirkuszelt war gerade in Oeventrop aufgebaut - beschloss Maike, nicht mehr nach Olpe zurückzukehren. Für ihren Traum vom Leben mit Fernando und dem Zirkus brach Maike die Schule ab, schmiss das Fachabi und ließ ihr gewohntes Leben hinter sich.

Eine radikale Entscheidung, mit der die junge Mutter nur selten auf Verständnis stieß. „Niemand konnte es nachvollziehen, auch für meine Mutter war es schwer“, sagt sie. Nur die beste Freundin stand hinter ihr. „Viele meiner Freunde haben nichts mehr mit mir zu tun haben wollen“, erzählt sie.

Das Ankommen in ihrem neuen Leben hat ihr die Familie Trumpf leicht gemacht. Wohl auch, weil viele der Familienmitglieder ihr Dilemma kennen. Schwiegermutter Rebecca hat ihren Mann kennengelernt, als der sie beim Seiltanzen sah. Er kam mit.

Schwägerin Jacqueline ging den umgekehrten Weg: Sie hat sich in einen der Besucher verliebt, wohnt inzwischen bei ihm in Lennestadt. So ganz loslassen können die Zirkuskinder aber wohl nie von ihrem Zuhause. Jedes Wochenende kommt die 23-jährige Jaqueline mit Tochter Julienne (3) zurück auf den Zirkusplatz, hier steht immer noch ihr Wohnwagen.

Bereut hat Maike Bolzenius den Schritt, ihr altes Leben aufzugeben, nie. „Natürlich, ich hätte schon gerne eine Ausbildung, aber die kann man auch noch nachholen“, sagt sie und klingt selbst nicht ganz überzeugt. „Und wenn es kälter wird, man immer von einem Wohnwagen zum nächsten laufen muss, ist das Leben hier nicht mehr ganz so angenehm.“ Für ihre kleine Familie nimmt die Sauerländerin das aber gerne in Kauf, sie ist glücklich. „Für mich hat sich vieles verändert - es war eine krasse, aber eine positive Veränderung.“

Noch braucht Maike Bolzenius viel Zeit für ihre kleine Tochter, bald will sie wieder ganz in den Zirkusbetrieb einsteigen und auch selbst in der Manege stehen. Als Ansagerin, und wenn Schwägerin Jacqueline nicht da ist, wird sie auch wieder mit den Tauben auftreten. Das Lampenfieber hat sich mit den Jahren gelegt. „Das erste Mal war es schon peinlich, aber jetzt macht es Spaß.“ Maike ist in ihrem neuen Zuhause, ihrem Zirkus, angekommen.