Hagen/Olpe. 72 Stunden vor der Bundestagswahl wächst die Nervosität in den NRW-Parteizentralen. In Umfragen schrumpfen die Chancen für eine schwarz-gelbe Koalition im Bund. Im Hochsauerlandkreis gilt ein CDU-Wahlsieg als sicher.
In der sauerländischen CDU-Hochburg hatte der Erfinder der „Bierdeckel-Steuerreform”, Friedrich Merz, vor vier Jahren mit 57,7 Prozent Erststimmen das landesweit beste Ergebnis eingefahren. 2009 tritt der anerkannte Finanzexperte nicht mehr an: In die großen Fußstapfen tritt von Merz der 38-jährige Rechtsprofessor Patrick Sensburg. „Ich bin vielleicht noch etwas wertkonservativer”, sagt der CDU-Mann, der seine Politik an den Zehn Geboten orientiert.
Sensburgs Gegenkandidat ist der Bochumer SPD-Landtagsabgeordnete Karsten Rudolph, der sich mit Platz 23 auf der SPD-Landesliste Hoffnung auf den Wechsel in den Bundestag macht. Wahlkreis-Vorgänger Franz Müntefering will auf Platz 1 der SPD-Landesliste erneut in den Bundestag einziehen. Bei den Erststimmen lag die SPD 2005 in ihrer traditionellen „Diaspora” Hochsauerlandkreis um mehr als 20 Prozent hinter der CDU. Bei den Zweitstimmen - für die Parteien - holte die CDU 46,6%, die SPD 33,7%, FDP 9,7%, Grüne 4,1% und Linke 3,6%.
Wahl wird in NRW entschieden
Die Bundestagswahl wird in NRW entschieden. Hier leben mit 13,5 Millionen Wahlberechtigten mehr Bürger als in den fünf neuen Bundesländern zusammen. Das erklärt den gewaltigen Auftrieb der Polit-Prominenz in der heißen Schlussphase des Wahlkampfs. Im „roten” NRW hat die SPD bei Bundestagswahlen immer besser gepunktet als die CDU. 2005 holte die NRW-CDU nur 34,4 Prozent, die SPD aber 40,0 Prozent. Ein „Stimmen-Patt” von SPD und CDU in NRW wäre für die Union eine Sensation.
Nach dem „Wahlbetrug” der SPD bei der Dortmunder Kommunalwahl hofft die Union in der SPD-Herzkammer auf eine „Abstrafung der Roten” bei der Bundestagswahl. Landesweit hatte die SPD bei der letzten Bundestagswahl 40 Direktmandate in NRW gewonnen - die CDU 24. Mit 47 Abgeordneten stellt die NRW-CDU aber die größte Landesgruppe im Bundestag.
Hagener Röspel sicherer Direktkandidat
In Südwestfalen ist das Bild ziemlich bunt. In den Wahlkreisen 148 ( Hochsauerlandkreis) und Olpe-Märkischer Kreis I liegt die CDU bisher deutlich vor der SPD, in Siegen-Wittgenstein und Soest zeichnet sich wieder ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. In Hagen, Ennepe-Ruhr und im Märkischen Kreis II hat die SPD deutliche Vorteile.
Als sichere Direktkandidaten in Südwestfalen gelten der Hagener SPD-Abgeordnete Rene Röspel (2005: 52,3%), die Iserlohner SPD-Sportexpertin Dagmar Freitag (47,5%), der Schauerte-Nachfolger Matthias Heider (Olpe). In Siegen-Wittgenstein kämpfen Willi Brase (SPD) und der CDU-Bewerber Volkmar Klein ums Direktmandat, in Soest Wolfgang Hellmich und Bernhard Schulte-Drüggelte (CDU). Spannend wird auch sein, ob der Hammer Wirtschaftsexperte Laurenz Meyer über CDU-Listenplatz 35 wieder in den Bundestag einzieht. Im Wahlkampf haben sich Merkel & Co. in Kompaniestärke vor Ort für Meyer eingesetzt. Die südwestfälischen Vertreter Brase, Freitag, Schulte-Drüggelte und der CDU-Arbeitsexperte Ralf Brauksiepe kehren über sichere Listenplätze in jedem Fall wieder in den nächsten Bundestag ein.
Keine Zweitstimmen-Empfehlung
In den 64 NRW-Wahlkreisen wurden insgesamt 14 Parteien zugelassen - darunter auch eher chancenlose „Exoten” wie die Deutsche Tierschutzpartei, Piratenpartei und Rentnerpartei. Nach dem Erfolg bei der Kommunalwahl erwartet die FDP in Südwestfalen einen starken Zuspruch. Auf Wahlhilfe durch die CDU können die Liberalen dabei nicht zählen. Die Union verzichtet auf eine Zweitstimmen-Empfehlung für die FDP - die Liberalen haben im bürgerlichen Lager stark zugelegt. „Wir brauchen selbst jede Zweistimme”, heißt es kämpferisch in der CDU.
Noch ist fast jeder vierte Wahlberechtigte unentschlossen. In den Parteizentralen gilt die Bundestagswahl als Startschuss für die NRW-Landtagswahl im Mai 2010. Die CDU sieht gute Chancen, die SPD bei der Bundestagswahl in ihrem Stammland erstmals in den letzten 30 Jahren unter die 40-Prozent-Marke zu drücken. Für die NRW-CDU wäre ein Ergebnis über 35 Prozent ein Erfolg. In der „schwarzen Hochburg” Hochsauerland gelten andere Maßstäbe: Hier setzt die Union auf ein kräftiges „50 plus”.