Hagen. Die Schüler der Grundschule aus Kreuztal-Littfeld haben 2008 zum ersten Mal einen Vertrag unterschrieben. Einen Vertrag ohne Kleingedrucktes, mit dem sie sich zu vorbildlichem Verhalten in ihrer Schule verpflichten.

Diese so genannten Erziehungsverträge gehören zum Alltag in den Schulen Südwestfalens - und sie werden von (fast) allen Beteiligten in den höchsten Tönen gelobt.

Kein Handy piepst im Unterricht, Graffiti sucht man an den Wänden vergebens, Kontrahenten tauschen Argumente statt Fausthiebe aus - die Wirklichkeit an den Schulen in NRW sieht anders aus. Deshalb gehen immer mehr Schulen dazu über, in Verträgen an diese Selbstverständlichkeiten zu erinnern. In den Abkommen bekunden Schüler, Lehrer und Eltern, bestimmte Regeln einzuhalten und Verantwortung für ihr Handeln zu tragen. Oft stehen ein gewaltfreies und tolerantes Schulklima sowie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Mittelpunkt solcher Vereinbarungen. Sie reichen von einfachen Benimm-Verträgen bis hin zu Einzelkontrakten mit aggressiv-egoistisch veranlagten Problemschülern, denen soziales Verhalten im Elternhaus nicht mitgegeben worden ist.

Gute Erfahrungen

Volker Kaskel, Schulleiter der Evangelischen Grundschule in Kreuztal-Littfeld, hat damit gute Erfahrungen gemacht. Seine Schüler haben sich dazu verpflichtet, Gewalt durch schnelle Einbindung von Schülern und Lehrern vorzubeugen. „Schwächere Kinder werden von den stärkeren bei Streitigkeiten beschützt. Die Gewalt hat sich nachhaltig reduziert.”

„Diese Verträge haben tatsächlich eine positive Wirkung auf die Zusammenarbeit zwischen Schülern und Lehrern. Sie passen zur Schule des 21. Jahrhunderts”, sagt Martina Schmerr von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Schriftlich fixierte Vereinbarungen würden seltener gebrochen als mündlich geäußerte.

Martina Schmerr weiß, dass Papier geduldig ist. „Aber häufig ist es so, dass die Beteiligten bei der Erarbeitung eines solchen Vertrages erstmals offen miteinander reden.” In diesen Prozess eingebunden zu werden, erhöhe das Vertrauen auf beiden Seiten.

„Die Kontrakte sind nicht vor Gericht einklagbar.” Dr. Jost Schneider

„Hat man Eltern, Schüler und Lehrer in einem Boot, können Probleme wie Lernschwächen eher erkannt werden.” Auch der Integrationsaspekt sei nicht zu unterschätzen: „Muslime erfahren dadurch häufig erstmals, was sie sich an einer deutschen Schule erlauben dürfen und was nicht.”

Verträge fördern die Selbstdisziplin

„Die Kontrakte sind nicht vor Gericht einklagbar”, erklärt Dr. Jost Schneider, Leiter des Querenburg-Institutes. Trotzdem könnten sie im Streitfall als Grundlage hinzugezogen werden und eine entscheidende Rolle spielen. Bei Problemschülern könnten solche Verträge durchaus die Selbstdisziplin fördern. Gewaltbereite Jugendliche müssten Lehrer allerdings gut einschätzen können. In solchen Fällen seien Einzelverträge nur sinnvol, wenn mit harten Sanktionen gedroht werden kann. Andererseits müssten Schüler bei Einhaltung auch belohnt werden. „Zum Beispiel durch spezielle Workshops und Klassenfahrten.”

In Niedersachsen haben sich die Lehrer einer Schule dazu verpflichtet, jeden Schüler, der den Unterricht schwänzt, zu melden. Vor versammelter Klasse ruft der Lehrer zu Hause an. Mit Erfolg. Die Fehlquote ist zurückgegangen.

Die Flut der Erziehungsverträge trägt allerdings auch seltsame Blüten. Zum Beispiel in Hessen. Dort will Ministerpräsident Roland Koch die Eltern schriftlich dazu verpflichten, ihren Kindern ausreichend gesunde Frühstücksbrote für die Schulzeit zu schmieren.