Berlin. Eine Studie zeigt: Zuhause arbeiten viele Beschäftigte erfolgreicher – und sind oft sogar gesünder. Das hat Folgen für Arbeitgeber.
Länger beim Frühstück sitzen, die Kinder von der Schule abholen und abends früher zuhause sein – das sind nur einige der Vorzüge, die viele Arbeitnehmer am Homeoffice schätzen. Doch auch um effizienter zu arbeiten, scheint der Schreibtisch zuhause oft die bessere Wahl zu sein. Das geht aus einer repräsentativen Studie der Technischen Universität Darmstadt hervor.
Dafür wurden 1136 Bürokräfte – also Beschäftigte, die für Ihren Job regelmäßig am Computer arbeiten – in Deutschland von Dezember 2022 bis März 2023 zu den Themen „Work from Home“, Arbeiten im Büro sowie Arbeiten an dritten Orten, etwa im Ausland, befragt. Diese Befragung soll eine bereits im Jahr 2021 von der Universität vorgelegte Arbeit ergänzen.
Das Ergebnis der Studie zeigt: Arbeiten im Homeoffice führt offenbar bei vielen Beschäftigten zu einer Leistungssteigerung. Während 76 Prozent der Befragten angaben, zuhause effizient zu arbeiten, waren es im Unternehmensbüro nur 61 Prozent. Insgesamt geben 60 Prozent der Befragten an, im Homeoffice erfolgreicher zu arbeiten und zufriedener zu sein.
Universität Darmstadt: Produktivität im Homeoffice höher
Besonders überraschend: 43 Prozent der befragten Arbeitnehmer würden ihren Job sogar kündigen, sollte ihr Unternehmen fordern, wieder ausschließlich im Büro zu arbeiten. Zwar steigen nach Aussage von zwei Dritteln der Befragten der Zeit- und Arbeitsaufwand beim Arbeiten von zuhause, dafür halten sie die Ergebnisse ihrer Arbeit qualitativ für besser.
Andreas Pfnür, Leiter des Fachgebiets Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre an der Universität Darmstadt, ist einer der Studienautoren. Er schätzt die Entwicklung als neue „große Herausforderung“ für Unternehmen ein. Mit Blick auf die Ergebnisse der Studie werde deutlich, dass sogenanntes „multilokales Arbeiten“ aus dem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken sei.
Dennoch betont er, dass Büroräume nach wie vor gefragt sind. „Es gibt immer noch viele Menschen, die gern zur Arbeit gehen“, so Pfnür. Generell seien die Ergebnisse sehr unterschiedlich gewesen. „Klar ist nur: In ein schlechtes Büro geht niemand mehr“. Die Unternehmen müssten sich in Zukunft weiter an die Anforderungen der Beschäftigten anpassen – auch um kein erhöhtes Kündigungsrisiko einzugehen.
Studie: Je mehr Homeoffice-Stunden, desto weniger Burnouts
„Die Frage ist: Welche Auslöser gibt es dafür, dass die Menschen lieber zuhause arbeiten“, sagt Kyra Voll, Mitautorin der Studie und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Darmstadt. Meist falle die Wahl auf den Ort, wo die Beschäftigten erfolgreich arbeiten können. In den eigenen vier Wänden spreche viele auch der Freiraum in Stresssituationen an. „Es tut vielen gut, einfach das Fenster aufzureißen, das Licht zu verändern oder mal raus ins Grüne zu treten – das ist im Büro nur begrenzt möglich“, so Voll.
Flexibles Arbeiten könnte zudem Auswirkungen auf die Gesundheit haben: Laut der Befragung leiden Arbeitnehmer im Homeoffice seltener an einem Burnout. Etwa ein Drittel der Befragten gab an, unter der Überlastungsstörung zu leiden. Je mehr Stunden Beschäftigte jedoch mit Work from Home verbrachten, desto geringer war die Ausprägung von Burnouts.
Deutlich werde auch, dass die Mehrheit der Befragten gern öfter im Homeoffice arbeiten würde als aktuell, betont Kyra Voll. 59 Prozent der Arbeitszeit zuhause zu verbringen, wäre für sie demnach eine optimale Lösung. Immerhin fast 60 Prozent ihrer Aufgaben könnten sie im Schnitt zuhause erledigen.
Gewerkschaftsbund kritisiert Ergebnisse der Studie
Wer Beschäftigten mehr Arbeitszeit im Homeoffice zugesteht, muss allerdings auch die Firmenstrukturen anpassen, rät Andreas Pfnür. „Es muss möglich sein, dass die Leute flexibler arbeiten, ohne dass der Teamgeist verloren geht.“ Erreichbar sei das etwa mit anderen Konferenzformaten oder Teamtreffen außerhalb des Büros.
Auch auf die innerstädtischen Immobilienmärkte wirken sich die Veränderungen aus, sagt der Studienautor. „Es werden einfach viel weniger Büroflächen benötigt werden.“ Mit Blick auf die Vier-Tage-Woche berge der Trend zur höheren Produktivität im Homeoffice zudem großen Spielraum. „Wenn die Menschen wirklich so viel effizienter arbeiten, dann wäre die Verkürzung der Arbeitswoche auf jeden Fall eine Möglichkeit“, sagt Pfnür. „Und den Unternehmen würde nicht mal etwas fehlen.“
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Markus Jerger, Vorsitzender des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, betont: „Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsortes führt dann zu höherer Produktivität, wenn die Vereinbarungen partnerschaftlich, vertrauensvoll und innerbetrieblich organisiert werden.“ Es sei daher wichtig, dass der Gesetzgeber im Zuge der anstehenden Reform des Arbeitszeitgesetzes, Vertrauensarbeitszeitmodelle fördere, um praxisnahe Regelungen für mobile Arbeit zu schaffen.
Arbeitsministerium: Keine Neuigkeiten zum „Mobile-Arbeit-Gesetz“
Oliver Suchy, Abteilungsleiter Grundsatz und Gute Arbeit beim DGB Bundesvorstand, sieht die Befragung kritischer: „Die Studie hat einen begrenzten Wert, weil nur ein spezieller Ausschnitt der Arbeitswelt gezeigt wird“, sagt er. Zudem böten allgemeine Kategorien wie Arbeitszufriedenheit „einen weiten Interpretationsspielraum.“ Auch Suchy plädiert für klare Spielregeln für die Heimarbeit und eine moderne Unternehmenskultur, denn Work from Home habe für viele auch Schattenseiten.
So führe etwa „unbezahlte Mehrarbeit zu ungesunden Arbeitszeiten“, kritisiert der Gewerkschafter – bis hin zu permanenten Verfügbarkeitserwartungen. „Deshalb streben wir einen Rechtsrahmen für Homeoffice an“, sagt Suchy. Das Bundesarbeitsministerium verweist jedoch darauf, dass es beim „Mobile-Arbeit-Gesetz“ noch Abstimmungsbedarf gebe. Aktuell laufe ein mehrmonatiger Diskussionsprozess zu den arbeits- und arbeitsschutzrechtlichen Aspekten mobiler Arbeit, der im Sommer abgeschlossen werden soll.
Das Institut für Betriebswirtschaftslehre an der TU Darmstadt hatte für die Befragung den Dienstleister Coventury beauftragt. Dieser führt wissenschaftliche Umfragen über die weltweit verbreiteten Clickworker Internetplattformen durch, durch die Probanden für Fragebögen erreicht werden können. Das Unternehmen ist für mehrere Fachgebiete der Uni und anderer Forschungsinstitutionen regelmäßig tätig.