Leon de Winter dreht gern das ganz große Rad. Und seine Alternativ-Geschichte über Osama bin Ladens Tod wird nicht nur die Anhänger von Verschwörungstheorien befriedigen. Das ist die These in „Geronimo“: Die US-Spezialkräfte, die den Terroristen in Pakistan aufgriffen, haben ihn, entgegen ihrem Befehl, nicht getötet, sondern gefangen genommen. Dann geht alles schief. Saudis entführen den 9/11-Organisator. Allerdings scheitern sie daran, bin Laden das kompromittierende Material zu entreißen, mit dem er versuchte, Obama zu erpressen (weshalb dieser den Tötungsbefehl gab).
Abenteuerlich? Es kommt noch besser: Den Chip mit den Fotos hat ein christlicher pakistanischer Jugendlicher gefunden. Wo er suchen solle, hat ihm das afghanische Mädchen verraten, in das er verliebt ist und für das er und seine Mutter sorgten. Bis sie verschwand. Da nämlich hatte Osama sie auf einem seiner nächtlichen Motorrad-Ausflüge entdeckt, bei denen er Zigaretten kaufte und Eis für eine seine drei Frauen. Weil er glaubt, sie habe ihn erkannt, nimmt er sie mit. Um sie zu töten. Aber dann bekommt er Mitleid. Weil ihr die Taliban die Arme und Ohren abgehackt haben. Weil sie westliche Musik hören und spielen will. Bachs Goldberg-Variationen.
Die hat ihr einst der CIA-Veteran Tom vorgespielt. Er wollte sich um die Waise kümmern. Aber dann war er weg, als die US-Basis überfallen wurde. Nun versucht er, sie wiederzufinden. Zufällig hat er auch vom Plan seiner früheren Kollegen gehört, statt bin Laden einen Doppelgänger zu erschießen. Und nun sterben alle, die davon wussten.
„Geronimo“ ist ein spannender Politthriller. Und zugleich ist es eine Geschichte von Schuldgefühlen. Tom will das afghanische Mädchen retten, weil er nicht da war, als seine kleine Tochter starb, die beim Terrorangriff in Madrid verletzt wurde.
Übertrieben? Durchaus. Und völlig kitschfrei geht es auch nicht ab. Aber Leon de Winter packt einen so, dass derlei nicht ins Gewicht fällt.