Seit 70 Jahren gehört das Quiz zum Fernsehen. Dabei folgt es einem so simplen wie erfolgreichen Konzept: Einer fragt, ein anderer antwortet.
Eigentlich ist es ganz einfach: Ein Mensch fragt, ein anderer antwortet. Am 3. September vor 70 Jahren war das zum ersten Mal abends im Fernsehen zu sehen – sofern man in einem der 10.000 Haushalte lebte, in denen ein Fernseher stand.
Seit gut acht Monaten ist das Deutsche Fernsehen damals auf Sendung. Das Programm dauert nur ein paar Stunden am Tag, aber selbst die sind schwierig zu füllen. Bis heute hält sich das Gerücht, Produzenten von TV-Geräten seien mit der Forderung an die Sendeanstalten herangetreten, „attraktivere Sendungen“ zu produzieren. Sonst würden sie auf ihrem Berg von Fernsehern sitzen bleiben. Der Hessische Rundfunk versucht es mit Quiz.
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Für kleines Geld zu produzieren ist so eine Frage-Show, und das Konzept kennen die Deutschen schon seit ein paar Jahren aus dem Hörfunk. „Wer gegen wen“? fragt ein gewisser Hans-Joachim Kulenkampff auf dem Bildschirm am Abend des 3. September live von der Funkausstellung in Düsseldorf. Mannschaften aus mehreren Städten spielen gegeneinander, das Tanzorchester des HR macht zwischendurch Musik. Es ist die Geburtsstunde des TV-Quiz in Deutschland.
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Der strenge Heinz Maegerlein
Groß gezogen aber wird das „Baby“ nicht von „Kuli“ alleine. Neben dem großbürgerlichen, gewitzt-charmanten Moderator ist es vor allem Peter Frankenfeld, der etwas wissen will von seinen Gästen. Wo Kuli lächelt, lacht er lauthals. Meist nicht im Anzug, sondern in groß karierten Jacketts. Mit überschäumender Laune, stets nah beim Publikum – und damit eigentlich weit entfernt vom Bildungsanspruch, den die Sender damals noch zu haben glauben. In den Quiz-Shows der frühen Jahre geht es deshalb meist auch nicht um unnützes Wissen oder leichte Themen, es geht um Allgemeinbildung.
„Hätten Sie’s gewußt?“ fragt etwa Heinz Maegerlein. Und wenn er mit ernster Stimme und strengem Blick die Kategorie „Was man weiß, was man wissen sollte“ eröffnet, denken anschließend viele Zuschauer über die Anschaffung eines neuen Lexikons nach – am besten 20-bändig.
Viele kleine und eine große Wissensshows gibt es in den 60er-Jahren. „Einer wird gewinnen“, verspricht Kulenkampff und in besten Zeiten schalten 90 Prozent aller TV-Zuschauer ein, um zu erfahren, wer von den Kandidaten und Kandidatinnen aus acht europäischen Ländern es sein wird. „EWG“, wie die Show kurz genannt wird, ist kein abgefilmtes Radio, sie verbindet Show mit Unterhaltung. Teilnehmer sehen Ausschnitte aus Theateraufführungen oder nachgebildete Baudenkmäler, zu denen Kuli anschließend Fragen stellt. Und weil der Moderator dabei immer wieder ins Plaudern gerät, gibt es bis heute keine andere Quizshow im Deutschen Fernsehen, die ihre Sendezeit so oft und so weit überzog.
