Köln. IG-Metall-Chef Giesler kritisiert „Strategielosigkeit“ des US-Konzerns. Autoexpertin Wisbert erläutert, warum neue Ford-Modelle nicht ankommen.
Betriebsrat und IG Metall haben harten Widerstand gegen den von Ford geplanten Abbau von 2900 Arbeitsplätzen in Köln angekündigt. Die Arbeitnehmerseite will die „Kahlschlag“-Pläne, wie die IG Metall sie nennt, nicht hinnehmen. „Statt in Köln Forschung und Entwicklung weiter zu schwächen, muss in diesen Bereich investiert werden, um in Europa wettbewerbsfähig zu sein“, sagte Knut Giesler unserer Redaktion, der NRW-Chef der Gewerkschaft.
Der US-Konzern hatte am Mittwoch angekündigt, bis Ende 2027 in Europa insgesamt 4000 Stellen streichen zu wollen, den größten Teil davon in Köln. Ford begründete dies mit den gestiegenen Kosten und den schwachen Verkaufszahlen, unter denen auch die anderen deutschen Autobauer derzeit leiden. In Köln, wo im Sommer 2023 der Bau des Erfolgsmodells Fiesta eingestellt wurde, montiert Ford heute die beiden neuen Elektro-Modelle Capri und Explorer. Die neue Fertigung der vollelektrischen Modelle hatten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) erst im Sommer 2023 bei der Eröffnung mit großen Worten gewürdigt. Von einer „neuen Ära“ sprach Scholz, von einem „entscheidenden Schritt“ Richtung Klimaneutralität in NRW Wüst.
Neue Elektromodelle von Ford kommen in Deutschland nicht gut an
Doch weder das Elektro-Coupé Capri noch der SUV Explorer sind gut angelaufen, die branchenweite Absatzkrise vor allem von E-Autos kommt noch hinzu. Mit nur gut 4000 verkauften E-Autos bis einschließlich Oktober brach der Absatz von Ford in Deutschland in diesem Jahr um mehr als zwei Drittel ein, trotz der neuen Modelle kommt Ford damit bei den rein elektrisch angetriebenen Pkw auf einen Marktanteil von gerade mal 1,3 Prozent.
„Das ist für einen Volumenhersteller viel zu wenig“, sagte Auto-Professorin Helena Wisbert unserer Redaktion. Ford sei zu spät in die Produktion von Elektroautos eingestiegen und habe für den Markteintritt dann auch noch „den ganz falschen Zeitpunkt“ erwischt. Die schlechte Startposition gehe auch noch mit hohen Kosten, etwa für die von VW zugekauften Plattformen einher, so dass Ford mit seinen neuen Modellen beim Preis-Leistungsverhältnis der Konkurrenz hinterherfahre. Dass die neuen Modelle zu teuer und deshalb schwer zu verkaufen seien, bestätigten uns auch Ford-Händler aus der Region.
Der Explorer steht auf der Plattform des VW ID.4, kostet in der günstigsten Version 42.500 Euro, mit besserer Ausstattung und größerem Motor aber schnell über 50.000 Euro. „Das spricht typische Ford-Kunden nicht an“, sagt Wisbert, die in Wolfsburg an der Hochschule Ostfalia Automobilwirtschaft lehrt und bis vor kurzem Direktorin des Duisburger CAR-Instituts war. Ford brauche stattdessen einen bezahlbaren, elektrischen Kompaktwagen für eine große Kundschaft. „Damit wird Ford in Deutschland verbunden“, so Wisbert.
Ford-Geschäftsführer: „Stehen fest zu Deutschland“
„Wir müssen daher schwierige, aber entschlossene Maßnahmen zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit von Ford in Europa umsetzen“, begründete Marcus Wassenberg, Co-Geschäftsführer der Kölner Ford-Werke, den Stellenabbau. Und betonte: „Wir stehen fest zu Europa, wir stehen fest zu Deutschland, aber in dieser schwierigen Transformation müssen auch wir unsere Kosten anpassen.“
Der Ford-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Benjamin Gruschka kündigte „erbitterten Widerstand“ an und drohte mit einer Auseinandersetzung, wie es sie bei Ford „noch nie gegeben“ habe. Auch Giesler erklärte, diesen Kahlschlag werde die IG Metall nicht hinnehmen. Die bei Ford in den letzten Jahrzehnten gelebte Sozialpartnerschaft werde durch diese Ankündigung mit Füßen getreten. Gruschka betonte: „Ich kann mich nicht an so ein rücksichtsloses Vorgehen des Konzerns erinnern.“
Das letzte Stellenabbau-Programm in Köln läuft noch, da kommt schon das nächste
Die noch rund 12.000 Beschäftigten in Köln haben ohnehin sehr harte Jahre hinter sich, eine Streichrunde folgte der anderen. So seien von 2018 bis 2020 bereits mehr als 5400 Arbeitsplätze in Deutschland weggefallen, betont der Betriebsrat. Zudem laufe in Köln noch ein weiterer Abbau von 2300 Arbeitsplätzen bis Ende 2025 in Köln. Dass in der Domstadt aktuell Kurzarbeit gefahren wird, hat die Stimmung nicht eben verbessert.
Seit zwei Jahren steht darüber hinaus der Beschluss, im Werk Saarlouis die Fahrzeugfertigung bis 2025 ganz einzustellen, was weitere 4200 Stellen koste. Dass Ford Europa nun „zum vierten Mal in Folge Arbeitsplätze in Europa und mehrheitlich in Deutschland vernichten“ wolle, werde man nicht kampflos hinnehmen.
In welchen Bereichen genau die weiteren knapp 3000 Stellen abgebaut werden soll, gab Ford noch nicht bekannt. Im Umfeld des Kölner Werkes ist aber zu hören, dass die Produktion weitgehend verschont bleiben und stattdessen erneut in den Entwicklungsabteilungen gekürzt werden soll. Die sind freilich bereits kräftig geschrumpft, für die neuen E-Modelle kaufte Ford die Plattformen bei VW ein, mit der Entwicklung eigener E-Modelle für Europa, wie sie der Betriebsrat in Köln fordert, scheint der US-Autobauer überfordert. Im ohnehin verlustträchtigen Europageschäft scheuen die Amerikaner weitere Risiken und hohe Investitionen.
IG-Metall-Chef Giesler: Ford hat keine Strategie für Deutschland und Europa
„Ford hat einfach keine Strategie für den Automarkt in Deutschland und Europa“, kritisiert IG-Metall-Bezirksleiter Giesler. Der nun geplante Stellenabbau gehe allein auf „die Strategielosigkeit von Ford“ zurück. Dem Autobauer fehle ein bezahlbares Modell für die breite Masse. Das Management müsse „nun schnellstmöglich handeln, um diese Traditionsmarke zu erhalten“, fordert Gewerkschafter Giesler.
Um den eingebrochenen Verkauf insbesondere von Elektroautos in Deutschland wieder anzukurbeln, fordert die Gewerkschaft von der Bundesregierung seit längerem eine Art Kaufprämie für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen. Vorbild könne das in Frankreich eingeführte „Social Leasing“ sein, das Geringverdienern einen geförderten Kauf von E-Autos zu sehr niedrigen Monatsraten ermöglicht.