Berlin. Es ist Tag vier der schwarz-gelben Koalitionsgespräche, und immerhin, so etwas wie eine Überschrift für die neue Legislaturperiode gibt es jetzt. Drei große Worte: Entlastungen, Konsolidierung, Zukunftsinvestitionen.
Vom „sich abzeichnenden Markenzeichen dieser bürgerlichen Regierung” spricht Alexander Dobrindt, der CSU-Generalsekretär, der als letzter nach seinen Kollegen von CDU und FDP ans Mikrophon darf.
Irgendwo hinter den Sichtschutzwänden im Foyer der NRW-Landesvertretung packen die 27 Mitglieder der großen Koalitionsrunde nach fast vier Stunden Beratung ihre Unterlagen zusammen. Draußen auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig verharrt hinter einem Polizeikordon ein Grüppchen von Atomkraftgegnern, die immer, wenn ein als Spitzenpolitiker Erkennbarer das Gebäude verlässt, mit Fahrradklingeln, Trillern und Sprechchören einen Höllenlärm veranstalten, während drinnen zwischen Windfang und Foyer die Generalsekretäre zufrieden Bilanz ziehen.
Dreiklang
Ronald Pofalla von der CDU preist die „gute Atmosphäre”, in der man verhandelt habe. Dirk Niebel von der FDP findet ebenfalls den Geist der Gespräche „sehr kollegial” und meint, es sei immer ratsam, am Verhandlungstisch miteinander zu reden und nicht über die Medien. Der CSU-Mann Dobrindt schließlich spricht, wie gesagt, vom Entlasten, vom Konsolidieren und vom Investieren.
Solche Triaden haben ja offenbar eine magische Wirkung auf die Strategen politischer Kommunikation. Bereits die bisherige Große Koalition gründete ihr Selbstverständnis auf einen „Dreiklang”, den die Kanzlerin in jeder Regierungserklärung zu zitieren pflegte, nämlich „Reformieren, Sanieren, Investieren”. Jetzt also „Entlasten” statt „Reformieren”, wenn man so will, ist das die Differenz zwischen neuer und alter Regierung.
Verständigung auf Finanzrahmen
In der Runde soll man sich, wie es anschließend heißt, einig gewesen sein, beim Entlasten nicht zu kleckern, sondern zu klotzen. Was das konkret bedeutet, darauf hat man sich freilich bislang noch nicht festgelegt. Kanzleramtschef Thomas de Maizière hat eine Vorauschau auf die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben bis 2013 in die Sitzung mitgebracht. Dieses Tableau haben die Vertreter aller drei Parteien einvernehmlich als Grundlage ihrer weiteren Beratungen abgenickt. Die Verständigung auf den Finanzrahmen ist das wesentliche konkrete Ergebnis der gestrigen Plenarrunde.
Was daraus folgt? Wer genau hinhört, ahnt, dass da noch Diskussionsbedarf lauert. „Es gibt den Spielraum für notwendige Steuersenkungen”, sagt FDP-Generalsekretär Niebel. Dagegen Jürgen Rüttgers: Er setzt beim Stichwort „Kassenlage” ein bekümmertes Gesicht auf. „Sehr, sehr schwierig”, raunt Rüttgers. „Aus dem Finanzstatus ergeben sich die Spielräume, und die Spielräume sind eng bemessen.” Immerhin: „Es gibt keinen der nicht überzeugt wäre, dass wir das hinkriegen.”
Einsparungen
Zwei Zahlen, die aus dem Papier de Maizières stammen solllen, kursieren nach der Sitzung. Sie geben an, wieviel mehr als bislang absehbar die neue Regierung bis 2013 im Bundeshaushalt einsparen muss, je nach Entwicklung der Konjunktur. Bleibt es dabei, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um sechs Prozent schrumpft und im nächsten um ein halbes Prozent wächst, wären es gut 34 Milliarden. Sind es 2009 nur fünf Prozent Rückgang und im Jahr darauf 0,75 Prozent Wachstum, würde sich der Betrag auf 29 Milliarden reduzieren.
So oder so, aus dem Vollen schöpfen werden die Koalitionäre nicht. Auch wenn sie bislang nichts beschlossen haben, sind sie doch offenbar guten Willens, sowohl Kinderfreibetrag und Kindergeld zu erhöhen als auch den Einkommenssteuertarif zugunsten der Steuerzahler zu korrigieren. Versteht man freilich Rüttgers richtig, der über „unterschiedliche Politikansätze” orakelt, dann könnte es sein, dass beides auf Anhieb nicht geht. Dass sich die Koalition also entscheiden muss, wen sie zuerst entlasten will, Familien oder Steuerzahler.