Essen/Köln. Schornsteinfeger steigen immer seltener auf Dächer. Doch der Beruf stirbt nicht aus – im Gegenteil. Wie sich ein uraltes Handwerk neu erfindet.

Immer seltener steigen Schornsteinfeger auf die Dächer NRWs. Trotzdem ist der Beruf so wichtig wie nie zuvor. Das Handwerk vereint geschickt Tradition und Fortschritt – und ist so zu einem unverzichtbaren Treiber der Energiewende geworden.

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Energiewende: Ohne Schornsteinfeger geht es nicht

Heizungen überprüfen, Energieausweise ausstellen, Lüftungsanlagen reinigen: Schornsteinfeger sind mittlerweile zu Alleskönnern in Energiefragen geworden. Schornsteine reinigen, das mache nur noch einen Bruchteil der täglichen Aufgaben aus, erklärt Schornsteinfegermeister und Energieberater Paul-Werner Giebeler (58). Als „beratendes Zwischenglied“ zeigen die Glücksbringer Eigentümern stattdessen ganz neutral auf, wie sie ihre Immobilie so energieeffizient wie möglich gestalten.

Giebeler hat dabei einen entscheidenden Vorteil: Nach seiner Ausbildung zum Schornsteinfeger in den 90ern studierte er Umweltschutz. „Damals hat das keiner ernst genommen“, erinnert er sich. Mittlerweile ist Umwelt- und Klimaschutz wichtiger denn je, seine Expertise daher ein enormer Gewinn für Beruf und Alltag.

Trotzdem bilden er und seine Kollegen sich stetig weiter, um auf dem neuesten Stand der Energietechnik zu sein. Der Wandel des Schornsteinfegerhandwerks spiegelt sich aber nicht nur in den neuen Aufgabenbereichen, sondern auch in der Ausrüstung wider: viel technischer ist sie geworden. Wo früher nur Kehrbesen und Schultereisen zum Einsatz gekommen sind, entdecken heute spezielle Kameras Mängel und Ruß im Schornstein.

Warum bringen Schornsteinfeger Glück?

Schornsteinfeger bringen Glück, so sagt man. Aber warum eigentlich? Bereits im Mittelalter zogen Schornsteinfeger von Haus zu Haus, um die Schornsteine zu reinigen. Damals war das von noch größerer Bedeutung als heute, denn nur mit freiem Schornstein konnte mit Feuer gekocht und geheizt werden. Gleichzeitig verringerten sie so die Brandgefahr. Weil damals die Häuser überwiegend aus Holz bestanden, konnte ein kleiner Brand schnell ein ganzes Viertel zerstören. Schornsteinfeger sorgten also für Sicherheit – und damit auch für Glück.

Schornsteinfeger haben viele Aufgaben

Das beeinflusst natürlich auch die Ausbildung. Für den Nachwuchs heißt es mittlerweile nicht mehr nur rauf aufs Dach, sondern auch: ran an die Wärmepumpe. Im kommenden Sommer soll sich die Ausbildung sogar grundlegend verändern. Die traditionellen Aufgaben – also zum Beispiel das Kaminkehren – sollen Auszubildende in den ersten eineinhalb Jahren erlernen. Auch, wenn klassische Schornsteinfegertätigkeiten nur noch einen Teil des Berufs ausmachen: aufgrund der hohen Brandgefahr müssen Rußablagerungen natürlich auch in Zukunft entfernt werden.

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Die restlichen eineinhalb Lehrjahre soll es dann um moderne Heizsysteme und Energietechnik gehen. Die Schornsteinfeger-Innung Köln, in der Giebeler nicht nur den Oberbergischen Kreis vertritt, sondern in der er auch als Vorstand für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig ist, hat dafür ordentlich aufgerüstet. In den Ausbildungsräumen finden sich neben alten Öfen und Heizkesseln moderne Heizsysteme und Dachmodelle, anhand derer dem Nachwuchs das Thema Wärmedämmung näher gebracht wird.

Die Ausstattung unterstreicht noch einmal, was Schornsteinfeger heutzutage alles können müssen. Auf diese umfangreiche Kompetenz verlassen sich nicht nur Kunden, sondern auch die Politik. Schornsteinfeger seien nämlich die einzigen in Deutschland, die vollumfängliche Zahlen zu den installierten Heizungen im Land haben, erklärt Giebeler. Diese Daten spielen eine wichtige Rolle bei der kommunalen Wärmeplanung, die die Bundesregierung im vergangenen Jahr beschlossen hat.

Auszubildende lernen nicht nur, wie man Schornsteine kontrolliert, sondern auch, wie Wärmepumpen funktionieren.
Auszubildende lernen nicht nur, wie man Schornsteine kontrolliert, sondern auch, wie Wärmepumpen funktionieren. © Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks

Neue Aufgabenbereiche: Vor allem Frauen profitieren

Einen weiteren Vorteil, den Giebeler in den vielen neuen Aufgabenbereichen sieht: für Frauen wird das Handwerk deutlich attraktiver. Denn die Tätigkeit als Schornsteinfegerin ist bei einer Schwangerschaft nicht mehr durchführbar. Grund sind zum einen die körperliche Belastung, zum anderen der Kontakt mit Gefahrstoffen wie Ruß – heißt: Beschäftigungsverbot.

Mittlerweile liegt der Frauenanteil in dem Beruf bundesweit bei etwa 10 bis 15 Prozent, Tendenz steigend. In der Kölner Innung sind aktuell 17 Prozent der Schornsteinfeger Frauen. Denn heute können Schwangere – falls gewünscht – einfach eine der vielen anderen Aufgaben übernehmen. Zum Beispiel jene, die im Büro anfallen und auch im Homeoffice erledigt werden können.

Denn hier ist viel zu tun: „Vier bis fünf Stunden am Tag bin ich nur am Telefon“, erzählt Giebeler. Die Energiewende und Diskussionen um neue Regelungen und Gesetze – Stichwort Gebäudeenergiegesetz (GEG) – überfordere viele Eigentümer. Der Beratungsbedarf ist groß. Was in dem Beruf deswegen auch eine wichtige Rolle spielt: Menschlichkeit.

Energiewende sorgt für Unsicherheit

Nicht nur einmal habe der Schornsteinfegermeister schon vor überforderten Kunden mit Tränen in den Augen gestanden, als er sie über den energetischen Zustand ihrer Immobilie informiert hat. Vor allem ältere Menschen wüssten in der aktuellen Situation gar nicht, wohin mit sich. Das Geld für eine umfangreiche Sanierung fehlt oft.

Ein Problem laut Giebeler: Förderungen bekämen am Ende nur jene, die sich das Ganze sowieso leisten könnten. Dazu kommt jetzt noch der Bruch der Ampelkoalition. Wie die nächste Regierung mit Energiewende und Klimaschutz umgeht, ist ungewiss. „Wir brauchen einfach mehr Verlässlichkeit.“

Dass Deutschland wie von der Politik geplant bis 2045 klimaneutral ist, hält er vor dem Hintergrund für ambitioniert. Seinen Job liebt der Schornsteinfeger aber trotz der Herausforderungen: „Sonst macht man den auch nicht.“

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