Köln. Heidi Klum, der schöne Schein aus Bergisch Gladbach, sucht neue Gesichter für ihr Modellprojekt „Germany's next Topmodel” (GNTM). Gestern musste der Laufsteg-Nachwuchs in Köln durch den Schönheits-TÜV.

Und doch: Die meisten der 1500 Teilnehmerinnen bei der Deutschland-weit einzigen offenen Hauptuntersuchung (Casting) müssen sich eine Model-Karriere wohl abschminken.

Wenn dem Erfinder des Rollkoffers bislang noch kein Denkmal gesetzt wurde, wird es seit gestern höchste Zeit. Mehrere hundert Meter reicht am Morgen die Junge-Menschen-Schlange auf der Schanzenstraße in Köln-Mülheim, und mehrere hundert Rollkoffer flanieren auf dem Weg zum Veranstaltungszentrum Palladium, dem Ort der inszenierten Traumwelt.

Sieben Sachen des Mannequin-Lebens

Laut Casting-Ausschreibung müssen die Teilnehmerinnen ab 16 Jahren die sieben Sachen des Mannequin-Lebens dabei haben: „Nicht zu weite Oberteile und Tops, figurbetonte Hosen, Miniröcke und Bademode - und High-Heels.”

Um acht Uhr morgens zeigt das Thermometer Null Grad an. Juliane (22) steht in der langen Reihe der 1500 Bewerberinnen und friert in ihrem Minirock, ihrer dünnen Strumpfhose und ihren weißen Turnschuhen wie ein Löwe in der Antarktis.

Komponierte Haupthaar

Wie so viele ihrer Konkurrentinnen verzichtet sie auf eine Mütze - das mit viel Sorgfalt komponierte Haupthaar könnte Schaden nehmen. Trotz des Frosts ist Julianes Stimmung keinesfalls unter dem Gefrierpunkt. Sie würde schon gerne weiter kommen, erzählt die Schönheit, „es kommt aber darauf an, was gesucht wird”.

Unter dicker Schminke steckt Juwel

Das 35 Jahre alte Erfolgs- und Geschäftsmodell Heidi Klum, von dem Kritiker behaupten, dass es nie ein Topmodel gewesen sei, hat dieser Tage die Bedeutung äußerer Werte betont: „Manchmal entdecken wir zwar unter dicker Schminke ein Juwel”, so die Illusionistin und Vorsitzende Richterin der gestrengen GNTM-Jury, „aber leichter fällt das, wenn man möglichst ungeschminkt daherkommt. Mädels, gebt euch so natürlich wie möglich.”

Erfrischend natürlich ist Nezaket aus Ennepetal. „Ich brauche meine Schuhe, Papa”, ruft die 16-Jährige zu ihrem Vater Hüseyin auf der anderen Straßenseite. „Sie will einen Kick für ihr Leben haben”, deutet der freundliche Familienvater die Teilnahme seiner Tochter an dem Laufsteg-Contest.

Traum von der Modelkarriere

Und wenn sich der Traum von der Modelkarriere erfüllt? „Sie soll lieber einen vernünftigen Beruf erlernen”, sagt der Ennepetaler. „Sie will Anwältin werden. Das ist doch gut.”

Unter juristischer Mithilfe sind offenbar die Teilnahmebögen des Senders PRO 7 entstanden, die von jeder Bewerberin (bzw. einem Erziehungsberechtigten) unterschrieben werden müssen. Darin verpflichten sich die Unterzeichner, „alle mit der Produktion zusammenhängenden Informationen nicht an Dritte” weiterzugeben. Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht habe rechtliche Folgen.

Heidi hat heute kein Foto für dich

Presseleute dürfen sich beim Casting im Palladium aus „produktionstechnischen Gründen” nicht blicken lassen, Heidi hat „heute leider kein Foto für dich”, wie sie in ihren Leistungsschauen immer so schön sagt. In der Schlange vor dem Eingang kommt man dennoch weiter.

„Germany's next Topmodel bietet mir die Chance, in eine Welt zu gelangen, zu der man sonst keinen Zutritt hat”, sinniert Nathalie (24) aus der Schweiz. Am Dienstag um 22 Uhr hat sie sich in Luzern in den Zug gesetzt und war nach „8 bis 9 Stunden” in Köln. Sie will Erfahrungen sammeln, sagt sie, während ein kräftiger Mensch via Megafon für Abwechslung in der Warteschlange sorgt: „Kommt einfach weiter nach vorne und jubelt und flippt aus, wenn gleich der Kameramann durch die Reihen geht.”

Wer schön sein will, muss leiden

Die Wartezeit für Fayrize (23) aus Neuss („Die suchen das gewisse Etwas”) sowie Egzona (16) und Sarah (17) aus Werl („wir sind seit halb 7 hier”) hat in Kürze ein Ende. Sie haben eines gemeinsam: Sie spüren ihre eiskalten Füße nicht mehr. Wer schön (und Germany's next Topmodel) sein will, muss leiden.