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Die Sendung mit der Hausfrau
Nie um Wissen, nur ums Raten geht es da schon seit Jahren in dem 45-Minuten-Format „Was bin ich?“. Mitte der 1955er-Jahre noch eingeführt als „psychologisches Extemporale mit sieben unbekannten Größen“ wurde es bald das „heitere Beruferaten“ mit Robert „Welches Schweinderl hätten S‘ denn gerne?“ Lembke. In der Sendung musste ein vierköpfiges Team die Berufe der Gäste erraten. Erlaubt waren nur Fragen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden konnten. Nach jedem Nein erhielt der Gast ein 5-Mark-Stück, das Lembke theatralisch in ein Sparschwein warf. Bis heute unvergessen und noch immer als Ausschnitt auf Youtube zu sehen ist die „Hausfrau“, die Ratefuchs Guido Baumann fragt: „Könnte Ihr Beruf von einem Mann ausgeführt werden?“ Worauf Lembke der mit der Antwort zögernden Kandidatin beispringt: „Sagen wir nein.“
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In den 70er-Jahren ist die erste Blütezeit der Quiz-Shows vorbei. Ja, Wim Thoelke, fragt da – unterstützt von den Zeichentrickfiguren Wum und Wendelin – noch drei Kandidaten ab, die in futuristisch wirkenden Kugeln sitzen. In Sendungen wie „Montagsmaler“, „Dalli Dalli“ oder „Wünsch dir Was“ aber wird geschätzt, geraten, gezeichnet und gespielt, was das Zeug hält. Und als in den 80ern die Privaten TV-Sender die Deutschen Bildschirme erobern, steigt die Höhe der möglichen Preisgelder, während das Niveau des vorausgesetzten Wissens sinkt. Wo einst Bereiche wie „Pflanzenkunde“, „Oper“, „ oder „Sagen der Völker“ abgefragt wurden, gibt es nun Kategorien wie „Backe backe Kuchen“ oder „Drei Buchstaben“. Wer wirklich quizzen will, guckt kein TV, er spielt „Trivial Pursuit“.
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Dann kommt Günther Jauch. Am 3. September 1999 startet „Wer wird Millionär?“ (WWM) bei RTL und beschert dem Sender Rekordquoten. Erstmals setzt ein Quiz bei den Antworten auf Multiple Choice und gibt vier Lösungen vor, von denen natürlich nur eine stimmt. Im besten Fall wissen die Kandidaten die richtige Antwort. Tun sie das nicht, können sie immer noch ausschließen oder einen Telefon-Joker anrufen. Und nie zuvor waren die Themenbereiche vielfältiger. Auf Geografie kann Garten folgen, von Film geht es zu Feiertagen.
Ein Prinzip, auf das fast alle Quizshows setzen, die im WWM-Kielwasser starten – egal ob sie „Gefragt – gejagt“, „Wer weiß denn sowas?“ oder „Quizduell“ heißen. Außerdem, sagt der Marburger Medien-Experte Gerd Hallenberger, greife am Ende ein Mechanismus, der schon immer zur Beliebtheit solcher Shows beigetragen hat. „Das Quiz“, hat Hallenberger in Untersuchungen analysiert, „ist die erste und bis heute auch eine relativ einzigartige Form von interaktivem Fernsehen. Auf dem Bildschirm werden Fragen gestellt, und zu Hause kann jeder mitraten.“ Und so am Ende Frau und Kindern, zur Not auch nur sich selbst, beweisen, wie schlau er doch ist – zumindest zu Hause auf der Couch im Wohnzimmer. Dazu kommt die Spannung. Bei Krimi oder Drama lässt sich oft zumindest erahnen, wie die Sache ausgeht. Beim Quiz aber kann alles passieren. Das gibt es sonst nur beim Sport.
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Die Rolle des Moderators
Das Konzept sei so gut, „da könnte man auch einen Besenstiel als Moderator hinsetzen“, hat Günther Jauch dann auch mal gesagt. Aber da widersprechen Experten. Beim Quiz ist die Rolle des Moderators laut Hallenberger besonders wichtig, denn er diene „als Kontaktperson, zu der die Zuschauer eine Art Beziehung aufbauen“. Deshalb sei es wichtig, dass die Sendungen von Menschen präsentiert werden, die man gern als Nachbarn hätte.“
TV-Produzent und Buchautor Jens Bujar aus Münster ist schon vor Jahren noch einen Schritt weiter gegangen. „Die Zuschauer müssen bereit sein, den Moderator jeden Tag in ihr Wohnzimmer zu lassen.“ Für Menschen wie Jauch, aber auch für Jörg Pilawa, Alexander Bommes oder Kai Pflaume öffnen sie die Türen offenbar gerne. Da ist es am Ende dann auch egal, wenn Kritiker viele Quiz-Shows für „Steinzeitfernsehen“ halten. Günther Jauch nennt es lieber „Rückbesinnung auf das Einfache, auf das Klare.“ Und damit hat er wohl Recht. Denn am Ende ist es auch nach 70 Jahren immer noch ganz einfach. Ein Mensch fragt, ein anderer antwortet.
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