Sundern. Es ist mehr eine Skulptur, die sich da schlank und bogenförmig der Decke entgegenstreckt. Ein LED-Ring - fast freischwebend, wie ein Heiligenschein - verströmt warmes Licht. Chrom dominiert die Form der Stehleuchte Nimbo, die sich gut betuchte Kunden rund 2000 Euro kosten lassen.
Verantwortlich für den edlen Glanz des Topmodells aus dem Hause Simon & Schelle ist Christof Weber. Sein Beruf: Galvaniseur - ein Handwerk mit Tradition.
Von der Ästhetik der Designerstücke aus dem Ausstellungsraum des Sunderner Leuchten-Herstellers ist an Webers Arbeitsplatz wenig zu ahnen. In der Galvanik des Familienunternehmens, das auch Leuchtenserien für Joop, Ritzenhoff und Rolf Benz fertigt, brodelt, dampft und blubbert es aus großen, alten Wannen wie in einer Hexenküche.
Neben Ohrenstöpseln und Schutzbrille trägt Weber Schürze, Stiefel und Handschuhe aus Gummi. „Ich bin voll der Latextyp”, witzelt der 38-Jährige. Grund für die Schutzkleidung sind die Chemie-Cocktails in den Tauchbädern, in denen Chef-Galvaniseur Weber und seine drei Kollegen Haltegitter mit Messingteilen aller Art versenken. So erhalten sie in einem komplexen, mehrstufigen Verfahren mit Metallsalzen und Strom Oberflächen aus Chrom, Nickel oder Gold - mal glänzend, mal mattiert.
Handarbeit mit viel Gefühl
„Hier lauf ich den ganzen Tag im Kreis herum”: Was Weber so salopp beschreibt, ist noch echte Handarbeit. Ein Arbeitstag, der von 7 bis 16.30 Uhr neben chemischen Kenntnissen viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl erfordert. Je nach Art der zu veredelnden Teile bestimmt Weber „nach Augenmaß” die Länge der Tauchbäder, „mit Gefühl” regelt er die Stromzufuhr und frischt morgens bei Bedarf etwa mit Glanzzusatz die Bäder auf. Bei Simon & Schelle wird noch nach alter Väter Sitte galvanisiert, fast wie zu Zeiten der Firmengründung 1946. „Der Arbeitsablauf bleibt bis auf wenige Nuancen gleich”, sagt Weber. Beim Umweltschutz hat indes längst die Moderne Einzug gehalten. Eine hauseigene Aufbereitungsanlage, die Weber überwacht, filtert Schwermetalle und Schadstoffe aus dem Wasser.
Die Handarbeit auch beim Schleifen und Polieren bringt nach Worten von Geschäftsführerin Anna-Katharina Simon gegenüber der automatisierten Galvanik in Großbetrieben Vorteile in Flexibilität und Qualität mit sich - und beschert der Simon & Schelle jede Menge Fremdaufträge. So verchromt, vernickelt und vergoldet der 60-Mitarbeiter-Betrieb neben Leuchtenteilen auch Türbeschläge, Armaturen, Bootsteile und vieles mehr. Rund 300 000 Teile waren es im letzten Jahr, jedes zweite ging außer Haus. Ein Volumen, dass die Sunderner in Arbeitsteilung bewältigen.
Spezialisiert auf Chrom
„Ich mache hauptsächlich Chrom”, berichtet Weber. Ein Kollege ist fest für Nickel matt zuständig, der Rest wird aufgeteilt. Dass Weber bei Simon & Schelle der Chrom-Spezialist ist, kommt nicht von ungefähr. Er war es, der vor rund zehn Jahren den Anstoß dazu gab, die Bandbreite der Galvanik um Chrombäder zu erweitern: „Das habe ich in den Stiel gestoßen.” Bis dahin ließ man in Sundern noch extern verchromen. So machte sich das Vertrauen rasch bezahlt, das Simon & Schelle in Weber gesetzt hatte: Gerade hatte er erfolgreich die Weiterbildung zum Galvaniseur an der Fachschule Solingen abgeschlossen. Vierteljährlich stellte ihn die Firma für den einwöchigen Blockunterricht von der Arbeit frei, um einen Nachfolger für den ausscheidenden Galvanik-Chef aufzubauen.
Glück, Zufall und die Bodenständigkeit des Freienohlers verhalfen Weber 1994 zum neuen Job und Simon & Schelle zum gesuchten Galvanik-Spezialisten. Entscheidend war die Empfehlung des Onkels seiner heutigen Chefin, der Webers Nachbar war - und sein Lehrer an der Berufsfachoberschule Olsberg. Dort absolvierte er nach der Realschule die Ausbildung zum chemisch-technischen Assistenten, bekam aber nach der Bundeswehr „keinen Fuß mehr an den Boden”. Zumindestens nicht im Sauerland. Aber der Arbeit wegen nach Bayern zu ziehen, das kam für Weber nicht in Frage. So hielt er sich - „damit man nicht auf der Straße steht” - für ein paar Monate als Aushilfe beim örtlichen Yachtenbauer Dehler über Wasser. Bis die nachbarschaftliche Arbeitsplatzvermittlung ihren Lauf nahm.