Warum tat sich am 12. Februar 2004 auf dem Siegener Rosterberg die Erde auf? Waren die Probebohrungen des Bergbauamtes ursächlich für das „Siegener Loch”? Oder ließ eine nicht verfüllte Erzgrube ganze Bereiche der Gläserstraße in die Tiefe sinken? Diesen Fragen ging das Landgericht Siegen nach.

Verwerfungen in Gläserstraße

Die Katastrophe für die 26 Bewohner der Häuser Nummer 110 und 112 in der Gläserstraße beginnt am 4. Februar 2004. Lange Risse klaffen in ihren Wohnhäusern. Das Bergbauamt Arnsberg veranlasst sofort Untersuchungsbohrungen. Am 12. Februar 2004 verschluckt die stillgelegte Erzgrube „Hohe Grete” eine Hausecke. Die Fundamente geraten ins Wanken. Die beiden einsturzgefährdeten Gebäude werden geräumt.

Sechs Jahre später stehen sich die „Runkel Wohnungsbau GbR” - Eigentümerin der Häuser - und das Land Nordrhein-Westfalen vor der Zivilkammer gegenüber. Denn die Wohnungsgesellschaft behauptet, die Fundamente der Wohnhäuser seien nur in Bewegung geraten, weil die Arnsberger Bergbehörde mit ihren Untersuchungsbohrungen den Tagebruch auslöste.

Krater verfüllt

Begründung: Bereits im April 1965 habe sich unter dem Haus Gläserstraße 112 ein Tagebruch aufgetan. Damals sei der Krater mit Beton verfüllt worden. Und genau diesen unterirdischen Betonklotz habe die Bergbehörde angebohrt, als sie den Rissbildungen auf den Grund gehen wollte. Diese Bohrung habe den tonnenschweren Betonbrocken aus dem Gleichgewicht gebracht und so den Erdrutsch ausgelöst. Und darum fordert die „Runkel GbR” einen Schadenersatz von 916 352,23 Euro vom Land. Ob dieses Geld jemals gezahlt wird, ist fraglich.

Vortrag des Gutachters

Denn der Sachverständige des Gerichts stellte gestern fest, dass die Bergbaubehörde im Februar 2004 richtig gehandelt hat: „Gefahrloser war der Eingriff nicht möglich.” Da nun noch über die Standfestigkeit der Häuser entschieden werden muss, was weitere Probebohrungen nach sich ziehen kann, wird es einen zweiten Verhandlungstermin wohl erst in etwa einem Jahr geben.

Während sich die juristisch Agierenden über Schriftsätze austauschen, sind die Fachleute, die sich um die Sicherung des Tagebruches kümmern, nicht untätig. Ein Jahr lang ziehen sich die Sicherungsarbeiten nach dem 12. Februar 2004 hin: 520 Bohrlöcher werden auf einer Länge von 14 Kilometern in die Tiefe getrieben, 22 000 Tonnen Beton in den Berg gepumpt. Kosten: vier Millionen Euro.

22 stillgelegte Erzgruben halten Viertel in Bewegung

Doch der Rosterberg gibt keine Ruhe. 22 stillgelegte Erzgruben, in denen Jahrhunderte lang Eisenspat abgebaut wurde, halten das Stadtviertel in Bewegung. Es kommt zu weiteren Verwerfungen. 2007 ändern die Behörden die Strategie. Eine Bergbaufirma aus Thüringen, die sich auf die Sicherung alter Erzgruben spezialisiert hat, übernimmt das Kommando.

Von jetzt an steigen Bergleute in die alten Schächte und leiten den Beton zielgerichtet in gefährliche Hohlräume. In 30 000 Arbeitsstunden befreien die Spezialisten 1300 Meter Stollen von 850 Kubikmetern Abraum und stopfen sie mit stahlhartem Beton. Offenbar ein effektvolles Verfahren. Der Boden ist stabil. Ein großes Areal auf dem Rosterberg ist gegen Bergschäden gesichert. Kosten: 1,5 Millionen Euro.