Hagen. Als Dirk Schatz bei der Europawahl am unteren Ende des Wahlzettels die Piratenpartei entdeckt, glaubt er an einen Scherz: „Ich habe sie für eine Spaßpartei gehalten”, gesteht der Hagener. Doch dass Schweden einen Piraten nach Brüssel schickt, lässt nicht nur Schatz an seiner Meinung zweifeln.

Seitdem setzen sich die Piraten aus dem Sammelsurium von Tierschutz-, Rentner- oder Familienpartei ab.

Quer durch die Republik formieren sich Piraten-Stammtische - auch in Soest, Warstein und durch Gründer Dirk Schatz seit Kurzem in Hagen. Auf den Stammtisch folgt die lokale Gruppe, die sogenannte „Crew”. Fünf Mitglieder sind nötig. Ab dem zehnten Mitglied entzweit sich die Crew. „In größeren Gruppen ist es oft müßig, einen Konsens zu finden”, erklärt Schatz. Binnen weniger Monate vervielfachte sich die Mitgliederzahl bundesweit auf 7000 - seit Mai von 5000.

Viele Sympathisanten

Wichtiger aber die Sympathisanten: In den Internetgemeinschaften wie StudiVZ, Xing oder Facebook liegen die Piraten in der Anhängerschaft vor den etablierten Parteien. Einige Wahlprognosen weisen die Piraten bereits außerhalb der „Sonstigen” aus. In Münster und Aachen zieht jeweils ein Pirat in den Rat ein.

„Was die Piraten vertreten, ist einfach das, was auch ich vertreten will”, sagt Dirk Schatz, der im kommenden Mai bei der Landtagswahl kandidieren will. Früher war der 30-Jährige aktiv in der SPD. Doch Zensur, Kameras an öffentlichen Plätzen, Datenvorratsspeicherung - alles mit Unterstützung der Sozialdemokraten - hätten nicht mehr mit seinen Einstellungen übereingestimmt.

Heute geht es für Dirk Schatz um die Liberalisierung des Patentrechts sowie des Verbots für nicht-kommerzielle Nutzer, Filme und Musik kostenlos zu kopieren. Negativ gesehen bedeute dies die Abschaffung der geistigen Eigentumsrechte. Hier verwirkliche sich der bizarre Parteiname im Programm, sagen die Gegner der Piraten.

Ansonsten geht es um Transparenz: Offenlegungspflicht, ja Beschränkung von Nebentätigkeiten der Mandats- und Amtsträger. Vieles hat im Piratenprogramm mit Datenaustausch zu tun. „Datenschutz ist gerade heute eines der höchsten Güter”, sagt Schatz. Aber auch Bildung ist ein Thema.

Geringe Überlebensfähigkeit

Darin sehen Kritiker das Problem für ihre Überlebensfähigkeit. „Die Piraten haben ein eindimensionales Programm. Wenn es sich weiter nur auf Informationsgesellschaft stützt, lässt sich damit keine Gesamtpolitik machen”, urteilt der Münsterische Parteienforscher Prof. Wichard Woyke. Vielmehr seien die Piraten bisher nur in Studentenstädten, wo traditionell das Wählerpotenzial für solche Themen hoch sei, in den Rat eingezogen. „Bei der Europawahl haben sie dagegen bundesweit nur 200 000 Stimmen geholt.”

Trotzdem: Die Piraten verweisen auf das einzig basisdemokratische Parteisystem in Deutschland. Jeder könne neue Themen einbringen. Auf den Parteitagen werde abgestimmt, ob sie ins Programm aufgenommen werden. Auch Kandidaten müssten sich vor ihren Anhängern rechtfertigen, ehe sie für die Wahl aufgestellt würden. Darauf stellt sich auch Dirk Schatz für seinen Wahlkampf ein - dann mit NRW-spezifischen Inhalten.