„Es begann mit einem Glas Rotwein”, sagt Wilfried Rosendahl, während er die samtenen Handschuhe überstreift und das Corpus Delicti behutsam ertastet. „Und nun endet es im Krankenhaus.”

Dr. Wilfried Rosendahl, Kurator der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim, ist einem Mysterium auf der Spur, das das beschauliche Hohenlimburg seit Jahrhunderten betört: Er untersucht die „Schwarze Hand”, ein Relikt aus dem Mittelalter, das 1811 in den Gemäuern des Schlosses gefunden wurde. Seither schürte das faltige, düstere Fragment einer vergangenen Epoche Spekulationen: Einst glaubte man, es handele sich um ein Mahnmal, die Hand eines Kindes, das seine Mutter schlug. Doch Wilfried Rosendahl, der bei einem Glas Rotwein auf das Rätsel der abgetrennten Hand stieß, hält die altertümliche Theorie für eine „Gruselgeschichte”: Er ist überzeugt, dass es sich um ein Beweisstück, ein „Leibzeichen” handelt, sagt er, „zum Beispiel die Hand eines Mordopfers! Zeit, das Geheimnis zu lüften.”

Am Montag beginnt die Suche nach der Wahrheit im Krankenhaus Elsey: Bedächtig ergreift Wilfried Rosendahl, der unzählige Mumien untersucht und vermessen hat, die verkohlte Hand, dreht und wendet sie, ertastet die dünnen Finger und fährt sanft über die raue, mumifizierte Haut. Nach 200 Jahren hat die „Schwarze Hand” Schloss Hohenlimburg erstmals verlassen. Doch die Aura, die sie umgibt, erfüllt selbst das sterile Ambiente des Krankenhauses. Eine Computertomographie soll ihr all die Geheimnis entlocken, die sie seit Jahrhunderten zu einem mystischen Anziehungspunkt machen. Wilfried Rosendahl bettet die mumifizierte Hand auf die Liege, die sonst lebendigen Patienten vorbehalten ist. „Da es sich um eine menschliche Hand handelt, werde ich diese Untersuchung nur einmal durchführen”, erklärt er. Denn die Würde des Menschen sei auch im Tode zu achten.

Es ist das erste Mal, dass totes Gewebe im Fadenkreuz des Lasers vermessen wird. Im Nebenraum steuert Christiane Köppen die Untersuchung und erstellt ein dreidimensionales Modell der Hand am Bildschirm. Radiologe Dr. Hartmut Müller überwacht den Vorgang. „Schade”, seufzt Christiane Köppen. „In diesem Moment verliert die Stadt einen Mythos. Aber die Wissenschaft hat Vorrang.”

Anhand der Daten versuchen Wilfried Rosendahl und Hartmut Müller nun, Alter und Geschlecht des Fundstückes zu bestimmen, Verletzungen und Krankheiten zu rekonstruieren. Doch Wildfried Rosendahl dämpft die Erwartungen: „Heute weiß niemand, wie viel uns diese Daten wirklich sagen können.” Erste Ergebnisse werde man frühestens in zwei Monaten präsentieren können. Bis dahin hütet die „Schwarze Hand” stumm ihr Geheimnis.